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National Hunt - Die Frost-Debatte

Bryony Frost nach ihrem Sieg in der Ryanair Chase 2019. www.galoppfoto.de - JJ Clark

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 651 vom Freitag, 15.01.2021

Kempton und vor allem das Welsh Grand National waren die Höhepunkte des vergangenen Wochenendes. Die walisische Traditionsprüfung, vom Buchmacher Coral gesponsort, wurde in diesem Jahr in Erinnerung an Colin Tizzards Tochter Kim Gingell ausgetragen, die im Frühjahr des vergangenen Jahres im Alter von nur 43 Jahren an Krebs verstorben war.

Aintrees Grand National ist bekannt wie der sprichwörtlich „bunte Hund“, das Äquivalent aus Wales hat vielleicht nicht jeder auf dem Radar.  Auch wenn wir hierzulande „Großbritannien“ oder gar „England“ denken, sehen sich Wales und Schottland beinahe als „souverän“. Fußball-Fans wissen, dass Wales z.B. eine eigene Nationalmannschaft hat.  Natürlich braucht man keinen Pass, um die walisische Grenze zu überqueren, aber die Unterschiede sind unverkennbar, und Wales ist stolz darauf. So auch auf das Welsh Grand National (Gr. 3, 3m6.5 f. = ca. 6150m), ausgetragen auf Chepstows anspruchsvoller Rennbahn. Der ursprüngliche Termin kurz nach Weihnachten fiel nicht zum ersten Mal dem Wetter zum Opfer; auch in der vergangenen Woche musste die Rennbahn einige Kontrollen überstehen.

Kaum ein Trainer auf der Insel ist stolzerer Waliser als Evan Williams, seit Jahren hat er keinen Hehl daraus gemacht, wie gerne er gerade dieses Rennen einmal gewinnen wollte. Immer wieder hatte Williams hoffnungsvolle Pferde ganz gezielt an den Start gebracht; aber erst in 20/21 reichte es endlich zum vollen Erfolg. Hilfreich war, dass trotz der terminlichen Verschiebung die ursprünglich ermittelten Gewichte bestehen blieben. Das Renn- und Handicapsystem Englands kennt Rennen, deren Gewichtseinteilung zu einem festen Datum bestimmt wird; Siege nach diesem Datum fließen in das im Rennen zu tragende Gewicht nicht ein.

Williams´ Starter Secret Reprieve profitierte von diesem System ganz besonders, volle vier Kilo hatte er „in der Hand“. Dies, in Verbindung mit seinem Sieg in einem Trial und seiner Vorliebe für die Rennbahn, war Wettern nicht entgangen; bereits zum ursprünglichen Termin notierte der junge Wallach, als Flemensfirth-Sohn aus einer Oscar-Mutter als großer Steher gezogen, als heißer Favorit. Diese Erwartungen schulterte der Wallach zusammen mit seinem extrem günstigen Gewicht zu einem nie gefährdeten Sieg. Drei Längen vor den Platzierten The Two Amigos (Trainer Nicky Martin – Jockey Matt Griffith) und Höchstgewicht Yala Encki (Paul Nicholls – Bryony Frost) galoppierte Secret Reprieve mit gespitzten Ohren über die Ziellinie. Stalljockey Adam Wedge, nach zwei Stürzen in vorherigen Rennen angeschlagen, fühlte sich nach diesem Sieg schlagartig besser. Seine nach dem Rennen im Eifer des Gefechts gemachte Bemerkung, dass der Hindernissport „a man´s game“ – ein Männersport – sei, wurde in Teilen der sozialen Medien hingegen kontrovers aufgefasst.

Kurz nach dem Rennen ließ die bekannteste weibliche Hindernisreiterin Englands, die am Stall von Paul Nicholls reitende Bryony Frost, mittels eines Interviews im "Guardian", Mobbing-Vorwürfe (auch wenn Frost dieses Wort explizit nicht in den Mund nahm) gegen ihre Kollegen bekannt werden. Auch große Tageszeitungen haben sich der Affäre inzwischen angenommen, so dass  weitere Details ans Tageslicht gekommen sind. In einem Rennen, welches bereits am 3. September 2020 in Southwell stattfand, wurde das Pferd Cillian´s Well nach Meinung von Jockey Robert Dunne durch Frosts Pferd Wisecracker (die offizielle Beschreibung des Rennens notierte „jumped left on occasions“) so stark behindert, dass es zu einem für Dunnes Pferd tödlichen Sturz kam.

Dunne stelle Frost daraufhin in der Jockeystube zur Rede, es kam zu Wortgefechten. Auf Beschwerde Frosts hat die BHA – die Britisch Horseracing Authority – Ermittlungen aufgenommen. Was sich in weiten Teilen vor allem in den sozialen Medien als reine Gender-Debatte darstellt (s.a. der Hinweis aus Wedge´ Aussage nach dem Welsh National), entbehrt wohlmöglich genau dieser Grundlage. Auch Aussagen von Anthony „AP“ McCoy, inzwischen Experte im beim öffentlichen Fernsehsender ITV, der Pferderennen in einer wöchentlichen Live-Sendung überträgt, zeigen, wie fest sich die Fronten in der Jockey-Zunft inzwischen gefahren haben, und welch weite Kreise die Beschwerde Frosts gezogen hat. McCoy hatte in einer Live-Sendung Frosts Siegesritt in der King George VI Chase öffentlich kritisiert, „jeder hätte an diesem Tag mit dem Pferd gewonnen“.

Es ist nicht alltäglich, dass ein Gr.1- Rennen das Rahmenprogramm bildet. Die Coral Final Juvenile Hurdle (Gr.1, 2m) trägt nach wie vor diesen elitären Status. Das Rennen, offen für „Juveniles“ und damit für (im Hindernissport) drei- bzw. vierjährige Hürdenpferde, ist somit eine Vorprüfung für Cheltenhams Triumph Hurdle. Favoritenwetter hatten in diesem Rennen das Nachsehen, Gary Moores stark heruntergewetteter Nassalam musste sich dem hierzulande besten bekannten – und mit deutschem Suffix versehenen –Adagio doch sehr deutlich geschlagen geben. Adagio, ein vom Gestüt Schlenderhan gezogener Wiener Walzer-Sohn aus der Familie von Arcadio, gewann beim vierten Start für Trainer David Pipe nun sein drittes Rennen, „ich mochte ihn vorher“, so Stalljockey Tom Scudamore, „und jetzt mag ich ihn noch ein bißchen mehr.“ Sein Pedigree beleuchten wir an anderer Stelle in dieser Ausgabe ausführlich.

Auch wenn es im Welsh National nicht für einen vollen Erfolg von Trainer Paul Nicholls geklappt hatte, so war es doch „sein“ Wochenende. Sieben Siege, die kombiniert über 10.000-1 zahlten, standen auf der Haben-Seite, darunter beide Gr2-Rennen auf Kemptons Karte. Die Relkeel Hurdle (2m5f) wurde leichte Beute von McFabulous, nomen war an diesem Tag omen. Der 7j. Milan-Son hatte sich zuletzt mit Thyme Hill und Paisley Park nur zwei absoluten Spitzenpferden geschlagen geben müssen, hier hatte er gegen sechs Gegner wenig Mühe.

Gar nur vier Pferde kamen in der zu Ehren des großen Silviniaco Conti gelaufenen gleichnamigen Chase über 2m4f an den Start. Nachdem Kim Baileys als heißer Favorit gestartete Imperial Aura früh reiterlos wurde, war der Weg für Nicholls´ Master Tommytucker frei. Der imposante, wenig geprüfte 10j. (dies war erst sein elfter Lebensstart) war in der Vergangenheit nicht der sicherste Springer gewesen, auch hier pflügte er -weit in Führung liegend - in bester „Kauto-Star-Manier“ durch das letzte Hindernis. Stalljockey Harry Cobden, bei allen Nicholls-Siegen in Kempton im Sattel, musste sein ganzes Können aufbieten, um im Sattel zu bleiben. Der Wallach gewann trotzdem mehr als sicher, Trainer Paul Nicholls träumt bereits vom King George am 2. Weihnachtstag. Nach den Rennen ist eben vor den Rennen.

Catrin Nack

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