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Post aus Prag: Pferd des Jahes Caccini

Caccini und sein Anhang in Hoppegarten. www.galoppfoto.de - Sabine Brose

Autor: 

Martin Cáp

TurfTimes: 

Ausgabe 446 vom Donnerstag, 01.12.2016

Als der polnische Superstar Va Bank (Archipenko) im Sommer leicht den späteren Gr.1-Sieger Potemkin in Iffezheim geschlagen hatte, schien es ganz klar zu sein, wer das "Pferd des Jahres" in Polen sein wird. Drei Monate später ist aber alles anders gekommen. Auf der Zeremonie nach dem letzten Renntag der Saison in Warschau wurde der zuhause ungeschlagene Derbysieger und Fünfte aus dem Großen Preis von Berlin Caccini (American Post) geehrt. Eine Entscheidung, die keineswegs leicht war und gleichzeitig zeigt, wie unbeständig die Gunst des Publikums im Rennsport sein kann.

In einer Zeit, in der man generell nur über Sieger jubelt und ein zweiter Platz oft als Enttäuschung dargestellt wird, tut man sich oft schwer, wenn mehrere Superstars gleichzeitig auf der Szene erscheinen. Caccini und Va Bank haben in dieser Saison alles richtig gemacht. Beide haben Leistungen und Starqualitäten gezeigt, wie man sie so in Osteuropa vielleicht einmal in einer Dekade sieht. Wenn man zwei solche Pferde auf einmal hat, kann man als jubelnder Fan schon ein bisschen überfordert sein, was sich dieses Jahr in Polen auch gezeigt hatte. Der dreijährige Caccini legte im Frühling und Sommer eine lupenreine Siegesserie hin, die mit dem leichten Sieg im Polnischen Derby gipfelte. Die Euphorie der Szene war so groß, dass manche den letztjährigen Tripple Crown-Sieger und bis dahin ungeschlagenen Va Bank fast vergessen haben. Caccini sollte im Großen Preis von Berlin die Nennung für den „Arc“ bestätigen, nach dem fünften Platz hinter Protectionist und Co. wurde es aber wieder ruhiger um ihn. Jetzt rückte wiederrum Va Bank ins Rampenlicht, der mit seinem Gruppesieg in Baden Baden für Furore sorgte.

Vor dem Aufeinandertreffen der beiden Stars in der Wielka Warszawska war der Trainer von Caccini, Adam Wyrzyk etwas verblüfft, wie es dazu kommen konnte, dass die Öffentlichkeit nach der phantastischen Derbykampagne sein Pferd so vollkommen „vergessen“ hatte. Und erlebte dann seine Satisfaktion, als Caccini nach einem brillanten Ritt von Tomás Lukásek den während des Rennens etwas unglücklich agierenden Va Bank niederringen konnte. Die Geschichte schreiben immer die Sieger – und besonders gilt diese Regel halt im Turf. Man kann schon jetzt gespannt sein, wie die Rivalität zwischen den zwei Hengsten 2017 weiter gehen wird. Nachdem sich Team Valor einen Anteil an Va Bank gesichert hatte, ist allerdings fraglich, ob die Karriere des Hengstes in Polen oder in einem anderen Land fortgesetzt wird.

Spannend bis zum letzten Tag war das polnische Jockey-Championat, obwohl der führende Mann der Statistik Sczepan Mazur bereits am 2. Oktober seine Koffer für den Winteraufenthalt in Abu Dhabi gepackt hatte. Der 24-jährige Michal Abík hatte 14 Zähler Rückstand, konnte aber im Laufe der weiteren Wochen mächtig aufholen. Am Sonntag schaffte er mit einem Sieg das Unentschieden 53:53, der Titel ging aber an Mazur dank höherer Anzahl von zweiten Plätzen. Abík, Sohn des slowakischen Champions von 1994 Miroslav Abík, blickt trotzdem auf eine bemerkenswerte Saison zurück. In seinem ersten Warschauer Jahr konnte er zwei klassische Rennen gewinnen und ergänzte schnell die schmale Spitze der in Polen reitenden Jockeys.

Abík gilt zusammen mit Bauyrzhan Murzabayev zu den größten Jockey-Talenten der letzten Jahren im osteuropäischen Raum und der Autor dieser Kolumne kann sich durchaus vorstellen, dass beide im Horizont der nächsten Jahre eine Bereicherung der deutschen Szene sein könnten. Zu den Vorteilen von Abík und Murzabayev gehören mentale Stärke und große Motivation weiter zu arbeiten und einen weiteren Schritt in der Karriere zu machen. Murzabayev reitet in den letzten zwei Jahren regelmäßig in Deutschland und ist somit kein unbekannter Name.

Beim derzeitigen starken Mangel an perspektiven jungen Reitern ist es allerdings schon etwas verwunderlich, dass noch kein „Talent-Scout“ auf Abík aufmerksam wurde. Wer auf der Suche nach neuen Talenten ist und bisher nicht erfolgreich war, sollte schon an den Werdegang von Filip Minarik, Jozef Bojko, Jirí Palík oder Rastislav Jurácek erinnert werden. Minarik, ähnlich wie Abík Sohn eines Jockey-Champions in seiner Heimat, kam 1996 als 21-jähriger Newcomer zu Martin Rölke nach Hoppegarten, ohne zuhause größere Erfolge zu erzielen oder eine größere Anzahl an Ritten zu bekommen. Erfolgshunger und Motivation weiter zu kommen waren von Anfang an seine Markenzeichen. Zur Zeit sieht es so aus, dass in den Nachbarländern einige potentielle Nachfolger von Minarik zu sehen sind.

Martin Cáp, Prag

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