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W- DAY oder wie Enable den Arc verlor

Unsere Autorin Catrin Nack im Arc mit dem Enable Schild und noch voller Erwartung ... Foto: Jimmy Clark

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 589 vom Freitag, 11.10.2019

„E-Day“ titelte die englischen Racing Post am vergangenen Sonntag, eine nicht eben subtile Anspielung auf den D-Day. Die Befreiung Europas durch die Alliierten Kräfte von der Nazi-Herrschaft an der französischen Atlantik-Küste. Die historischen Analogien endeten da nicht: Durch die Hand des Trainers, den große Teile der Presse „kleinen Napoleon“ nennen, erlebte Enable ihr ganz persönliches Waterloo auf französischen Boden. 

Enable und der W-Day: The winner takes it all, the loser standing small ... ©www.galoppfoto.de - Frank Sorge/Jimmy Clark und Dr. Jens FuchsEnable und der W-Day: The winner takes it all, the loser standing small ... ©www.galoppfoto.de - Frank Sorge/Jimmy Clark und Dr. Jens FuchsDie englische Rennsportwelt war seit Wochen im Ausnahmezustand. Die Wunderstute des Sports, die seit nun drei Rennzeiten die Szene beherrscht, versuchte zum krönenden Abschluß ihrer einzigartigen Karriere das Unmögliche. Seit 1920 wird der Prix de l´Arc de Triomphe, sicher das bedeutendste Galopprennen Europas, in Paris ausgetragen; noch nie hat ein Pferd dieses Rennen drei Mal gewinnen können. Erst ein Pferd hat es überhaupt versucht, Treve im Jahr 2015. Sie wurde Vierte. Einen Tag später wurde die alte Tribüne Longchamps abgerissen. Der große Umbau der Prestige-Bahn, lange angedroht, wurde Wirklichkeit.

Zwei Jahre wurde der „Arc“ ausgelagert, nach Chantilly; zweimal gewannen „ausländische“ Stuten. Im zweiten Jahr kam, sah und siegte eine gewisse Enable. 

Es setzte den Ton für die folgenden Jahre, bereits im letzten Jahr reiste Enable erst nach Chantilly und reiste erst am Morgen des Rennens ins damals neueröffnete Longchamp. Durch ihren Sieg im Jahr 2018 wurde sie die achte Doppel-Siegerin des Arc; die erste, die ihn an zwei unterschiedlichen Orten gewann. Zu gute Vorzeichen, um sie in 2019 zu ändern. „Es ist nicht so, dass wir abergläubisch sind. Aber es hat im ersten Jahr so gut geklappt, und wir haben es beibehalten. Es ist auch so viel ruhiger dort.“ Erklärte John Gosden. Nicht, dass Team Enable dort vor neugierigen Fans sicher war. Kaum hatte die Stute im Wald einen Entspannungsspaziergang angetreten, da erschien ein erstes Video auf Twitter: „man trifft keine Bären im Wald von Chantilly, sondern Enable“ so ein glücklicher Rennsport Fan. 

Die Arbeit des Teams war getan. Drei Jahre in Folge war es ihnen gelungen, Enable in bester Verfassung nach Frankreich zu bringen. Drei Jahre in Folge war Enable gesund und fit, alleine das eine Meisterleistung. Eine Unwägbarkeit blieb:  das Wetter, und damit der Boden der Rennbahn.  

Es war alles angerichtet für die große Enable-Party ....: Foto: Jimmy ClarkEs war alles angerichtet für die große Enable-Party ....: Foto: Jimmy ClarkDer erste Sonntag im Oktober ist für Rennsportfans weltweit ein magisches Datum. Arc-Day, was sonst? Immer ein Top-Rennen, hatte die aktuelle Austragung durch Enables historischen Versuch in diesem Jahr eine ganz besondere Note. Rennsportfans aus aller Welt waren gekommen – und bestätigen dies auf Nachfrage nachdrücklich- um die nun fünfjährige Nathaniel-Tochter Siegen zu sehen. France Galop ließ sich nicht lumpen: Ein Fan-Pack wurde aufgelegt (und war am Sonntag prompt ausverkauft), große Fan-Schilder gedruckt und in Massen verteilt. Immer ein Anziehungspunkt für vor allem britische Fans, hatte man zwischen den Rennen erstmals durchgehend für zweisprachige Kommentare gesorgt. Als viertes Rennen gelaufen, begann die Rennbahn langsam zu summen. Die Spannung schien greifbar, als Enable gegen 15 Uhr 55 den Führring betrat, hier bereits der erste Jubel. Die Parade auf dem Geläuf wurde begleitet von einem ohrenbetäubenden Jubel-Gesang nicht nur für die Stute, sondern auch für ihren nicht minder populären Jockey Frankie Dettori. Gänsehaut pur. 

Das Rennen – zunächst ein Traum.  Auch wenn Enable zu Beginn etwas schwer auf die Beine kam, hatte sie eine gute Lage, eingangs der falschen Gerade rückte sie auf, übernahm rund 300 Meter vor dem Ziel die Spitze. Die Rennbahn tobte, der Lärmpegel stieg ins Unermessliche. Doch kaum hatte sich Enable einen sichtbaren Vorsprung erarbeitet, da wurde klar, dass es nicht ganz so einfach werden würde. Sie löste sich, ja, aber ihr Vorsprung war zu klein, und aus dem Pulk der Verfolger löste sich noch ein weiteres Pferd; ein rötlich-brauner Schatten kam unaufhörlich näher. In Sekundenbruchteilen hing der sichere Sieg am seidenen Faden – wo war der Pfosten? Dann der Moment, eingebrannt in die Erinnerung unzähliger Fans, in dem der sicher geglaubte und so sehnsüchtig erhoffte Sieg entglitt. Das Unmögliche geschah: ein anders Pferd strebte Enable vorbei. Waldgeist, der Europäer mit deutschen Wurzeln und deutschen Rennfarben, trainiert vom französischen Altmeister André Fabré. Sein achter Erfolg in diesem Rennen, ein Todesstoß für britische und alle Enable- Fans auf der ganzen Welt.

Lähmendes Schweigen machte sich breit. In der Loge der siegreichen Besitzer und in kleinen Gruppen deutscher Waldgeist-Fans wurde gejubelt, doch der Rest der Bahn wurde ganz leise. Das historische Treble – dahin. Die lange Serie der Unbesiegten – Geschichte. Beinahe unscheinbar galoppierte Enable mit den anderen Verlierern zurück, als Zweiter eben die erste Verliererin. Vor den Tribünen schüttelte sie beinahe ungläubig ihren Kopf, als würde sie sich wundern, wo ihre Siegerparade bleibe. Noch einmal brandete Beifall auf, als sie an der Tribüne vorbeizog, auch im Siegerzirkel erhielt sie anerkennenden Applaus. Doch der große Jubel, die Lorbeeren, der Blumenkranz, die Siegerdecke, das Rampenlicht – all das gehörte einem anderen. The winner takes it all, the loser standing small. 

Trainer John Gosden und Dettori hielten sich in der Niederlage achtbar, die große Enttäuschung in ihre Gesichter gemeißelt. Dreimal hatte Enable Waldgeist so deutlich die Hufe gezeigt; an dem Tag, an dem es wohl am meisten zählte, hatte er den Spieß erstmalig umgedreht. Ein neuartiges Tracking-System, welches France Galop in diesem Jahr erstmalig im Arc einsetzte, sollte später zeigen, dass Waldgeist, den sie in England so gerne „Waldgiest“ nennen, Enable in allen Kernzahlen unterlegen war: sein Top-Speed, seine Durchschnittsgeschwindigkeit, alles langsamer. Doch anders als Enable konnte er seine höchste Geschwindigkeit beinahe auch auf den letzten 200m halten, während Enable hier dramatisch langsamer wurde, „ auf diesem Boden war der Sieger der größere Steher“ versuchte sich John Gosden in einer ersten Erklärung. 32 Zehntel-Sekunden entschieden über Sieg und Niederlage, in einer Zeit, die für den vermeidlich schweren Boden mit 2:31.97 extrem schnell war. 

Aber muss man den zweiten Platz einer zehnfachen Gruppe I-Siegerin, einer zweifachen Arc-, King George-Siegerin, Siegerin der Eclipse Stakes, des Breeders' Cup, erklären, gar entschuldigen? Sicher nicht, auch wenn es an Erklärungen, Theorien, Verletzungsgerüchten gar, nicht mangelte. Einer war an diesem Tag besser, so schmerzhaft die Erkenntnis für ihre Fans auch ist.

Es wurde keine Turf-Geschichte geschrieben: Enable verpasste den 3. Arc-Sieg, den noch kein Pferd geschafft hat, und die Party war vorbei. P.S. Das Schild von Catrin Nack ist hier nicht dabei ... www.galoppfoto.de - Jimmy ClarkEs wurde keine Turf-Geschichte geschrieben: Enable verpasste den 3. Arc-Sieg, den noch kein Pferd geschafft hat, und die Party war vorbei. P.S. Das Schild von Catrin Nack ist hier nicht dabei ... www.galoppfoto.de - Jimmy ClarkEnables Zukunft wird sich, zum Zeitpunkt des Schreibens, in den nächsten Tagen entscheiden. Die Gerüchte, dass dies ihr letztes Rennen, ihr allerletzter Auftritt auf einer Rennbahn war, halten sich hartnäckig, und wurden nach der Niederlage nur lauter.

Was bleiben wird, ist die Erinnerung an eine der ganzen großen Rennstuten der letzten Jahrzehnte, ein „horse of a lifetime“. Generationen anderer Rennpferde werden an ihr gemessen werden.

Catrin Nack

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