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Tizzard hat die Trümpfe in der Hand

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 450 vom Donnerstag, 12.01.2017

Es scheint, als könne der Mann im Moment einfach nichts falsch machen: vier weitere Gruppe-Rennen konnte Colin Tizzards Venn Farm seit dem 26. Dezember gewinnen, davon drei Gruppe I–Rennen. Zugegeben, Royal Vacations Sieg in der Kauto Star Novices´ Chase (3m, Kempton)  kam unverhofft;  wer weiß, was geschehen wäre, hätte sich Jockey Daryl Jacob auf dem führenden Might Bite (Trainer: Nicky Henderson) am letzten Sprung nicht so katastrophal verschätzt. Keinerlei Zweifel gab es aber an den anderen Siegern, von denen natürlich Thistlecracks Triumph in der King George VI  Chase der absolute Höhepunkt der letzten Wochen (wohl möglich sogar in Tizzards bisherigem Trainerleben) war. Noch fehlt der Cheltenham Gold Cup in seiner Vita, auch wenn sich sowohl Tizzard als auch das Publikum langsam an die regelmäßigen Siege in großen bzw. „Saturday“-Rennen gewöhnen.

Nun kann der Trainer einen Haken hinter die die King George VI Chase machen, nach dem Cheltenham Gold Cup die prestigereichste Prüfung der Insel. Auch wenn sich am Boxing Day 2016 ein zahlenmäßig nur kleines Feld an der 3m Startstelle einfand, so war es ein klarer Fall von Klasse statt Masse. Und die Manier, mit der Thistlecrack gestandene Steepler wie Cue Card, Josses Hill, Silviniaco Conti und Tea for Two zu Statisten degradierte, wird noch lange in der Erinnerung bleiben – dies ist ganz sicher kein gewöhnlicher Novice Chaser. Seit dem 1. Januar offiziell neun Jahre alt, hat der Kayf Tara-Sohn aus einer Ardross-Mutter nun 13 seiner bisher 18 Starts gewonnen; bereits bei seinem ersten Start über die großen Sprünge zeigte der Wallach, dass ihm dieses Metier augenscheinlich noch besser als die (kleineren) Hürden liegt – und in der Sphäre war Thistlecrack ja immerhin bereits Sieger der renommierten World Hurdle und nicht „irgendein“  Cheltenham Festival Sieger (nicht, dass es so etwas geben würde).

Nachdrücklich loben muss man hier die Geduld von Trainer und Besitzern, die dem Wallach alle Zeit der Welt zur Entwicklung gelassen haben: erst fünfjährig – und dann nur einmal – kam der Wallach zum ersten Mal an den Start, und lief in den zwischen 2013-2015 ganze drei Mal. Schon vor seinem Sieg in der King George war der Wallach Favorit für den 2017 Cheltenham Gold Cup, eine Stellung, die sich nach dem zwischenzeitlichen Ausfall des 2015er Siegers Coneygree und dem einen Tag später verkündeten Karriereende des amtierenden Siegers Don Cossack (s.a. getrennte Meldung) noch weiter verfestigt hat.

Konkurrenz könnte – wie sollte es anders sein – aus dem eigenen Stall kommen; aber wohlmöglich nicht in Form des Publikumslieblings Cue Card,  sondern im hellbraunen Fuchs-Gewand des Indian River-Sohnes Native River. Dieser ließ seinem beeindruckenden Sieg in der Hennessy Chase nun das Welsh National (Gr. III, 3m 5 ½) folgen, eine beinharte Marathon-Prüfung, in der der Wallach das Höchstgewicht von rund 75kg ohne erkennbare Mühen nach Hause trug; mit keinem geringeren als dem amtierenden Champion-Jockey Richard Johnston im Sattel. Dies ist strenggenommen keine Gold Cup  Form – sowohl die Hennessy Chase als auch das Welsh National sind traditionell eher Pointer für das Grand National  – doch muss man die Leichtigkeit bewundern, mit der Tizzards Schützlinge momentan agieren; nicht nur Richard Johnston sieht daher in Native River daher einen veritablen Gold Cup Kandidaten.  Thistlecrack soll dem Vernehmen nach über den sog. Trials–Day Ende Januar in Cheltenham das Festival selber ansteuern, die Frage ist nur, wer sich noch traut, gegen ihn anzutreten.

Nach kurzer Atempause ließ Tizzard dann am vergangenen Samstag mit der Tolworth Hurdle (Sandown, Gr.1, 2m), die sein Schützling Finian´s Oscar in vollendeter Manier gewann, einen weiteren Hochkaräter folgen, der 250.000Gns teure Oscar-Sohn ist nun bei drei Starts ungeschlagen und ein weiteres Juwel auf Venn Farm. Im Überschwang der Gefühle ließ sich der sonst eher wortkarge Tizzard nicht nur zu kleinen Scherzen über die Möglichkeit, wohlmöglich die beiden Erstplatzierten im Gold Cup zu stellen, hinreißen; er stellte auch die beängstigende Möglichkeit in Aussicht, mit einem „dark horse“ namens Alary ein noch viel talentierteres Pferd im Stall zu haben.

Neben Thistlecrack machte auf englischem Boden in der Weihnachtswoche vor allem ein Trio im Besitz des Iren J.P. McManus von sich reden, im Einzelnen Yanworth (Tr.: Alan King), Charli Parcs (Nicky Henderson) und Defi Du Seuill (Philip Hobbs). Während erstgenannter nun wohl Englands Waffe in der Champion Hurdle ist, werden sich die beiden letztgenannten vermutlich in der Triumph Hurdle für 4-Jährige Nachwuchs- Hurdler wiedertreffen. Trainer Nicky Henderson sattelte zudem mit dem seit nunmehr acht Starts ungeschlagenen Altior ein weiteres Pferd großer Klasse: der High Chaparral-Sohn gewann eine 2m -Gr. 2 nach Belieben und beeindruckte erneut durch sein sauberes Springen. Der Wallach hat trotz seines Novice- Status, welcher normalerweise einen Start in der Arkle Chase „bedingt“, auch eine Nennung für die Champion Chase selber; Trainer Henderson ist nicht unbedingt dafür bekannt , seine jungen Schützlinge zu überfordern, doch auch in  diese Sparte sucht man nach dem Ausfall von Sprinter Sacre nach einem neuen Star.

Während englischen Rennsport-Fans nach den Weihnachtstagen gen Kempton (wie lange noch?)  oder Chepstow strömen (ganz zu schweigen von den kleinen Rennbahnen, am Boxing Day selber wurden auf acht (!) Rennbahnen Rennen ausgetragen), nimmt in Irland Leopardstowns Christmas Festival – natürlich auch durch die übermächtigen irischen Trainer – einen immer größeren Stellenwert ein; die geringe Starterzahl des King George war selbstredend auch den ausbleibenden irischen Startern geschuldet. Vier Tage gab es Sport vom Feinsten auf der vor den Toren Dublins gelegenen irischen Paradebahn, alleine sieben Gruppe1 Rennen kamen dort zur Austragung.  

Hatte man jemals an der Stärke von Willie Mullins gezweifelt?

Auch wenn Gordon Elliot die irische Trainer-Statistik nach wie vor mit einem recht soliden Vorsprung anführt, so kommt Mullins' Closutton Stables immer besser ins Rollen. Von rund 60 Startern über die Festtage konnte Mullins erstaunliche 24 Siege einfahren, die Gruppe I-Erfolge von Douvan, Min und Vroum Vroum Mag stellten dabei natürlich die Highlights.

Douvan scheint ein Phänomen, bei allen Starts – 12 an der Zahl-  für Willie Mullins nun ungeschlagen, mehr noch, scheinbar ungeprüft durch seine Gegner gewinnt der Walk In The Park-Sohn seine Rennen mit der spielerischen Überlegenheit eines wahren Champions, er scheint über die Hindernisse zu gleiten und ist nach seinem überlegenen Arkle-Sieg im letzten Jahr nun  DER Anwärter auf die Champion Chase-Krone. Min ist die Zukunft, jedoch über Hürden in der letzten Saison als kochendheisser Favorit eben vom genannten Altior bereits bezwungen; auch er ist nun ein Chaser und hat nach einem harmlosen Aufgalopp nun auch ein irisches Gruppe 1-Rennen überzeugend gewonnen.

Und dann ist da noch eine gewisse Vroum Vroum Mag. Wie alle vorgenannten, und natürlich auch z.B. Annie Power, im Besitz von Mrs. Ricci stehend, hat sich die Stute den etwas zweifelhaften Ruf eines „Super-Subs“ , eines „Ersatz-„ Spielers erarbeitet; ihre in Cheltenham anvisierten Rennen wurde und werden dadurch bestimmt, wo die Annie Powers & Co eben nicht laufen können oder sollen. Auch wenn sie zu Beginn des Rennjahres ihren ungeschlagenen irischen Rekord einbüßen musste, so hat die französisch gezogene Voix Du Nord- Tochter bisher noch keine Grenzen aufgezeigt, Rennen über Hürden und Jagdsprünge gewonnen, über Distanzen von 2-3 (!) Meilen,  insgesamt 11 Rennen für Mullins, davon drei Gruppe 1 Rennen. Für Cheltenham steht sie für die Champion- , die World und die Mares´ Hurdle unter Order,  ihr Name wurde aber in voller Ernsthaftigkeit bereits für den Gold Cup genannt. 

Mullins, bekannt dafür, sich ungerne in die Karten schauen zu lassen, ist voll des Lobes über dieses ungewöhnliche Talent, „man würde sie auf der Koppel niemals für ein Rennpferd, sondern höchsten für ein Kutschpferd halten, aber wenn sie sich bewegt, wissen wir immer noch nicht, wo ihre Grenzen sind. Alles scheint leicht für sie, und sie immer nur das Nötigste.“ Rich Ricci ergänzte: „Sie soll nicht dauerhaft ein Ersatz-Spieler bleiben, aber sie macht es uns so einfach. Ich denke allerdings, dass sie in diesem Jahr weiterhin über Hürden laufen wird, dann sehen wir weiter.“

Weitere Gruppe-Siege errang Mullins mit dem deutsch gezogenen Saturnas (siehe separate Meldung), der die Future Champions Novices´Hurdle (Gr.1) über zwei Meilen für sich entschied, dem Mount Nelson- Sohn Penhill, auf der Flachen bereits ein nützliches Pferd für Luca Cumani,  sowie Let´s Dance, der letztjährigen viertplatzierten aus der Triumph Hurdle;  im Übrigen ebenfalls im Besitz von Mrs. Ricci und nun Favoritin für die 2016 erstmalig ausgetragene Mares´ Novices  Hurdle, einem Listenrennen für Stuten  im Rahmen des Cheltenham Festivals.

Vor lauter Mullins-Startern und –Siegern fiel es selbst dem so stark agierenden Stall von Gordon Elliot schwer, überhaupt ein großes Rennen zu gewinnen, doch er schnappte sich einen der dicksten Fische des Leopardstown Meetings überhaupt, als  Gigginstown Studs Outlander in einer hochspannenden Austragung der Lexus Chase Stall – und Trainingsgefährten Don Poli sicher bezwang. Beinahe hätte es mit Valseur Lido sogar ein 1-2-3 für Ryanair-Boss Michael O´Leary gegeben, doch schob sich in letzter Sekunde der amtierende  Gold Cup Zweitplatzierte Djakadam, als heißer Favorit gestartet, in die Platzierung.  Dies ist eine starke Form, denn auch Don Poli konnte sich 2016 im Gold Cup platzieren, die Frage ist jedoch,  ob einer von ihnen Thistlecrack gefährlich werden kann? 

Am letzten Wochenende konnte Elliot mit Death Duty ein weiteres Gruppe 1 Rennen für die weinroten Giggingstown Stud –Farben gewinnen, auch dies ein Nachwuchs-Hurdler mit ausgezeichneter Gesamtform.

Platz Drei der irischen Trainer nimmt zurzeit Henry de Bromhead ein. Zu Beginn der Saison war gerade sein Stall großen Schwankungen unterworfen, als er alle „Sizing“ -Pferde der Besitzer Ann und Alan Potts  ohne weitere Erklärung verlor (vor allem mit dem einzigartigen Sizing Europe hatte de Bromhead große Erfolge erzielt), um dann aber vom kontroversen „Umzug“ aller Giggingstown –Pferde aus dem Mullins –Stall (man hatte sich wegen der Trainingskosten überworfen)  neben Gordon Elliot besonders stark zu partizipieren. Für diese Farben gewann de Bromhead nun mit Petit Mouchoir ausgerechnet die Ryanair Hurdle,  was O'Leary mit besonderer Befriedigung zur Kenntnis nahm. „Ich hatte mich seelisch darauf eingestellt, schon wieder einen Preis an Willie Mullins zu übergeben, da ist es doch nett, dass wir ihn selber erhalten.“ Damit hat sich der Schimmelwallach, der bei seinem Start zuvor schwer gestürzt war, wieder nachdrücklich für die Champion Hurdle ins Gespräch gebracht. Da sowohl Annie Power als auch Faugheen bisher noch nicht am Start waren und sich die Termine für ihren jeweiligen Saisonaufgalopp im Wochentakt verschieben, ist das Bild gerade für dieses Rennen ganz besonders verschwommen.

Um den Rahmen des Artikels nicht über Gebühr zu strapazieren, seinen folgende Namen nur erwähnt, ihre Leistung in z.T.  Rennen hat aber so starken Eindruck hinterlassen, dass wir sie nicht unerwähnt lassen dürfen: Bellshill , Some Neck, Battleford (alle im Training bei Willie Mullins), Buveur d´Air ( Nicky Henderson), Kalane (Amy Murphy) sowie die von Harry Fry trainierten Just a Sting und Charmix sind Pferde, die man bei den nächsten Starts zumindest im Auge behalten sollte. 


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