TurfTimes:
Ausgabe 147 vom Donnerstag, 13.01.2011
Der offizielle Zuchtnachweis des Direktoriums weist für das Jahr 2010 bei Kamsin vier Bedeckungen auf. Das war aber „mehr ein Probelauf“, wie es Bruno Faust vom Gestüt Karlshof ausdrückt, „es waren eigentlich nur eigene Stuten.“ Deshalb, und weil der Hengst vor Jahresfrist zumindest in seiner Eigenschaft als Stallion noch gar nicht promotet wurde, wird er an dieser Stelle in der Rubrik der „Neuen Hengste“ vorgestellt.
Kamsin steht in Karlshof zu einer Decktaxe von 5.000 € an der Seite seines Vaters Samum. Ob dies ein Vor- oder ein Nachteil ist, wird sich zeigen, das Interesse an ihm ist durchaus da, „es gibt namhafte Gestüte, die Stuten zu ihm schicken werden und wir werden ihn dieses Jahr voll unterstützen, mit acht bis zehn eigenen Stuten. Er ist der einzige Deckhengst in Deutschland, der aus einer Gruppesiegerin stammt und der ein Rating von über 100 kg hatte, das hat es schon ewig nicht mehr gegeben.“
Kamsin stand als Jährling im Katalog der BBAG-Auktion, doch in den Ring ist er nicht gekommen: Franz-Günther von Gaertner erwarb ihn mit seinen Partnern vom Stall Blankenese freihändig, Michael Behrendt, der 2009 die Derbyrede halten sollte, war einer dieser Partner. Zweijährig kam er nur einmal an den Start, scheiterte in Hannover als Favorit knapp an dem guten Schlenderhaner Idolino. Kamsins Jahr war 2008, als er siebenmal an den Start kommen sollte, fünfmal gewann. Nach einem souveränen Debutsieg in Krefeld setzte er sich zur bescheidenen Siegquote von 13:10 im Metzler-Preis (Gr. III) in Frankfurt durch. Es folgte der unerklärliche Flop im German Tote Bavarian Classic (Gr. III), als er während des Rennens Darmprobleme bekam und nur Vierter wurde.
Dieses merkwürdige Laufen hatte die Wetter ihm im Deutschen Derby so recht nicht verziehen. Er trug zwar die Farben des lokalen Stalles Blankenese, wurde von dem gerade in Hamburg so populären Andrasch Starke geritten, doch standen am Toto gleich drei Pferde kürzer, der Union-Sieger Liang Kay, der von Frankie Dettori gerittene Münchener Sieger Walzertraum und Aidan O’Briens King of Rome. Doch konnten sie Kamsin in keinster Weise das Wasser reichen, er gewann mit drei Längen Vorsprung auf Ostland und Top Lock. Es hat sicher stärker besetzte Derbys gegeben, aber Kamsin war ein mehr als souveräner Sieger und acht Jahre nach dem Triumph seines Vaters an gleicher Stelle ein würdiger Nachfolger.
Er lief dann im Kölner Rheinland-Pokal (Gr. I), wo er gegen den wie entfesselt auftretenden Oriental Tiger keine Chance hatte. Da dieser wegen des Nachweises eines unerlaubten Mittels disqualifiziert werden musste, bekam er den Sieg am Grünen Tisch. Die Leistung war trotzdem tadellos, denn Kamsin blieb vor dem 13:10-Favoriten Papal Bull, der zuvor Zweiter in den King George VI and Queen Elizabeth Stakes (Gr. I) gewesen war. Seine beste Vorstellung bot Kamsin aber wohl anschließend, als er in Anwesenheit des einige Wochen später verstorbenen Franz-Günther von Gaertner den Großen Preis von Baden gegen Adlerflug und It’s Gino gewann, zwei reelle Gr. I-Pferde. Das brachte ihm zum Jahresende ein GAG von 100,5 kg ein. Kamsin lief dann noch einmal, in einem stark besetzten Prix de l’Arc de Triomphe (Gr. I), den Zarkava gewann, doch konnte er sich dort nicht hervortun. Es ist interessant, dass er bei allen seinen Gruppe I-Siegen nicht einmal als Favorit startete, selbst in Baden-Baden hatte man ihm Adlerflug vorgezogen.
Der vier Jahre alte Kamsin war sicher nicht mehr das Pferd des Jahres zuvor. Er gewann zwar beim Saisondebut den Gerling-Preis (Gr. II) auf seiner Heimatbahn, doch hatte er gegen Dwilano und Shawnee Saga mehr Mühe als erwartet. Er war dann unglücklich geschlagener Fünfter im Iffezheimer Gr. II-Rennen, belegte im Großen Hansa-Preis (Gr. II) wie auch im Deutschland-Preis (Gr. I) Rang vier, nach dem fünften Platz im Großen Preis von Baden (Gr. I) war jedoch Schluss. Es fehlte die Frische, die Brillanz der Dreijährigen-Saison.
Es gibt erstaunliche Parallelen zur Rennlaufbahn seines Vaters. Auch Samum hatte dreijährig seine beste Saison mit Siegen im Derby und Großer Preis von Baden sowie einem Flop im „Arc“. Und auch Samum konnte später an seine Bestleistungen nicht mehr so recht anknüpfen und verabschiedete sich mit Rang fünf im Iffezheimer Grand Prix aus dem Renngeschehen. Mit einer relativ übersichtlichen Zahl von Nachkommen ist er immerhin schon einmal Championvererber geworden. Die Anzahl seiner Fohlen ist weiter überschaubar geblieben (zwischen 2007 und 2009 waren es nur 29/27/28 pro Jahr), erst in den letzten beiden Jahren wurde er deutlich besser gebucht. Auch Kamsin wird sich zunächst einmal „selbst“ machen müssen.
Seine Mutter Kapitol lief nur dreijährig, bei sechs Starts war sie dreimal erfolgreich, im Preis des Landes NRW (Gr. III) über 2400 Meter in Düsseldorf und im Frankfurter Mehl-Mülhens-Stutenpreis (LR). Neun Fohlen hat sie bisher gebracht, hat nie ausgesetzt, aber schon etwas gestreut, auch wenn Kontinent (Benny the Dip), Kronos (Spectrum) und Kohinoor (Samum) gewonnen haben. Bei dem jetzt vier Jahre alten Kings messenger (Samum), beim einzigen Start erfolgreich, sind die Akten sicher noch nicht geschlossen, er steht wie die ein jüngere Schwester Kapitale (Dubawi) bei Andreas Wöhler. Das Pedigree wird dahinter zunächst nicht unbedingt von Black Type geprägt, doch es gewinnt in der Tiefe. Kamsin geht auf die 1941 aus Frankreich eingeführte Katinka zurück, die über ihre Tochter Kaiserwürde (Bubbles) eine wichtige Stamm-Stute der deutschen Zucht wurde. Kaiseradler (Nebelwerfer), Kaiserstuhl (Tourment), Kronzeuge (Neckar), Königsstuhl (Dschingis Khan), Karloff (Esclavo), Komtur (Magesterial), das sind in der historischen Reihenfolge einige der herausragenden Hengste dieser Linie. Kamsin ist auf Surumu und Sadler’s Wells ingezogen, sicher nicht die schlechtesten Voraussetzungen für eine Zuchtkarriere.