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Never sell your dreams - die Million-Dollar-Babys im Derby

Autor: 

Frauke Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 774 vom Freitag, 30.06.2023

Helden nicht nur für einen Tag, sondern für die Turf-Geschichte: Jedes Jahr aufs Neue - der Derbytraum lebt. ©galoppfoto - FrankHelden nicht nur für einen Tag, sondern für die Turf-Geschichte: Jedes Jahr aufs Neue - der Derbytraum lebt. ©galoppfoto - FrankZum Derby drängt, am Derby hängt doch alles: Das gilt schon seit 1869, als sich Investment in Hamburg als erster von bisher 153 Derbysiegern in die Liste eintrug. Was für ein passender Name. Denn für jeden der 20 Kandidaten, der am Sonntag um ungewöhnliche 14:15 Uhr in die Startboxen einrücken wird, um den 154. Derbysieger zu küren, haben seine Besitzer schon investiert. Erheblich. Geschätzte 75.000 Euro  hat jedes Pferd mindestens bis zu diesem Moment gekostet, manche auch mehr. Das hängt davon ab, wieviel für den Deckhengst ausgegeben worden ist, ob es sich um einen Kauf bei einer Auktion handelt oder wie aufwändig die Rennkarriere gestaltet wurde. 

Bei manchen Pferden hat sich das Investment schon gelohnt, sie haben das, was sie gekostet habe, schon wieder eingaloppiert. Aber das sind die Ausnahmen. In unserem Überblick zum Derby kann man die Rennlaufbahn und die Gewinnsummen sehen. Doch noch interessanter sind die Angebote, über die niemand gerne offen spricht. Über die  „Million-Dollar-Babys“, die im Derby am Start sind. Denn die Agenten, besonders die aus Australien oder den Emiraten, haben einen ganz besonderen Fokus auf den deutschen Galopprennsport. Kaum läuft ein Pferd im Maidenrennen besonders gut und hat auch Nennungen für klassische Rennen, klingelt beim Trainer das Telefon. 200.000 Euro für die Hälfte wurde jüngst berichtet. Gelingt dann der Sprung auf Black Type-Ebene und im Derby-Wettmarkt wird das Pferd hochgehandelt, dann werden die Angebote auch siebenstellig. Doch solche Millionen-Gebote sind zu diesem Zeitpunkt noch graue Theorie und werden meistens abgelehnt. Auch wenn, bei realistischer Betrachtung, die Wahrscheinlichkeit, dass eines dieser Pferde jemals so viel gewinnen wird, wie es jetzt bei einem Verkauf bringen würde, gering ist: Kaum einer verkauft jetzt.. Vor dem Derby (oder der Diana). „Never sell your dream“, hören wir. Der Derbytraum lebt. Was danach kommt, steht auf einem anderen Blatt. 

Aus wirtschaftlicher Sicht sind die Besitzer, die solche Angebote ablehnen, im höchsten Grade unvernünftig, um es nett auszudrücken. Richtig nachrechnen will da keiner. Der Galopprennsport lebt von der punktuellen Dyskalkulie. Erfolgreiche Unternehmer, die an anderen Stellen um jeden Cent feilschen, was im Endeffekt eine der Voraussetzungen ist, um sich so ein Hobby überhaupt leisten zu können, werden zu Träumern. Einmal das Pferd zu züchten oder zu besitzen, am besten beides, das in Hamburg im „Rennen der Rennen“ die Nüstern vorne hat. Es geht darum Recht zu haben. Mit der Zuchtidee. Dem Kauf eines Pferdes. Der Wahl des Trainers. Der Route bis zum Derby. Des Jockeys. Bei einem wird es „Boom“ machen. Bei den Platzierten wird man noch zufrieden nicken. Und bei allen dahinter werden Wunden geleckt. Aber die Chance steht 20:1. Oder besser. Je nach Betrachtungsweise.

Alles fängt schon vier Jahre vorher an. Bei der Entscheidung eines Züchters darüber, welchen Deckchengst nehme ich für welche Stute. Schon diese Entscheidung kann mehr als die 75.000 Euro kosten. Elf Monate lang ist eine Stute tragend, kostet Unterhalt. Im eigenen Gestüt oder als Pensionsstute, wo 750 Euro im Monat auch schon Standard sind. Erste Tierarztkosten laufen auf, die werden ein ständiger Begleiter. Später kommt noch der Hufschmied hinzu. Wenn alles gut geht und das Fohlen gesund auf die Welt kommt, dann muss es mindestens ein gutes Jahr nichts anderes tun, als gesund zu bleiben und groß zu werden. Erst gemeinsam mit der Mutter, dann als Absetzer, was die Kosten erhöht. Später als Jährling. Dann geht es vielleicht zur Jährlingsauktion. Richtig teuer wird es, wenn aus dem Jährling ein Rennpferd wird. Manche gehen erst ins Pretraining, andere direkt in den Rennstall. Trainingskosten von 1.500 bis 2.000 Euro müssen einkalkuliert werden. Wenn es auf die Rennbahn geht, kommen Nenngelder- allein für das Derby 6.500 Euro -  und Transportenkosten hinzu. Der Blick auf die aktuellen Derbystarter zeigt, dass die Wahl eines Trainers schon entscheidend ist, ob sich die ganzen großen Träume erfüllen lassen oder nicht. Denn Derby-Pferde sind ein Projekt, bei dem nichts falsch gemacht werden darf. Und das hat seinen Preis.

Bei den 20 Pferden, die am Sonntag im Führing zu sehen sein werden, ist der erste Teil der Mission schon erfüllt: Sie sind dabei. Dürfen mitlaufen im „Rennen des Jahres“, das jedes Pferd nur einmal im Leben, im Alter von drei Jahren, bestreiten kann. Und dann entscheiden zweieinhalb Minuten darüber, ob sich der ganze Einsatz gelohnt hat., Es wird wieder den einen Helden geben, der umjubelt wird. Der in jeder Statistik auftaucht - und mit ihm sein Züchter, sein Besitzer, sein Trainer, sein Jockey. Darum geht es. Einmal der Turf-König von Deutschland sein! Eine Zeile, die wir uns beim Abendblatt geklaut haben, das über die Derby-Träume von Lars-Willhelm Baumgarten geschrieben hat: Klick!.Zum Derby drängt, am Derby hängt doch alles.

Und die anderen Pferde, für die es eben noch eine Millionen-Offerte gab, sind danach noch nicht einmal mehr die Hälfte wert. Wenn überhaupt. Natürlich haben auch sie nach dem Derby noch eine Karriere, aber die hat dann wieder weniger Glanz und Gloria. Im nächsten Jahr wird es dann wieder ein neues Derby gegen. Eine neue Chance. 

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