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Der Galopprennsport folgt mit Weile

Autor: 

Frauke Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 806 vom Freitag, 01.03.2024
Es gibt sie, die netten Beiträge über den Galopprennsport. Besonders rührig sind einige Rennställe und Gestüte, die Videos posten und ihre Pferde vorstellen. Dito Rennvereine. Auch der Verband bemüht sich, stellt beispielsweise die „Ex-Galopper“ in einem Blog vor. Wettstar, als offizieller Wett-Anbieter des deutschen Galopprennsports, ist ebenfalls ambitioniert am Start, allerdings ist das Generieren neuer Follower schwierig. Die Zahlen sprechen für sich. Man bewegt sich in Insiderkreisen und freut sich über ein paar Hundert Likes. Das gilt auch für uns. Doch die Musik spielt woanders.
Erst berichtete die Bild-Zeitung über den tragischen Tod der Stute So Royal, wo mit dem einen Wort „Ex-Rennpferd“ in der Schlagzeile alle Vorurteile gegen den Galopprennsport wieder aus sämtlichen Ecken krochen. Dann kam der YouTuber Seltix erst auf die Rennbahn nach Dortmund. Gesprochen hat er dort anscheinend mit niemanden. Dann schnippelte er ein Video zusammen mit ein paar wenigen aktuellen Bildern von der Rennbahn und der Rest wurde aus negativen Videos und Infos im Netz zusammengeklaubt, das unvermeidliche Pick-Interview inklusive. Die Headline über diesem Video lautete „Pferdewetten: Das dunkele Geschäft dahinter“. Er gibt zwar zu, keine Ahnung zu haben, aber er hat eine Meinung. 82.725 Aufrufe in drei Wochen gab es dafür. Leider vermissen wir die erklärende Meldung von Galopper-Seite. Denn das "Big Wett-Business" auf der Bahn brachte doch ziemliche bescheidene 4,- Euro Wettumsatz pro Besucher - und da war die Zahl auch mehr als übersichtlich. Und jetzt kommt es noch besser: Ein gewisser Rezo mit einer blauen Haarsträhne kommentiert das Seltix-Video auf einem Streaming-Kanal. Gottseidank macht er daraus kein eigenes Video, denn damit hat er auch schonmal eine Reichweite von 20 Millionen Zuschauern geschafft. Da waren es nach 24 Stunden „nur“ gut 140.000 Aufrufe, die die Botschaft „Warum Pferderennen abgeschafft werden sollten…“ mit auf den Weg nehmen. Zum Vergleich dazu: Das Fantastic Moon-Derby hat bei YouTube nach 7 Monaten bisher 11.991 Aufrufe.
Es ist natürlich eine mediale Katastrophe und es gibt keine einfachen Lösungen. Denn egal wie viele Fehler man in den Videos und in der So Royal-Geschichte finden kann: Sie spiegeln alle eine Meinung wieder, die man ohne die rosarote Galoppsportbrille durchaus teilen kann - in jedem Fall aber respektieren muss. Die Argumente pro Galopprennsport findet man im Netz kaum, selbst bei der konkreten Google-Suche nach „Argumenten für den Galopprennsport“ kommen sofort Beiträge wie „Darum sind Galopprennen kein Spaß für Pferde“ von quarks.de (ein WDR Wissenschaftsmagazin) oder der Spiegel mit der Frage „Können Galopprennen tiergerecht sein?“ Leider liefert der Galopprennsport selber da auch keine sichtbaren und auffindbaren positiven Antworten. Es gibt sie nicht, die erklärenden Videos über die Zucht von Vollblutpferden nebst schönen Aufnahmen von grünen Weiden und Stuten mit Fohlen, das Training von Galopprennpferden oder der Idee, der Aufgabe der Vollblutzucht nebst Rennsport an sich. Beiträge, die man unter Youtube-Videos wie die von Seltix oder Rezo posten könnte mit der Message „Hey, so wie Du es darstellst, ist es nicht“. Die Negativ-Beiträge werden von offizieller Seite nicht kommentiert, selbst wenn sachliche Fehler enthalten sind. Es sei kein Geld da, weder für Videos noch für die Man-Power im Netz, um zu versuchen, regulativ einzugreifen, wenn es gegen den Galopprennsport geht, heißt es auf Nachfrage.
Dazu kommt: Medienarbeit wird immer komplexer. Mit einer Pressemitteilung ist es nicht getan. Die Jugend erreicht man über Tik-Tok (Rezo=1,4 Millionen Follower), Instagram (Rezo=1,3 Millionen Follower) oder Youtube (Rezo =1,2 Millionen Follower). Bei Facebook, wo sich die Galopp-Gesellschaft noch abmüht, um dem Image von „Old Daddies Network“ gerecht zu werden mit Kommentaren wie „Früher habe wir die blauhaarigen Großmäuler mit dem Kopf in die Mülltonne gesteckt“ oder „Eine Junge mit blauen Haaren, der vor 3 Jahren das letzte Mal an der frischen Luft war, erklärt die Welt“ oder „Die haben doch alle eine Aufmerksamkeitsspanne des Flügelschlages eine Kolibris“, sendet man vermehrt ins Leere.
Diese Bonmots der deutschen Galoppsportkultur werden den Rezos dieser Welt leider - oder auch erfreulicherweise - durch die Lappen gehen, denn die sind nicht mehr aktiv bei Facebook und Gottseidank auch nicht in geschlossenen Galopper-Gruppen mit ein paar tausend Mitgliedern. Die Rezos und Seltixs haben nämlich verstanden, wie die digitale Welt funktioniert. Der Galopprennsport ist da weit hintendrin. Kommt nur mit Weile ins Ziel. Solange es noch ein Ziel gibt.

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