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Diore Lia und kein Ende

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Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 471 vom Donnerstag, 08.06.2017

Schon zum dritten Mal in Folge ist die britische Stute Diore Lia Thema in unserem Newsletter. Mit ziemlicher Sicherheit hat dies in der Vergangenheit noch kein anderer siegloser Vollblüter geschafft. Auch diesmal geht es nicht um die sportliche Leistung der Dreijährigen auf der Rennbahn oder ihren unspektakulären züchterischen Hintergrund, sondern erneut um die Geschehnisse rund um ihren geplanten Start im englischen Derby, der letztlich doch nicht stattfand. In der letzten Woche (klick) hatten wir über die Auseinandersetzung zwischen Diore Lias Züchter Richard Aylward und der britischen Rennsportdachorganisation BHA über den Derby-Start der Yeats-Tochter ausführlich berichtet.

Unsere am Ende des Textes geäußerte Hoffnung, dass Diore Lia das letzte Kapitel dieses bizarren Dramas am Samstag auf den Epsom Downs im Derby nun selbst schreiben könne, erfüllte sich leider nicht. Ihr in Royston, einer Kleinstadt in der Grafschaft Hertfordshire, beheimateter Trainer John Jenkins meldete sie am Samstagmorgen vom Rennen ab und gab als Grund eine Muskelzerrung an. Damit schien das Thema, das in den Tagen zuvor die Berichterstattung rund um das englische Derby in den britischen Medien dominiert hatte, endgültig ad acta gelegt. Doch am Tag nach dem Derby wandte sich Richard Aylward nochmals mit einer absonderlich anmutenden Geschichte an die Medien. Seiner Überzeugung nach könne die Muskelzerrung nur durch einen Schlag mit einem Holzpflock gegen Diore Lias Bein in der Nacht vor dem Derby entstanden sein. Ein oder zwei Personen hätten sich Zugang zu Diore Lias Box verschafft, um sie zu verletzen und dadurch ihren Derby-Start zu verhindern. Zur Frage, warum und durch wen gerade der chancenloseste Derby-Teilnehmer an einem Start in Epsom gehindert werden sollte, machte Aylward ausweichende Äußerungen, er hätte zwar eine Theorie, aber keine Beweise. Die Stellungnahme der BHA zu den Medienberichten kam prompt. Die BHA forderte dazu auf, ihr Beweise vorzulegen, die diese Anschuldigung erhärten, um den Vorgang prüfen zu können.

Auch wenn sich Aylward selbst als Opfer sieht, dem man die Möglichkeit genommen hat, durch Diore Lias Derby-Start Werbung für eine Wohltätigkeitsorganisation eines Londoner Kinderkrankenhauses zu machen, so haben Recherchen der britischen Medien auch Details über seine Vergangenheit ans Tageslicht gefördert, die nicht zum Bild des Opfers passen. Aylward stand seit 2002 auf einer Sperrliste der BHA. Ihm war der Besitz von Vollblütern untersagt, da offene Rechnungen aus dem früheren Besitz von Vollblütern bestanden. Die britische Boulevardpresse meldete, es handle sich um nicht beglichene Trainerrechnungen in 2002. Aylward selbst bestritt dies und nannte allein nicht bezahlte Nennungsgebühren bei der BHA als Anlass für die Sperrung, die auch der Grund dafür war, dass Diore Lia im offiziellen Besitz seiner Schwester Mary Todd für das englische Derby genannt wurde.

Schon vor 15 Jahren plante Aylward mit einem chancenlosen Dreijährigen einen Derby-Start, doch war sein Hoffnungsträger bereits vor dem Derby gelegt worden. Da ein Derby-Start für einen Wallach nicht möglich ist, war das Thema damit erledigt. Da der Wallach jedoch nicht aus der Derby-Nennungsliste gestrichen wurde, fielen weiterhin Gebühren an, um die es dann im Folgenden Streit gab. Erst in diesem Frühjahr beglich Aylward seine Altschulden, um die leidige Auseinandersetzung mit der BHA aus der Welt zu schaffen. Sein Verhältnis zur britischen Rennsportdachorganisation ist allerdings nach wie vor gestört, wie seine Anschuldigungen der Benachteiligung im Vorfeld des Derbys nahelegen.

Der Fall Diore Lia wird auch auf Ebene der BHA noch ein Nachspiel haben. Die schon länger währende Diskussion um die Einführung eines sportlichen Mindeststandard für Teilnehmer der führenden Zuchtprüfungen erhielt dadurch neue Nahrung. Gerade im englischen Derby und den Oaks, in denen meist sehr kopfstarke Felder auf einer als schwierig geltenden Rennbahn an den Start gehen, sind Behinderungen durch deutlich leistungsschwächere Teilnehmer nicht auszuschließen. Im populärsten Jagdrennen Englands, dem Grand National, existiert bereits eine auf die Leistungsfähigkeit der Starter abstellende Qualifikationsregelung, ähnliches wird jetzt auch für tragende Zuchtprüfungen auf der Flachbahn in Erwägung gezogen.

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