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Der Wettcoup mit den deutschen Pferden

Wieder im Mittelpunkt eines Wettcoups: Der "Buchmacherschreck" Barney Curley. www.galoppfoto.de - Frank Sorge

Autor: 

Daniel Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 300 vom Donnerstag, 23.01.2014

Es war einer jener Coups, wie sie eigentlich nur in England über die Bühne gehen können: Mit in der Regel mehreren Veranstaltungen an einem Tag, mit einer Unzahl von Buchmachergeschäften, mit einem Wettsystem, bei dem eben diese Buchmacher die Wetten selber halten und auch noch auf kleine Rennen Festkurse geben. Zudem mit einem vom Kontinent her schwer zu durchschauenden Handicapsystem, bei dem Pferde auch aus langer Pause heraus mit einer deutlich gesunkenen Marke antreten können.

All dies führte am Mittwoch in England zu einem Szenario, in das vier Pferde verwickelt waren, die sämtlich eine Beziehung zu dem offiziell als Trainer in den Ruhestand getretenen Barney Curley hatten. Der geniale Pferdemann, der Bücher über seine Wettcoups geschrieben hat, war schon in der Vergangenheit der Schrecken der Buchmacher. Vor vier Jahren gab es einen ähnlichen Schlag gegen die Wetteinnehmer, damals gewannen drei von vier gemeinten Pferde, vier Millionen Pfund betrug der Verlust der Wettindustrie, hätten alle vier Pferde gewonnen, wären es zwanzig gewesen. Curley dürfte, selbst wenn er jede Stellungnahme verweigerte, auch diesmal darin verwickelt gewesen sein.

Als am Mittwoch die Buchmachergeschäfte öffneten, war schnell klar, dass etwas "im Busch" war. Es wurden landesweit Einzel- und Schiebewetten auf vier Pferde auf den Bahnen in Lingfield, Catterick und Kempton getätigt, wobei das Profil der Pferde relativ gleich war: Sie waren teilweise ewig nicht gelaufen oder hatten keinerlei Form. Und da Barney Curley in der Vergangenheit gute Kontakte zum Gestüt Schlenderhan pflegte, von dort den einen oder anderen problematischen Vollblüter übernommen hatte, waren auch zwei "deutsche" Pferde beteiligt.

Jetzt in einen Wettcoup in England verwickelt: Eye of the Tiger (links) mit Terence Hellier bei seinem Überraschungssieg im 75. Gerling-Preis 2010 gegen seinen Stallgefähren Getaway. www.galoppfoto.de - Sandra ScherningJetzt in einen Wettcoup in England verwickelt: Eye of the Tiger (links) mit Terence Hellier bei seinem Überraschungssieg im 75. Gerling-Preis 2010 gegen seinen Stallgefähren Getaway. www.galoppfoto.de - Sandra Scherning

Es begann im zweiten Rennen mit dem ehemaligen Ullmann-Pferd Eye of the Tiger (Tiger Hill). 2010 hatte er, damals eigentlich als Führpferd, den Gerling-Preis (Gr. II) gegen seinen Stallgefährten Getaway (Monsun) gewonnen.  In Deutschland lief er dann nur noch einmal. Im April 2012 tauchte er erstmals auf einer englischen Rennbahn auf, er startete in jenem Jahr sechsmal für Besitzertrainer Curley und war stets meilenweit geschlagen. Seit September 2012 ward er nicht mehr gesehen, bis zum Mittwoch, als er für den Besitzer River Racing und Trainer Des Donivan in einem niederen 2600-m-Handicap in Lingfield unter Shane Kelly im Handgalopp gewann, zu einem Pari-Kurs, am Morgen war er noch einer der letzten Außenseiter im Feld gewesen.

Zehn Minuten später gewann Seven Summits (Danehill Dancer) in Catterick ein Hürden-Handicap, ein Pferd, das auch ein halbes Jahr nicht auf der Bahn war, im Stall von Sophie Leech steht, aber früher einmal von Curley trainiert wurde. Jockey Paul Moloney musste auf der 9:4-Chance, bislang sieglos über Hürden, schon etwas tun, aber am Ende sprang ein sicherer Sieg heraus.

Das dritte Pferd in der Reihe war am Abend im erste Rennen in Kempton Indus Valley (Indian Ridge), ein Siebenjähriger, der knapp zwei Jahre keine Rennbahn gesehen hatte, seinen letzten Sieg zweijährig erzielen konnte. Wieder war River Racing der Besitzer, Des Donovan der Trainer und Shane Kelly der Reiter, zumindest auf dem Papier gibt es keine Verbindung zu Curley. Allerdings trainiert Donovan in den ehemaligen Curley-Stallungen in Newmarket. Die Alarmglocken schrillten jedoch inzwischen so laut, dass der Wallach in dem unteren Handicap über 1200m für lächerliche 4:6 an den Start ging. Kelly musste sich aber mächtig bemühen, um den Sieg gegen einen schon enteilten Gegner unter Dach und Fach zu bringen. "Sie machen das schon spannend", kommentierten die Kollegen im britischen Fernsehstudio.

Zuletzt in Southwell mit 90 Längen Letzter und jetzt wundersamer Sieger in Kempton: Low Key mit Adrie de Vries bei seinem Sieg im BBAG-Auktionsrennen in Hannover 2010. www.galoppfoto.de - Frank SorgeZuletzt in Southwell mit 90 Längen Letzter und jetzt wundersamer Sieger in Kempton: Low Key mit Adrie de Vries bei seinem Sieg im BBAG-Auktionsrennen in Hannover 2010. www.galoppfoto.de - Frank Sorge

Einer fehlte noch in der Reihe: Low Key (Pentire), gezogen von Dr. Christoph Berglar, bei der BBAG einst in den Besitz von Georg von Ullmann übergegangen, Sieger 2010 im BBAG-Auktionsrennen in Hannover. Vierjährig lief bei ihm aber nur wenig zusammen, er ging nach England, zu John Butler, einem ehemaligen Assistenten von Barney Curley. Im Winter 2012/2013 lief er viermal in England auf Sand, stets hinterher, zuletzt im Februar 2013 in Southwell, er war 90 Längen hinter dem Sieger Letzter. Alles Geld des Landes, oder genauer der Buchmacher, wurde am Mittwoch im 2400-m-Rennen mit dem Namen Kempton for Wedding Handicap auf ihn gesetzt, 4:7 betrug der Kurs, Jockey Liam Keniry behielt die Nerven, der Wallach gewann ohne größere Probleme.

Es ist müßig zu erwähnen, das auch John Butler, unverändert Trainer von Low Key, von den Stewards zur Formverbesserung befragt wurde, wie schon seine Kollegen zuvor, gesundheitliche Probleme der Vierbeiner seien entscheidend für die schwachen Leistungen zuvor gewesen, von irgendwelchen Wettcoups wisse man nichts. "Ich war völlig überrascht, als ich die Quoten sah", meinte Butler, "mit Wetten kenne ich mich ohnehin nicht aus." Und der von den Medien eiligste kontaktierte Barney Curley gab natürlich auch keinen Kommentar ab.

Was die Buchmacher am Ende verloren haben, kann nur vermutet werden. Von zwei Millionen Pfund ist die Rede, doch ist das sicher Spekulationen. Größere Verluste konnten dem Vernehmen nach vermieden werden, da es zwischen den Rennen größere zeitliche Abstände gegeben hatte und Festkurse für Kempton etwa sehr spät fixiert worden sind. Im Gegensatz zu früheren Zeiten funktionieren inzwischen auch die Alarmsysteme der Wetteinnehmer besser.

Vor einem Jahr hat Barney Curley seine Lizenz zurückgegeben und der Öffentlichkeit gegenüber bekannt, er sei den ganzen Aufwand satt und ohnehin müde, sich ständig mit den Buchmachern herumzuplagen. Er wolle sich lieber seinen wohltätigen Projekten in Afrika widmen. Jetzt hat der geniale Wetter vier Jahre nach einem ähnlichen Coup möglicherweise wieder zugeschlagen. Eines ist klar: War es am Mittwoch wirklich ein auf diese Pferde ausgerichteter Plan, so hat er monatelange akribische Vorbereitung gebraucht. Dass die rennsportliche britische Öffentlichkeit eine gewisse Bewunderung nicht verbergen kann und sich darüber freut, kann als gesichert gelten.

Zu allem Überfluss gab es am späten Mittwochabend noch eine Ohrfeige für die Buchmacher, als Callisto Light (Medicean), eine sieben Jahre alte Stute, das letzte Rennen in Kempton gewann. 2011 war sie dreimal unplatziert gewesen, war seit Oktober 2011 nicht mehr am Start. Und gewann gestern beim ersten Start für Trainer Michael Squance als Favoritin - ein Zusammenhang mit den anderen vier Pferden bestand jedoch nicht.      

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