TurfTimes:
Ausgabe 256 vom Donnerstag, 14.03.2013
Sie war eine Werbeträgerin für die deutsche Zucht in einer Zeit, in der diese weltweit noch stiefmütterlich behandelt und als international zweitklassig angesehen wurde: Kazzia, die Stute aus der Zucht von Roswitha Grünewald, das erste deutsch gezogene Pferd, das einen britischen Klassiker gewinnen konnte, Siegerin in den 1000 Guineas (Gr. I) und den Epsom Oaks (Gr. I), erfolgreich auch im Flower Bowl Invitational (Gr. I) in Belmont Park, zudem eine hervorragende Zuchtstute, Mutter eines Gr. I-Siegers. Am Montag ist sie im Alter von nur 14 Jahren bei der Geburt eines Stutfohlens von Dubawi im Dalham Hall Stud nahe Newmarket eingegangen, der jüngste Nachwuchs konnte gerettet werden. "Sie war eine Stute, von der man nur träumen kann", kommentierte Liam O'Rourke von Darley, "ein tolles Rennpferd und eine exzellente Mutterstute, zudem mit einem hervorragenden Temperament ausgestattet."
Groß geworden ist die Stute im Gestüt Rietberg, dort sah sie auch Trainer Andreas Wöhler zum ersten Mal. "Martina Grünewald hatte sie mir angeboten und ich habe sie dann auf eigene Rechnung gekauft", erinnert er sich. Im September 2001 debutierte sie in den Farben des Rennstalles Wöhler in Hoppegarten unter Eduardo Pedroza erfolgreich gegen Tempi Passati und Königin Shuffle. Sie startete dann im mit elf Pferden besetzten Premio Domello (Gr. III) über 1600m in Mailand, dort gewann sie unter Fernando Jovine gegen die aus England angereiste Kootenay. Scheich Mohammed sah an jenem Tag seinen Slickly den Premio Vittorio di Capua (Gr. I) gewinnen und dem Vernehmen nach soll er selbst auf Kazzia aufmerksam geworden sein. "Es gab aber auch ein Angebot aus Amerika", weiß Wöhler noch, "das Rennen hat aber dann Godolphin gemacht, Börje Olsson war damals mit in die Sache involviert. Damals wurden für solche Pferde aber lange noch nicht so hohe Preise gezahlt wie heute. Und eine Route, die sie dann gegangen ist, hätten wir auch bestimmt nicht eingeschlagen."
Kazzia im Galopp bei der Morgenarbeit 2002 für Godolphin in Dubai. www.galoppfoto.de - Frank Sorge
Fünf Starts absolvierte Kazzia dreijährig, drei davon gestaltete sie erfolgreich. Sie hatte den Winter in Dubai verbracht und absolvierte dort einen der damals üblichen öffentlichen Trials, wurde nur Zweite. Sie debutierte dann offiziell gleich in den 1000 Guineas (Gr. I) in Newmarket, die sie unter Frankie Dettori zur Quote von 16:1 gegen 16 Gegnerinnen gewann. Auch in den Oaks (Gr. I) in Epsom war sie auf sehr weicher Bahn, diesmal schon als Favoritin unterwegs, nicht zu schlagen, gewann gegen die Coolmore-Stute Quarter Moon (Sadler's Wells), die Drittplatzierte Shadow Dancing (Unfuwain) war schon 14 Längen zurück. In den Yorkshire Oaks (Gr. I) belegte sie dann nur Rang vier, hier gewann Islington (Sadler's Wells) gegen die von Andreas Suborics gesteuerte Ullmann-Stute Guadalupe (Monsun). Kazzia ging dann für zwei Starts in die USA, wo sie zunächst unter Jorge Chavez das Flower Bowl Invitational (Gr. I) über 1800m gegen die Französin Turtle Bow (Turtle Island) gewann, dann zum Abschluss ihrer Karriere im Breeders' Cup Filly & Mile Turf (Gr. I) Rang sechs belegte. Allerdings muss festgehalten werden, dass sie sowohl vor dem Start in York wie auch vor dem Breeders' Cup wegen Hufproblemen im Training aussetzen musste und durchaus entschuldigt ist.
"Nichts in ihrem Pedigree deutete darauf hin, dass sie ein solch gutes Pferd werden würde und schon gar nicht, dass sie ein Gruppe I-Rennen auf der Meile gewinnen würde", steht in dem Kompendium "Racehorses of 2002" zu lesen. Ihr Vater Zinaad war ein großer Steher, Sieger in den Jockey Club Stakes (Gr.II) über 2400m und in mehreren Cup-Rennen platziert. Er wurde 1995 im Gestüt Graditz aufgestellt, wo die Qualität der ihm zugeführten Stuten zumindest in der Breite übersichtlich war. Populär war er auch nicht unbedingt, geschuldet teilweise auch dem Standort. 26 Fohlen hatte er 1998, das war seine höchste Zahl in den Jahren bis 2006. Er wurde Vater von acht Black Type-Pferden, sein Name taucht aber auch als Vater erfolgreicher Mutterstuten auf.
Das Pedigree von Kazzia ist im Folgenden genauer dokumentiert, wobei hinzuzufügen ist, dass das am Montag geborene Stutfohlen von Dubawi noch nicht registriert ist, der Begriff "no return" ist also zu streichen. Ihr Erstling Eastern Anthem, der auch in Deutschland mehrere gute Vorstellungen gegeben hat, steht seit diesem Jahr als National Hunt-Deckhengst zu einer Taxe von £2.000 auf der Whithyslade Farm. Die Mutter Khoruna, die nur wenig am Start war, aber immerhin ein Rating von 80kg hatte, konnte zwar nicht besser in der Zucht starten, doch in den letzten Jahren ist trotz der Anpaarung mit erstklassigen Hengsten nicht mehr viel gelungen. Auch Kimbajar, das zweite Fohlen der Khoruna und selbst eine sehr gute Rennstute, hat mit ihren Nachkommen nicht viel bewegen können. Immerhin ist auch Khoruna ein gutes Beispiel für die Bedeutung von Lagunas als Mutterstutenvererber. Spannender wird das Pedigree dann wieder später, es handelt sich um eine alte Zoppenbroicher Linie, die über die 1941 in Frankreich gezogene, vermutlich annektierte, Katinka (Biribi) über das damalige Heeresgestüt Altefeld nach Deutschland kam.