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Cheltenham - der Rückblick

Galopin des Champs stürmt zum Sieg im Gold Cup. www.galoppfoto.de - JJ Clark

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 760 vom Freitag, 24.03.2023

Und so – vorbei. Das Festival 2023 Geschichte, Vergangenheit. Nur noch im Rückspiegel zu betrachten. Gemessen, vermessen, abgewogen. Analysiert, bewertet, gewertet. Gefeiert, getrauert, bereut. Gewinner, Verlierer. 28 Sieger und 112 Platzierte, und die „also-runs.“ Alle, die ihr Bestes gaben. Alle, die auch dieses Festival zu dem atemberaubenden, herzstoppenden, atemlosen, spannenden, dramatischen, ausgelassenen, angespannten – kurz: besonderen- Spektakel machten, wie es eben nur Cheltenham kann.

Wenn eine Veteranin der englischen Journalisten-Szene, seit Jahrzehnten auf den Rennbahnen der Welt unterwegs, den einleitenden Dienstag (Constitution Hill/Honeysuckle) als den „besten Tag ihres Lebens [auf einer Rennbahn]“ bezeichnet, liegt die Messlatte hoch. Die Hauptprüfungen des dritten Tages fanden im Newsletter der letzten Woche noch kurze Berücksichtigung. Sire Du Berlais´ Überraschungssieg in der Stayers Hurdle, Envoi Allens toller Erfolg in der Ryanair Chase. Michael O`Leary, Boss der Airline und somit Sponsor des Rennens, hatte zudem dafür gesorgt, dass die Mares´ Novice Hurdle auf der gleichen Karte in Erinnerung an Jack de Bromhead gelaufen wird. Somit war Envoi Allens Erfolg ein weiterer emotionaler Höhepunkt des Meetings, wird doch der Wallach (wie bereits berichtet) inzwischen von Henry de Bromhead trainiert.

Beste Stimmung auch nach der einleitenden Prüfung des Donnerstag, der Turners Novices´ Chase (Gr.I, ca. 4000m). Der Sieger Stage Star (Paul Nicholls, Harry Cobden) läuft in den Farben der „Owners Group“; diese Form der Besitzergemeinschaft hatten wir in einer der letzten Ausgaben der Turf-Times etwas ausführlicher betrachtet. Der Fame and Glory-Sohn, der von der Spitze aus ein famoses Rennen lief und u.a. den heißen Favoriten Mighty Potter (Gordon Elliott, Davy Russell) sicher in Schach halten konnte, hat somit rund 3.000 Besitzer, auch aus Deutschland. 20 Teilhaber durften in den Führring, hunderte säumten, mit Schals in den Rennfarben entsprechend sichtbar, Führring und Siegerzirkel; es wurde voll auf dem Siegerpodest. Für Trainer Paul Nicholls war es der erste Festival-Sieger seit 2020; der 60jährige, vielfacher britischer Champion-Trainer, feierte den Erfolg entsprechend enthusiastisch. Auch am Freitag lief es gut für Nicholls. Der von ihm trainierte Stay Away Fay gewann als 18-1 Chance überraschend die Albert Bartlett Novices´ Hurdle (Gr.I, ca. 4800m); sein Bravemansgame verkaufte sich als Zweiter im Gold Cup dann auch in der Niederlage ausgezeichnet.

Zwei Pferde bestachen am letzten Tag des Meetings besonders. Die JCB Triumph Hurdle (Gr.I; ca. 3300m) ist die einzige Prüfung des Meetings, die eine Altersbeschränkung hat. Juvenile-Prüfungen sind – je nach Jahreszeit – nur offen für 4j. Pferde, somit die jüngsten über Hürden. Das Rennen wurde nicht nur von Trainer Willie Mullins dominiert, der tatsächlich die vier Erstplatzierten des Rennens stellte. Die ersten Drei waren allesamt Stuten, die somit nicht unerheblich von der entsprechenden Gewichtserlaubnis profitieren. Siegerin Lossiemouth (Great Pretender), wie so viele Pferde im Mullins-Stall französisch gezogen, hatte sich bei ihrem letzten Start Anfang Februar in Dublin etwas überraschend der Stallgefährtin Gala Marceau geschlagen geben müssen; diese Form stellte die bildschöne Schimmelstute nun nachdrücklich gerade. Tatsächlich siegte Lossiemouth nicht nur; ganz dem Renntitel entsprechend triumphierte sie. Die Art und Weise, mit der sie im Schlußbogen an der Außenseite, nicht nur am Gebiß sondern pullend ihrem Jockey Paul Towend die Zügel gleichsam aus der Hand nahm, der Spitze – und einem überlegenen Sieg – entgegenstrebte, war mehr als sehenswert und eine der Sternstunden des Meetings.

Der Gold Cup. Dreizehn Pferde, viel Klasse, kaum Masse. Zwei vorherige Sieger des Rennens, der amtierenden Grand National-Sieger unter den Startern. Viel wurde im Vorfeld über den Favoriten, den erste 7j. Galopin Des Champs geurteilt. Der vom Etzeaner Timos stammende Wallach versuchte sich erstmals jenseits der drei Meilen, Zweifel am absoluten Stehvermögen hatten nicht wenige Experten geäußert. Nach 2022 hatte Galopin Des Champs in Cheltenham eine Rechnung offen – war er doch mit dem Sieg in der Hand in der Turners Novices´ Chase beim Landen von den Beinen gekommen und recht spektakulär zu Boden gegangen; der Wallach war – und ist – auf der Jagdbahn ansonsten ungeschlagen. In einem Rennen, das für ihn nicht einmal besonders glatt verlief (Gegner liefen ihm vor die Füße, zwei kam zu Fall) fand sich Galopin Des Champs viel weiter im Hintertreffen, als ursprünglich geplant war.

Während Englands Hoffnung Bravemansgame aus dem Vordertreffen ein Traumrennen hatte, musste Galopin Des Champs viel Boden gutmachen, ehe er sich absetzten konnte. Die Art und Weise, wie er auf der letzten Meile mühelos zu den führenden Pferden aufschloss, um sich am letzten Sprung deutlich und ohne erkennbare Anstrengung auf sieben Längen zu lösen, war eine Demonstration von Eleganz und Klasse. Die Zeit war schnell, die „richtigen“ Gegner vorne. Hinter Bravemansgame belegte Conflated (Gordon Elliott, Sam Ewing) Platz Drei, während Noble Yeats aus allerhintersten Regionen auf Platz Vier lief; der Beginn einer Serie? Es war Willie Mullins´ dritter Sieg, sieben der letzten acht Austragungen des Gold Cup gingen nach Irland. Die Länderwertung England – Irland fiel mit 10-18 allerdings nicht so ganz so erdrutschartig aus, wie es die englische Presse befürchtet hatte.

Es war Mullins´ insgesamt 95. Erfolg beim Festival; Nicky Henderson kommt als dichtester Konkurrent auf bislang 73 Erfolge. Und das, nachdem Team Closutton am dritten Meetingtag nicht nur keinen Sieger, sondern nicht einmal ein Pferd unter den ersten Dreien hatte. Rund 90 individuelle Starter hatte Mullins nach Cheltenham geschifft, von denen 51 in den 14 Grade I -Rennen liefen; Mullins allein stellte 31%, während alle britischen Trainer zusammen für 36% der Starter in dieser Klasse verantwortlich waren. Mit sechs Siegen wurde Mullins „natürlich“ Meeting-Champion, ein für seine Verhältnisse eher durchschnittliches Ergebnis. Siege von Facile Vega und wohl auch im Champion Bumper waren eigentlich fest eingeplant, aber Pferderennen sind eben kein Wunschkonzert. Immer wieder gibt es kritische Stimmen gegen die Übermacht seines Stalles, doch sorgen seine Pferde, perfekt vorbereitet und voller Klasse, regelmäßig für Highlights. Wo immer sie auftreten. Und wenn es, wie Gold Cup-Held Galopin Des Champs Mitte der Woche, bei einer Parade in seinem Heimatdorf ist. Irland feiert seine Helden traditionell.

Wo Sieger sind, da sind natürlich auch Verlierer. Es wurde leider nicht das Meeting des Davy Russell, dessen Festival-Ritte, nach seinem etwas überraschenden Rücktritt vom Rücktritt, zwar sieben Plätze, aber keinen Sieg erbrachten. Mehr noch, Russell, ein Veteran der Jockey-Szene, der nach der schweren Verletzung von Gordon Elliotts Stalljockey Jack Kennedy in den Rennsattel zurückgekehrt war, musste sich verbaler und ungebetener Kritik von Ex-Chef Michael O`Leary stellen; seinen Ritt im Gold Cup (in den Farben von O`Learys Gigginstown Stud) gab Russell (dem Vernehmen nach freiwillig) auf und ist seitdem nicht mehr in den Rennsattel gestiegen.

Erfreulich die geringe Zahl schwerer Stürze. Ob die neue, weiße Farbe der Hindernisse ihren Anteil daran hatte, ist erst einmal Spekulation. Selbst die Racing Post sah sich zu einem Sonderartikel veranlasst, da einer der Festivaltage gar ganz ohne Stürze ablief. Im Gold Cup selber kamen Ahoy Senor (Lucina Russell) und Hewick („Shark“ Hanlon) zu Fall, letzter mit einem besonders häßlichen Sturz direkt vor den Tribünen. Erfreulicherweise konnten sich beide Pferde aber aufrappeln; die Social Media -Teams der Trainer haben seitdem regelmäßige Updates zum Wohlbefinden ihrer Schützlinge ins Netz gestellt. Ein Pferd, Ben Paulings Malinello, konnte leider nicht gerettet werden.

Ein weiterer „Verlierer“ wohl auch die Rennbahn selber, zum ersten Mal seit langem war nur ein Meetingtag ausverkauft; vor allem die beiden Mittel-Tage sahen deutliche Einbrüche in den Zuschauerzahlen. Diese versuchte der Veranstalter mit Bahn- und Lehrerstreiks zu erklären; deutliche Proteste und Kritik an den hohen Eintrittspreisen in den sozialen Medien ändern den Tenor. Tatsächlich spiegelt sich die finanzielle Schere auf der Rennbahn wider: Während die teuren Hospitality-Plätze allesamt gut gefüllt waren, bleiben die Ticketverkäufe in den „normalen“ Bereichen deutlich hinter den Erwartungen zurück. Im nächsten Jahr steht der 100. Cheltenham Gold Cup. Am 15.03.2024. 

Catrin Nack

 

 

 

 

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