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Championat 2012 im Blick: Interview mit Alexander Pietsch

Jockey Alexander Pietsch im Porträt. Foto www.galoppfoto.de

Autor: 

Karina Strübbe

Alexander Pietsch gehört zu den fleißigsten Jockeys hierzulande. 510 Ritte hat er im vergangenen Jahr insgesamt absolviert, 480 davon in Deutschland. Zum ersten Mal stieg er am 2. Januar in den Sattel, die letzten Ritte absolvierte er Silvester. Eine nennenswerte Winterpause? Gab es nicht, Alex Pietsch ist durchgeritten. Großartig anders soll das in diesem Jahr auch nicht werden. „Ich werde mir ein, zwei, drei Wochen Pause gönnen, dann werde ich wieder angreifen und reiten“, kündigt er im Gespräch mit Turf-Times beim Silvesterrenntag in Neuss an. Dass Fleiß belohnt wird, wird spätestens beim Blick auf die Jockeystatistik klar. 2007 war Alex Pietsch zum ersten Mal unter den Top Ten zu finden, seitdem ging es jedes Jahr aufwärts über Platz 7, 6, 4 zum Vize-Champion 2011. Dem Gesetz der Serie nach müsste 2012 der Titel folgen. Ob das klappt, hängt natürlich von vielerlei Faktoren ab, weiß Alex Pietsch. Auf die Frage, ob denn 2012 ein neuerlicher Angriff aufs Jockeychampiont erfolgen soll, sagt er: „Das ist im Blickpunkt, ja. Aber mit Gewalt geht es nicht. Wenn ich die Auslandsstarts weglasse, dann könnte es klappen, aber ich nehme es so wie es kommt und gebe mein Bestes. Und natürlich ist Gesundheit die Voraussetzung Nummer Eins.“

Attiko mit Alexander Pietsch gewinnt, Hoppegarten 17.09.2011. Foto: www.galoppfoto.deAttiko mit Alexander Pietsch gewinnt, Hoppegarten 17.09.2011. Foto: www.galoppfoto.de

 

Wie bei einigen seiner 

Danando mit Alexander Pietsch im Hamburger Führring, 16.07.2010. Foto Karina StrübbeDanando mit Alexander Pietsch im Hamburger Führring, 16.07.2010. Foto Karina Strübbe

Kollegen sind die Auslandsstarts häufiger geworden. Vor allem Frankreich, aber auch Italien und in jüngster Zeit Belgien sind die meist besuchten Ziele. Die größten Erfolge des vergangenen Jahres konnte Alex Pietsch dabei mit  Vanjura feiern, mit der er sowohl in der Istanbul Trophy als auch im Premio Ribot (beide Gr. II) siegreich war. Die Stute nimmt einen besonderen Platz ein: „Vanjura bleibt natürlich besonders in Erinnerung, sie hat mich drei Jahre begleitet, unter anderem beim Doppelsieg auf Gruppelevel in der Türkei, dann der Sieg in Rom“, zollt er der Stute Respekt. Ein absolut größtes Karriereereignis hat er aber nicht: „Ich möchte hier keinen einzelnen herausheben. In letzter Zeit durfte ich so schöne Erfolge feiern, in verschiedenen Ländern auf den unterschiedlichsten Rennbahnen, jeder Sieg, ob im Handicap oder im Grupperennen kann etwas ganz Besonderes sein. Ein schöner Ritt, ein toller Endkampf, eine gut gewählte Taktik, ein Außenseitersieg, auch das sind unvergessene Momente in meinem Jockey-Leben.“

Vanjura mit Alex Pietsch nach dem Sieg, Dresden 07.08.2010.  Foto: www.galoppfoto.deVanjura mit Alex Pietsch nach dem Sieg, Dresden 07.08.2010. Foto: www.galoppfoto.deDabei war Alex Pietsch beileibe kein Frühstarter, ein Fakt, das sich vielleicht auch ein wenig in seiner Jockeykarriere widerspiegelt. Die größten Erfolge kamen in jüngerer Vergangenheit und Pietsch ist immerhin schon 39 Jahre alt. Mit dem Reiten selbst begann er ebenfalls relativ spät, mit 14 Jahren und das, obwohl er als Sohn eines Trainers quasi von Pferden umgeben war. Allerdings lag der späte Start weniger an Alex Pietsch selbst, als an den gesetzlichen Bestimmungen. „Das hatte aber auch damit zu tun, dass Kinder in der  DDR erst ab 14 aufs Rennpferd durften. Und Reitpferde und Ponys hatten mich nie interessiert, ich war doch immer im Rennstall.“ 

Früh übt sich .... Alexander Pietsch am 08.08.1998 in der Jockeystube in  Dresden. www.galoppfoto.deFrüh übt sich .... Alexander Pietsch am 08.08.1998 in der Jockeystube in Dresden. www.galoppfoto.deAls er dann endlich auf die Rennpferde durfte, ging es richtig los. Nach der Ausbildung bei Egon Czaplewski und  Werner Bauermeister in Hoppegarten folgten viele Stationen in ganz Deutschland, erst im Osten, unter anderem auch als Stalljockey für seinen Vater, später dann auch im Westen z.B. bei  Michael Trybuhl, Jutta Schultheiß,  Andreas Wöhler,  Christian Freiherr von der Recke und aktuell seit 2009 am Stall von  Waldemar Hickst und damit sind noch nicht einmal alle Trainer genannt, für die Alex Pietsch geritten ist. Da verwundert es auch nicht weiter, wenn er auf die Frage nach speziellen Unterstützern sagt: „Jeder Stall und jeder Trainer hat seinen Teil dazu beigetragen, dass es bei mir im Grunde immer ein wenig mehr bergauf ging.“

Wenn Alex Pietsch mal Zeit hat und nicht mit Rennen, der Arbeit im Training beschäftigt ist, tauscht er ganz gern Mal den Vierbeiner mit dem Fahrrad oder widmet sich seinem anderen Hobby, Autos. Denn Alex Pietsch ist, wie er zugibt, ein Autonarr. Bei fünf bis sechs Lots pro Tag und dem notwendigen Sportprogramm, denn um 55 Kilo reiten zu können „dafür muss ich dann fast jeden Tag was tun“, bleibt so viel Zeit auch nicht mehr. Aber schließlich ist es auch die Abwechslung, die den Job ausmacht, sagt Alex Pietsch. „Es gibt im Grunde keinen Alltag, jede Woche kommen neue Aufgaben und man weiß nie, was einen erwartet, sowohl in positiver als auch negativer Hinsicht.“

Das Interview mit Alex Pietsch
Geboren:
01.06.1972
Jockey seit:
1991
1. Sieg als Jockey:„Das ist lange her, das war auf der Stute Dalika in Berlin.“
Ausbildung (zum/von wann bis wann/bei wem):
„Meine Ausbildung habe ich von 1989 – 1991 in der ehemaligen DDR in Berlin bei Egon Czaplewski und Werner Bauermeister absolviert.
Stationen (als was/bei wem):„Das waren mittlerweile schon einige. Nach meiner Lehrzeit blieb ich zunächst als Stalljockey bei Werner Bauermeister, durch einen Rennunfall kam dann 1993 der Wechsel nach Dresden zu meinem Vater  Peter Pietsch, 1994 dann wieder nach Berlin zu  Uwe Stech. Und wieder war ich durch einen Sturz gehandicapt, so dass ich 1995 – 1997 wieder in Dresden bei meinem Vater als Stalljockey tätig wurde. 1998 zog es mich dann in den Westen und ich heuerte bei Michael Trybuhl in Mühlheim an, 1999 war ich am Stall von Jutta Schultheis in Warendorf tätig. Um Neues zu entdecken ging ich von 1999 – 2000 nach Sydney zu G. Roggerson, eine sehr lehrreiche Zeit im fernen Austalien. Dann ging es als Stalljockey bei  Angelika Glodde weiter, 2001 – 2003 war ich am Stall von Andreas Wöhler, anschließend 2 Jahre bei  Stefan Wegner in Bremen und fungierte gleichzeitig als Stalljockey bei  Dave Richardson. 2005 war ich dann in Bremen bei Pavel Vovcenko, dann ging es zu Hans Blume nach Heumar. Ab 2007 war ich dann für knapp 3 Jahre bei Christian Frhr. v.d. Recke und seit 01.10.2009 bin ich nun Jockey bei Waldemar Hickst in Köln.“
Wer hat Sie im Rennsport gefördert?
„Jeder Stall und jeder Trainer hat seinen Teil dazu beigetragen, dass es bei mir im Grunde immer ein wenig mehr bergauf ging.“
Größte Erfolge als Jockey:
„Ich möchte hier keinen einzelnen herausheben. In letzter Zeit durfte ich so schöne Erfolge feiern, in verschiedenen Ländern auf den unterschiedlichsten Rennbahnen, jeder Sieg, ob im Handicap oder im Grupperennen kann etwas ganz Besonderes sein. Ein schöner Ritt, ein toller Endkampf, eine gut gewählte Taktik, ein Außenseitersieg, auch das sind unvergessene Momente in meinem Jockey-Leben. Vanjura bleibt natürlich besonders in Erinnerung, sie hat mich drei Jahre begleitet, unter anderem beim Doppelsieg auf Gruppelevel in der Türkei, dann der Sieg in Rom, es gibt viele solcher Momente, die in Erinnerung bleiben."
Haben Sie ein Lieblingspferd? Welches und warum?„Es gibt von Zeit zu Zeit schon ein Pferd, das man sympathisch findet. Das hat aber oft nichts mit dem Erfolg zu tun, mehr mit dem Charakter des Pferdes. Ein Freund von mir ist z.B. World Star aus dem Stall von Waldemar Hickst.“
Gibt es was, wo Sie sagen würden, das war Ihr bester Ritt?„Nein, ich bin sehr kritisch mit mir selbst. Irgendetwas finde ich immer.“
Welche(s) ist/sind ihre besondere(n) reiterliche(n) Stärke(n)? Haben Sie auch Schwächen als Jockey?„Es gibt immer etwas, das man verbessern kann. Eine Schwäche direkt? Fragen Sie die anderen.“
Gibt es jemanden unter Ihren Kollegen, gegen den Sie ungern reiten?„Nein. Ich bin sehr neutral und betrachte jeden als Partner. Es gibt niemanden, gegen den ich etwas habe, ich versuche auch immer sehr kollegial zu sein. Die Jungs, oder auch unsere Amazonen, müssen alle hart für diesen Beruf arbeiten. Ich gönne wirklich jedem den Erfolg, wenn er das ordentlich hinbekommen hat.“
Was ist Ihr niedrigstes Reitgewicht und was müssen Sie dafür tun?„55 Kilo. Dafür muss ich dann fast jeden Tag etwas tun, das ist das Schlimmste daran. Mein größter Gegner ist mein Gewicht.“
Ihr Vater war ja selber Trainer. Konnten Sie erst reiten oder laufen?„Komischerweise habe ich erst mit 14 Jahren richtig reiten gelernt. Das hatte aber auch damit zu tun, dass Kinder in der  DDR erst ab 14 aufs Rennpferd durften. Und Reitpferde und Ponys hatten mich nie interessiert, ich war doch immer im Rennstall.“
Wer war/ist für Sie als Vorbild wichtig?„Es gibt einige Jockeys, von denen man sich immer etwas abschauen kann. Frankie Dettori zum Beispiel, seine Art und Weise wie er reitet, wie er sich vermarktet und wie er in der Öffentlichkeit auftritt. Oder auch Johnny Murtagh, man kann sich an einigen Größen orientieren.“
Worin liegt für Sie der Reiz Ihres Berufes?„Es gibt im Grunde keinen Alltag, jede Woche kommen neue Aufgaben und man weiß nie, was einen erwartet, sowohl in positiver als auch negativer Hinsicht.“
Wie motiviert man sich für Ihren Beruf, wenn man im Februar bei -1 Grad und eisigem Regen in der Morgenarbeit reiten muss?
„Da muss ich mich nicht groß motivieren, denn die Pferde warten doch morgens auch mich. Ohne die kann ich nicht sein. Klar muss man auch schon eine gewisse Tierliebe und Freude zum Beruf mitbringen, dass man auch in schlechten Zeiten oder wenn das Wetter nicht mitspielt, zur Arbeit geht.“
Welches Pferd (früher, international) hätten Sie gern einmal geritten?
Frankel, den würde ich gerne einmal reiten. Aber im Grunde mache ich mir darüber keine Gedanken. Ich bin da relativ realistisch und auf die Situation in dem Land eingestellt, wo ich reite. Ich fange nicht an zu träumen im Breeders' Cup den Favoriten zu reiten.“
Auf welcher Bahn (international) würden Sie gerne einmal einen Ritt haben?„Amerika, dort würde ich schon gern mal in den Sattel steigen.“
Was gefällt Ihnen gut am deutschen Rennsport?
„Die gute Organisation. Für das kleine Land, das wir sind, feiern wir doch große Erfolge. Ansonsten, es ist immer schwierig, wir Deutschen neigen dazu, immer nur das Schlechte zu sehen und wenig dazu, auch mal über das Positive nachzudenken."
Was gefällt Ihnen weniger gut?„Natürlich gibt es auch Dinge, die man verbessern kann. Wir sind ein so fortschrittliches Land, was Autos, Ordnung, Sicherheit usw. angeht, manchmal hapert es dann an Kleinigkeiten, wo wir uns einfach nicht trauen, mal einen Schritt weiter zu gehen.“
Was ist Ihr Lieblingsessen?„Habe ich prinzipiell nicht.“
Reiten sie durch oder geht es jetzt erst einmal in den Urlaub?„Ich werde mir ein, zwei, drei Wochen Pause gönnen, dann werde ich wieder angreifen und reiten. Dann geht der ganze Zug schon wieder von vorne los.“
Also ein Angriff aufs Championat 2012?„Das ist im Blickpunkt, ja. Aber mit Gewalt geht es nicht. Wenn ich die Auslandsstarts weglasse, dann könnte es klappen, aber ich nehme es so wie es kommt und gebe mein Bestes. Und natürlich ist Gesundheit die Voraussetzung Nummer Eins.“
Welche Bedeutung hat denn überhaupt so ein Ehrentitel wie das Championat für Sie?„Also viele sagen ja, es gibt nichts dafür, es geht nur ums Händeschütteln. Aber für mich ist es doch schon eine Auszeichnung und Ehre, den nationalen Titel zu tragen. Und ich glaube, es ist auch eine sehr gute Bewerbung, die dabei hilft, sich weiter zu vermarkten, gerade auch international.
Also geht’s heute noch mal zur Sache?„Ja, heute geht’s noch mal zur Sache“
Wie stehen die Chancen?„Es wird schwer, aber nichts ist unmöglich.“
Wie sieht ein typischer Tag aus?
„Wenn kein Renntag ist stehe ich um fünf Uhr auf, trinke meinen Kaffee und gehe an mein Quartier bei Waldemar Hickst. Nach fünf bis sechs Lots bin ich dann gegen 12 Uhr fertig, anschließend muss ich mich um meine Ritte kümmern. Ein Mittagsschläfchen gehört dazu, und gegen frühen Abend steht mein Fitnessprogramm an.
Haben Sie nicht pferdespezifische Hobbys?„Ich bin leidenschaftlicher Radfahrer. Dann beschäftige ich mich gern mit Autos, also wenn ich da selbst daran rumschrauben kann. Da bin ich schon ein kleiner Narr.“
Haben Sie einen Aberglauben?„Nein, ich bin nicht abergläubisch. Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.“
Welches Rennen würden sie gern mal gewinnen?„Das Deutsche Derby, aber wer will das nicht gewinnen?“
Was sind Ihre Wünsche für 2012?„Gesund bleiben.“
Warum sächseln Sie nicht?„Naja, wenn ich mich mit Landsleuten unterhalte, kommt's dann doch wieder durch. Dann kann ich auch sächseln.“

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