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NH: Die Saison nimmt allmählich Fahrt auf

Notebook, hier unter Rachael Blackmore im November 2019 in Punchestown. www.galoppfoto.de - JJ Clark

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 646 vom Freitag, 27.11.2020

Langsam kommt die Hindernis-Saison auch in England so richtig in Fahrt, am vergangenen Wochenende stand mit der Betfair Chase (3m 1 ½) in Haydock das erste Grade 1-Rennen an. 2005 gegründet, wurde erst im Jahr 2017 die Distanz um einige hundert Meter verlängert. Gerade rechtzeitig für den inzwischen fast schneeweißen Bristol de Mai (Trainer: Nigel Twiston-Davies, Jockey Daryl Jacob), der genau in diesem Jahr, damals sechsjährig, das Rennen erstmals gewann und am letzten Samstag nach Kauto Star und Cue Card zum dritten Dreifach-Sieger der Prüfung aufstiegt. In den grünen Rennfarben von Simon Munir und Isaac Souede, für die Jacob als Stalljockey agiert, gab der inzwischen neun Jahre alte, französisch gezogene Wallach seinen vier Gegnern eine Lektion in Sachen Springvermögen; zudem war der durch heftige Regenfälle sehr schwer gewordene Boden ganz genau nach seinem Geschmack. Die absolute Freude über diesen Sieg stand Jacob trotz Maske buchstäblich ins Gesicht geschrieben; es sind Siege wie diese, für die ein Jockey morgens aufsteht. Beim sechsten Start auf der Bahn gewann Bristol de Mai in Haydock sein fünftes Rennen, gilt als ausgemachter Bahnspezialist.

Auch im Rahmenprogramm gab es wie immer interessante Sieger, aus deutscher Sicht kein interessanterer als War Lord aus dem Stall von Colin Tizzard. Für den 2015 geborenen Wallach, ebenfalls ein Schimmel, zeichnet das Gestüt Etzean als Züchter. Vater Jukebox Jury war dort bis zu seinem Verkauf in die Hinderniszucht stationiert, aus der Mutterseite führt der aus der Sternkönig-Tochter Westalin (a.d. Wildbahn) jedoch Röttgener Blut. War Lord, zunächst freihändig nach Irland verkauft, hatte dreijährig als "Store" (junge, rohe Pferde für den Hindernissport) für immerhin 90.000€ den Besitzer – eben in den Stall von Tizzard – gewechselt. Bei acht Starts nun dreifacher Sieger, hingen in Gr.-Gesellschaft die Trauben in der letzten Saison noch etwas hoch; der Erfolg in einem gut dotierten Hürdenhandicap am vergangenen Samstag war, wenn auch mit deutlichen Gewichtsvorteilen (zudem fiel der Favorit am drittletzten Sprung,) ein Schritt in die richtige Richtung.

Tizzard, dessen Lostintranslation seinen Vorjahreserfolg in der Betfair Chase nicht wiederholen konnte (als Dritter war er sogar etwas enttäuschend) hat mit Stalljockey Robby Power eine „Perle“ am Stall, von der vor allem junge Pferde nur profitieren können. Im weiteren Graded-Rennen der Karte, der Gr.3 Stayers Handicap Hurdle, stellte der amerikanisch gezogene Blame-Sohn (aus der Juddmonte-Zucht)  Main Fact einen mehr als bemerkenswerten Rekord auf. Der Wallach gewann sein sage und schreibe neuntes Rennen in Folge; Trainer David Pipe brach damit den bisherigen Rekord seines Vaters Martin, Trainerlegende der 80er Jahre. Begonnen hatte die Siegesserie im Januar 20, beim zweiten Start für Pipe, der den Wallach - inklusive einer Verletzung - selbst für gerade einmal 6.000 Pfund aus dem Stall von Dianne Sayer erworben hatte.

Die königliche Rennbahn von Ascot bietet auch in den Wintermonaten hochklassigen Sport, zwei Grade 2- Rennen standen am vergangenen Wochenende an. Vor allem die Chanelle Pharma 1965 Chase (2m5f) war interessant, als Sieger beeindruckte der von Kim Bailey vorbereitete Imperial Aura. Der siebenjährige Kalanisi-Sohn konnte im März 20 bereits beim Cheltenham Festival gewinnen, nun ist er einer der Favoriten für die Ryanair-Chase im nächsten Jahr. Trainer Kim Bailey erlebt seit einigen Jahren eine bemerkenswerte Renaissance; mit dem ebenso bemerkenswerten Dual-Purpose-Performer Alderbrook hatte er einst einmal einen Starter im Großen Preis der Wirtschaft (er wurde Zweiter zu Freedom Cry, nachdem er im Frühjahr das gleichen Jahres die Champion Hurdle in Cheltenham gewonnen hatte).  

Eine weitere Gr.3 Prüfung sah den letzten Auftritt der großen Laurina, einer Stute, die einstmals einen Ruf wie ein Donnerhall hatte. Zwischenzeitlich von Willie Mullins zu Paul Nicholls in England gewechselt, konnte auch die frische Luft in Somerset nicht helfen, Laurinas Neigung zum Bluten zu beheben. Hinter Song for Someone (Trainer Tom Symonds) wurde sie in einem Drei-Pferde-Rennen enttäuschte Letzte; nun soll die mächtige Spanish Moon-Tochter aus der von Dr. Bolte trainierten Lamboghina (Alkalde) in die Zucht wechseln, sie ist zur Auktion angemeldet. 

Auch auf der grünen Insel bot das Wochenende Sport vom Feinsten, auch hier auf Grade 2 Ebene. Die beiden „großen“ Sieger kamen aus dem Stall von Henry De Bromhead, einem im Süd-Osten Irlands beheimaten Trainers. In dritter Generation hält De Bromhead die Familientradition aufrecht, er ist hinter den Supermächten Willie Mullins bzw. Gordon Elliot wohl der dritterfolgreichste Trainer im Irischen Hindernissport. Mit Rachael Blackmore hat er eine Top-Reiterin am Stall, sie hat in den vergangenen Jahren die Geschichtsbücher für weibliche Hindernisjockeys neu geschrieben. Erneut waren auch Deutsche Interessen vertreten: die im nahen Dublin gelegenen Naas gelaufene Poplar Square Chase (2m) wurde erstaunlich leichte Beute von Notebook.

Der siebenjährige Samum-Sohn aus der Zucht des Gestüts Am Schloßgarten ist bereits zweifacher Gr.1. Sieger, trotzdem war er am Wettmarkt in diesem Vier-Pferde-Rennen nur dritte Wahl. Flache Linkskurse scheinen dem Wallach besonders zu behagen;  nachdem der Favorit Cash Back bereits am ersten Sprung gefallen war, wurde das Rennen natürlich ein Stückchen leichter. Notebook, im Besitz von Gigginstown House Stud, beeindruckte erneut durch sein sauberes Springen. Leider hat er bisher einen sehr schlechten Bahnschnitt in Cheltenham, in den Championship-Rennen war die Luft bisher zu dünn für ihn.

Am Sonntag konnte dann Minella Indo das erfolgreiche Wochenende für De Bromhead komplettieren. Im nördlich von Dublin gelegenen Navan konnte der siebenjährige Beat Hollow Sohn beim zehnten Start seinen insgesamt fünften Sieg einfahren, vier davon in Graded-Gesellschaft. Im März 2019 hatte der Wallach zur sensationellen Quote von 50:1 das Albert Bartlett-Hurdle (Gr.1, 3m) beim Festival gewonnen. Das Rennen ist eines der wichtigsten Rennen für Nachwuchspferde auf Steherdistanzen;  nun wird der mächtige Wallach, der sich im März diesen Jahres in der RSA Chase (dem „Gold Cup für Nachwuchspferde“) nur dem guten Champ geschlagen geben musste, den Gold Cup 2021 ansteuern. Für dieses Rennen notiert er nach zwei leichten Siegen in der aktuellen Saison momentan als dritter Favorit.

David Conolly-Smith

 

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