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David Conolly-Smith gestorben

1991 in Hoppegarten: David Conolly-Smith und Lester Piggott. www.galoppfoto.de

Autor: 

Daniel Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 776 vom Freitag, 14.07.2023

Als wir vor einigen Jahrzehnten, exakter Ende der Siebziger Jahre, unseren Lebensmittelpunkt aus diversen Gründen zwecks Studium von Ostwestfalen nach München verlagerten, betraten wir totales Neuland. Das sollte sich für einen Rennsportenthusiasten schnell ändern. Es waren wilde Zeiten. In Riem wurden etwa im Jahre 1977, kaum noch zu glauben, über dreissig Renntage abgehalten, im Großen Hertie-Preis, dem Vorläufer des Bavarian Classic, liefen 17 Pferde. In der Ainmillerstraße in Schwabing eröffnete Simon Springer seine erste Wettannahmestelle. Es gab eine junge, wettaffine und feierfreudige Szene, Freundschaften entstanden, die bis heute bestehen. 

Mittendrin ein Engländer aus Nottingham, David Conolly-Smith, Eigner eines in der Schellingstraße gelegenen Buchladens namens Angla-English Bookshop. Praktischerweise direkt um die Ecke unserer damaligen Wohnung, im Gebäude der Germanistischen Fakultät, die dann aber doch wesentlich seltener aufgesucht wurde als das im Vorderhaus angesiedelte Buchgeschäft. Individuelle Kundenberatung wurde dort allerdings eher klein geschrieben. Der Chef des Hauses, inzwischen Korrespondent für diverse britische und irische Fachzeitungen, Deutschland-Repräsentant des International Racing Bureau, Anlaufstelle für alle Aktiven von der Insel, hatte eigentlich durchgehend den Telefonhörer in der Hand. Trainer, Jockeys, Besitzer waren am anderen Ende der Leitung, natürlich Buchmacher. Da waren bibliophil interessierte Leser, die nach bestimmten Büchern suchten, eher störend. Wer ein seltenes Werk suchte, der musste sich in der liebenswürdig chaotischen Atmosphäre des Ladens selbst zurechtfinden. Schließlich galt es für David Conolly-Smith, wichtige Festkurse am Telefon abzufragen. Den Namen “Crackpot Conolly”, den ihm seine britischen Kollegen verpassten, fand er dann aber doch nicht so komisch. 

In Riem fehlte er an keinem Renntag, oft genug bog unser Wagen in die Kaulbachstraße auch ein, um ihn auch zu den Trabern nach Daglfing oder Pfaffenhofen abzuholen. Über eine gültige Fahrlizenz hat er wohl nie verfügt. Nach Baden-Baden sind wir stets gemeinsam gefahren, über vierzig Jahre in denselben Hotels, sind abends natürlich stets in schicke Restaurants gegangen, in Hamburg, im Westen. Skurrile, witzige, ja teilweise wahnsinnige Erlebnisse. Große Gewinne, erhebliche Verluste. Gejammert wurde nie, gefeiert um so mehr. So ganz einfach wird es seine Familie mit ihm nicht gehabt haben. 

Nach dem Wegzug aus München waren tägliche Telefonate Pflicht, pünktlich kurz nach neun rief David an, man musste schließlich auf dem Laufenden bleiben. Er war aber nicht nur rennsportfixiert, schließlich hatte er studiert, war belesen, ein Philanthrop, ging häufig ins Kino, diskutierte über politische Themen. 

Als wir vor einigen Jahren “The English page” in Turf Times einführten, gab es bezüglich des Autors keine Frage. Unsere englischen Leser konnten nicht besser über das hiesige Geschehen informiert werden und es soll so manchen gegeben haben, der in diesem Newsletter nur seine Kolumne gelesen hat. 

Im vergangenen halben Jahr war er bewegungstechnisch deutlich eingeschränkter. Den 1. Mai in Riem hatte er noch eingeplant, aber es ging nicht mehr. Ein letzter Besuch im Krankenhaus vor einigen Wochen, Anfang Juni, kurz nach seinem Geburtstag. Über die Glückwünsche von Frankie Dettori oder Sir Mark Prescott hatte er sich sehr gefreut, langjährige Weggefährten. Doch schon da war er sehr müde, schwach. Ein letztes Telefonat am Tag vor dem Derby, wir diskutierten über das Rennen, gesehen hat er den Sieg von Fantastic Moon dann noch, aber so ganz auch nicht mehr registriert. 

Am Ende seines Lebens ist er, geschuldet dem Brexit, sogar noch deutscher Staatsbürger geworden. Dem Respekt, dem ihm in seiner Heimat entgegengebracht wurde, hat es nicht geschadet, davon zeugen die berührenden, empathischen Worte, die ihm die englischen Kollegen in ihren Nachrufen widmeten. Sie hätten ihm sicher sehr gefallen. 

In den frühen Morgenstunden des Sonntags ist unser großer Freund David Conolly-Smith in einem Münchner Krankenhaus im Alter von 83 Jahren gestorben. Wir werden ihn sehr vermissen.

+++

Die Trauerfeier und Urnenbeisetzung findet am Mittwoch, 2. August, 12.45 Uhr auf dem Ostfriedhof in München, St. Martins-Platz 1, statt. 

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