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Von Espresso bis Warrsan - Eine Galerie der Doppelsieger im Großen Preis von Baden

Espresso, Sieger im Großen Preis 1963 und 1965, mit Jockey William  Williamson und Trainer Harry Wragg. Foto Archiv

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Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 180 vom Freitag, 02.09.2011

Was das Deutsche Derby für die Hamburger Derby-Woche auf der Horner Rennbahn ist, das ist der Große Preis von Baden für die Große Woche auf der Iffezheimer Rennbahn. Die seit 1857 gelaufene Gruppe I-Prüfung ist der unumstrittene Höhepunkt des Renngeschehens auf Deutschlands Vorzeigerennbahn vor den Toren Baden-Badens. An diesem Sonntag steht die 139. Auflage dieser Traditionsprüfung an, bei der sich die Titelverteidigerin Night Magic mit einem neuerlichen Triumph in den Annalen des Rennens als eine der wenigen Doppelsieger verewigen kann. Genau genommen wäre Night Magic bei einer erfolgreichen Titelverteidigung sogar die erste Stute, der exakt zwei Siege im Großen Preis von Baden gelängen. Dies ist für uns Anlass einen kurzen Rückblick auf die illustre Liste der Doppelsieger dieser Gruppe I-Prüfung zu werfen.

Die Wunderstute Kincsem in 54 Rennen unbesiegt, davon dreimal im Großen Preis von Baden. Foto ArchivDie Wunderstute Kincsem in 54 Rennen unbesiegt, davon dreimal im Großen Preis von Baden. Foto ArchivDabei beschränken wir uns auf diejenigen Vollblüter, die „nur“ Doppelsieger sind und widmen uns den beiden Dreifachsiegern der Vergangenheit, der ungarischen Wunderstute Kincsem und dem Schlenderhaner Oleander, deren Andenken auf dem Rennplatz Iffezheim durch die nach ihnen benannten Türme der Iffezheimer Tribüne gewahrt wird, bewusst nicht.

Erstaunlicherweise vergingen mehr als 100 Jahre bis sich der erste Doppelsieger in die Iffezheimer Annalen eintragen konnte. In den Jahren 1963 und 1964 gewann der bei seinem ersten Erfolg 5jährige britische Hengst Espresso diese Prüfung. Damit trug sich ein Brite gleich doppelt in die Siegerliste ein, der in seiner Heimat nicht zur ersten Garnitur rechnete. Der von Harry Wragg, dem Vater des noch bis 2008 in Newmarket als Trainer aktiven Geoff Wragg, betreute Espresso gehörte auf der Insel zwar zur besseren Stehergarnitur, verdiente sich seinen Hafer dort allerdings in gut dotierten Handicaps. Auf Gruppe-Parkett gelang ihm in der Heimat kein Sieg, eine einzige Platzierung auf Gruppe III-Ebene ist zu finden.

Auch Gestüt Schlenderhans Oleander gewann den Großen Preis. Foto ArchivAuch Gestüt Schlenderhans Oleander gewann den Großen Preis. Foto ArchivFür Espressos Besitzer, den in Genf ansässigen Gerry Anthony Oldham war der Hengst dennoch eine äußerst lohnende Investition, hatte er ihn doch für bescheidene 1000 Guineas erworben. Zehn Siege bei 30 Starts erreichte der Acropolis-Sohn in seiner Karriere, durch die er allein knapp 220.000 Euro verdiente, wobei die beiden Iffezheimer Erfolge allein knapp die Hälfte dieser Summe beisteuerten. Weitere sieben Platzierungen, deren finanzielle Ausbeute nicht genau zu beziffern war, steigerten diese Summe sicherlich in die Region der Viertelmillion.

Espresso, Sieger im Großen Preis 1963 und 1965, mit Jockey William  Williamson und Trainer Harry Wragg. Foto ArchivEspresso, Sieger im Großen Preis 1963 und 1965, mit Jockey William Williamson und Trainer Harry Wragg. Foto ArchivBei beiden Erfolgen in Iffezheim hatte Espresso einen australischen Jockey im Sattel. William James („Bill“) Williamson hatte in den 50er Jahren in Australien große Erfolge feiern können, so war er sechsmal Champion in seiner Heimat und gewann dabei auch den Melbourne Cup. Im Alter von 37 Jahren siedelte Williamson 1960 nach Europa über und setzte auch hier seine erfolgreiche Karriere nahtlos fort. Bis er die Reitstiefel im Jahr 1973 an den Nagel hing, gelangen ihm 13 klassische Erfolge in Irland, England und Frankreich, zudem gewann er zweimal den Arc. Ob es seiner Jockeyship bedurfte, um Espresso den doppelten Titelgewinn zu ermöglichen, ist unklar. In beiden Fällen war der Sieg laut Richterspruch zumindest nicht umkämpft, sondern fiel „sicher“ (in 1963) bzw. „leicht“ (in 1964) aus.

Nach den Sternstunden seiner Karriere in Baden-Baden begann für Espresso der Einsatz als Deckhengst in 1965 zunächst in seiner Heimat, doch 1970 wurde er nach Deutschland exportiert und im Gestüt Ebbesloh aufgestellt. Vielleicht wäre es zu diesem Standortwechsel gar nicht gekommen, hätte man zu diesem Zeitpunkt bereits seinen besten Nachkommen auf der Bahn gekannt, der aus seinem letzten irischen Jahr stammt. In 1971 wurde nämlich Sagaro geboren, der dreimal in Folge den Ascot Gold Cup gewann und sich auch als Sieger des Grand Prix de Paris und des Prix du Cadran auszeichnete. Noch heute ist eine Gruppe III-Prüfung über 2 Meilen in Ascot nach dem famosen Extremsteher benannt.

Damals wie heute war der Große Preis der Publikumsmagnet. Foto ArchivDamals wie heute war der Große Preis der Publikumsmagnet. Foto ArchivDie Zuchtkarriere Espressos in Deutschland, die er mit einer für damalige deutsche Verhältnisse stattlichen Decktaxe von 4000 DM begann, zeigte nicht direkt die gewünschten Erfolge. Dennoch ist der Fuchshengst immer noch in vielen Stammbäumen von Champions anzutreffen, da er über einige seiner Töchter nachhaltigen Einfluss zeigte. Seine Tochter Mole brachte z.B. den Derby-Sieger Mondrian, der später noch als vierter Iffezheimer Doppelsieger auftauchen wird. Auch im Stammbaum des 2007er Derby-Siegers Adlerflug findet sich Espresso als Vater der Urgroßmutter Anatevka. Über Anatevkas Tochter Allegretta hat Espresso auch Eingang gefunden in die Pedigrees etlicher internationaler Cracks wie z.B. King’s Best, Galileo und Sea the Stars. Doch all diese Erfolge hat Espresso selbst nicht mehr miterlebt. Er verstarb in Deutschland im Jahr 1984.

Zehn Jahre vergingen nach Espressos Doppelerfolg bis wieder ein Vollblüter zweimal hintereinander als Erster den Zielstrich des Baden-Badener Saisonhöhepunkts passieren konnte. Als erster deutscher Steher gelang dies 1974 und 1975 dem bei seinem ersten Erfolg 3jährigen Marduk. Der von Hein Bollow trainierte Derby-Sieger nimmt in unserer Rückschau auf insgesamt sieben Doppelsieger allerdings eine Sonderrolle ein, schaffte er seinen ersten Sieg doch genau in dem Jahr, in dem der Große Preis von Baden in zwei Abteilungen gelaufen wurde, so dass es zwei Sieger in diesem Jahr gab. Ob Marduk sich auch in der anderen Abteilung, die vom 4jährigen französischen Hengst Meautry souverän gewonnen wurde, durchgesetzt hätte, wird immer Spekulation bleiben. Zweifler führen stets an, dass der deutsche Orsini-Sohn trotz eines umkämpften Sieges etwas langsamer als der leicht zum Triumph marschierende Franzose war.

Dass Marduk, der bei beiden Erfolgen von „Eisenarm“ Peter Remmert geritten wurde, ein hochklassiges Rennpferd war, das neben dem Derby-Sieg auch Erfolge im St. Leger und Spreti-Rennen vorweisen kann, steht außer Frage, auch wenn ihm Erfolge auf internationalem Parkett außerhalb der Heimat versagt blieben. Als einziger in Deutschland trainierter Doppelsieger unserer Rückschau schaffte Marduk es auch nur einmal – im Jahr 1974 – bei der Publikumswahl zum „Galopper des Jahres“ gekürt zu werden, alle anderen Cracks erlangten diesen Titel mehrfach.

Bis zum dritten Doppelsieger der Geschichte vergingen wiederum gut zehn Jahre. Im Jahr 1986 und 1987 drückte Gestüt Fährhofs Acatenango dem Rennen seinen Stempel auf. Der ohne Zweifel zu den allerbesten Nachkriegsgaloppern Deutschlands zu rechnende Surumu-Sohn hatte es in beiden Jahren vor allem mit britischer Konkurrenz zu tun, national konnte ihm niemand das Wasser reichen. Als Vierjähriger fertigte der von Heinz Jentzsch trainierte und von Georg Bocskai gerittene Fuchshengst seine britische Konkurrenz noch überlegen ab.

Im folgenden Jahr fiel einem seinen Zenit schon hinter sich fühlenden Acatenango der Sieg weit schwerer. Der 16fache Sieger, der neben dem Derby-Triumph weitere sechs Erfolge auf Gruppe I-Level feiern konnte, schien durch den britischen St. Leger-Sieger Moon Madness bezwungen zu werden, doch noch einmal rappelte sich das Aushängeschild der deutschen Vollblutzucht dieser Zeit auf, fightete zurück und brachte bei seinem letzten Triumph auf der Rennbahn eine halbe Länge Vorsprung über die Linie. Getragen wurde das siegreiche Gespann Acatenango/Bocskai dabei in der Schlussphase nicht nur vom frenetischen Anfeuerungsjubel des Iffezheimer Publikums, sondern auch vom Rennkommentator Manfred Chapman, der in der Endphase jeglichen Versuch einer neutralen Kommentierung des Renngeschehens aufgab und mit seiner über die Lautsprecher geschrienen Anfeuerung „Acatenango kämpfe“ versuchte, in das Geschehen einzugreifen.

Für Acatenango, der nicht nur auf der Rennbahn, sondern auch als Deckhengst zu überzeugen wusste, dürfte dieser Sieg in 1987 auch der entscheidende Erfolg für die Verteidigung seines Publikumstitels als „Galopper des Jahres“, den er insgesamt dreimal zwischen 1985 und 1987 gewann, gewesen sein.

Schon zwei Jahre nach dem zweiten Acatenango-Sieg war es dann wieder so weit: Im Jahr seines Derby-Sieges schaffte der von Uwe Stoltefuß vorbereitete Mondrian den ersten Volltreffer in Baden-Baden, dem 1990 ein zweiter folgen sollte. War es beim ersten Mal noch Kevin Woodburn, der ihn wie beim umstrittenen Derby-Disqualifikationserfolg steuerte, so trug er im folgenden Jahr Manfred Hofer zum Sieg. Der Enkel des ersten Iffezheimer Doppelsiegers Espresso versuchte in 1991 sogar den Hattrick, doch bei seinem letzten Auftritt in Iffezheim war der einstige Champion nach dem Wechsel in das englische Quartier von Paul Cole nur noch ein Schatten seiner selbst und endete als Letzter des von Lomitas gewonnenen Grand Prix.

Über den siebenmal auf höchstem Gruppe-Parkett siegreichen Surumu-Sohn viele Worte zu verlieren, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Auch wenn seine Deckhengstkarriere nicht die hohen Erwartungen befriedigte, auf deutschen Rennbahnen war Mondrian in seiner Zeit eine Macht, die durch seine Härte und seinen Kampfgeist zu beeindrucken wusste.

Die 90er Jahre waren in Iffezheim geradezu geprägt von Doppelsiegern im Großen Preis von Baden. Bereits 1993 und 1994 kam es zum nächsten Siegdoppel, für das Gestüt Ittlingens Lando verantwortlich zeichnete. Nach Acatenango hatte Trainerlegende Heinz Jentzsch erneut einen Hengst, und zwar einen Sohn des berühmten Vorgängers, zum Doppelsieg geführt. Als Dreijähriger gelang dem Derby-Sieger Lando in Iffezheim ein Kampf-Sieg gegen Platini. Saß dabei noch Andrzej Tylicki im Sattel, so kam ein Jahr später bei der stallinternen Auseinandersetzung mit Monsun Peter Schiergen im Sattel von Lando zum leichten Erfolg gegen den von Andrzej Tylicki gerittenen Stallgefährten.

Wie Mondrian blieb dem ebenfalls siebenmal auf höchster Gruppe-Ebene erfolgreichen Lando der Hattrick bei seinem Versuch in 1995 versagt. In der von Germany gewonnenen 95er Auflage belegte der Ittlinger nur den 7. Platz. Doch wurde der 5jährige Lando in seinem letzten Jahr auf der Rennbahn durch drei Erfolge auf Gruppe I-Niveau, darunter der immer noch für die deutsche Vollblutzucht einmalige internationale Sieg im Japan Cup, entschädigt. Zudem gewann er in 1995 wie auch im Jahr zuvor die Wahl zum „Galopper des Jahres“.

Am Ende des letzten Jahrtausends war durch Georg Baron von Ullmanns Tiger Hill ein weiterer Doppelsieg fällig. Als Drei- und Vierjähriger kam der von Peter Schiergen trainierte Danehill-Sohn in den Jahren 1998 und 1999 in Iffezheim zum Zuge. Auch bei seinen beiden Siegen fanden sich unterschiedliche Jockeys zur Siegerehrung ein. War es beim ersten Mal Andreas Suborics, so konnte beim zweiten Mal Terence Hellier die Glückwünsche entgegen nehmen. Anders als Acatenango, Mondrian und Lando fehlt dem vom Gestüt Wittekindshof gezogenen Hengst zwar der Derby-Sieg, doch ansonsten beeindruckt sein Rennrekord mit dem klassischen Erfolg im Mehl-Mülhens-Rennen, fünf weiteren Gruppe-Siegen und dem zweimaligen Gewinn von Platzgeldprämien im Arc. Auch Tiger Hill genoss die Wertschätzung des Publikums und gewann in den beiden Jahren seines Badener Triumphs auch die Wahl zum „Galopper des Jahres“.

Der bislang einzige Doppelsieger dieses Jahrtausends stammt wie der erste der Geschichte aus dem Mutterland des Turfs. Der letzte hier vorzustellende Vollblüter vertrat allerdings ein anderes sportliches Kaliber als der erste. Der von Clive Brittain trainierte Warrsan gehörte zwar zur Kategorie „Spätentwickler“, kam er doch erst als Sechs- und Siebenjähriger in den Jahren 2004 und 2005 zu seinen Badener Erfolgen, allerdings stellten seine deutschen Siege bei weitem nicht die einzigen sportlichen Großtaten des Turf-Globetrotters dar. Zwei Erfolge im Coronation Cup auf höchstem Level beim englischen Derby-Meeting in Epsom und zwei weitere heimische Gruppe-Treffer zeigen, dass der Caerleon-Sohn auch in der Heimat zur Top-Kategorie zu rechnen war. Seine Siege in Iffezheim fallen in die Zeit, in welcher der Große Preis von Baden durch seine damals mehr als dreimal so hohe Dotierung wie heute auch international mehr Beachtung fand.

Eine Parallele zwischen dem ersten und dem letzten britischen Doppelsieger gibt es dennoch, wurden sie doch beide von australischen Jockeys zu ihren beiden Erfolgen geritten. In Warrsans Fall war dies der junge Kerrin McEvoy, der Mitte des letzten Jahrzehnts eine zeitlang als zweiter Stalljockey für Godolphin in England ritt, bevor er in seine australische Heimat zurückkehrte und sich dort seit 2008 als erster Stalljockey für die australische Godolphin-Filiale in den Sattel schwingt.

Der weitere Karriereweg des jüngsten aller Doppelsieger der Geschichte war nur kurz. Der im Besitz des aus Dubai stammenden Saeed Manana stehende Warrsan wurde im Frühjahr 2006 aufgrund einer bei den Trainingsvorbereitungen auf die neue Saison aufgetretenen Verletzung aus dem Rennstall genommen. Kurz danach stellte man bei ihm einen bösartigen Tumor fest, der zu Komplikationen führte, so dass man ihn am 19. Juni 2006, nicht einmal zehn Monate nach seinem zweiten Iffezheimer Sieg, einschläfern musste.

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