Drucken Redaktion Startseite

Streit um das internationale Ranking

2018 das beste Pferd der Welt? Cracksman unter Frankie Dettori. www.galoppfoto.de

Autor: 

Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 552 vom Freitag, 25.01.2019

Stoff für Diskussionen bieten die Jahresbestenlisten im Turf eigentlich immer. Doch in diesem Jahr haben die am Mittwoch veröffentlichten beiden internationalen Ranglisten der besten Vollblüter (Longines World’s Best Racehorse Rankings) und der besten Galopprennen (Longines World's Top 100 Group/Grade 1 Races) insbesondere im Mutterland des Turfs mehr Entrüstung als üblich ausgelöst. Der englische Turf fühlt sich vom Komitee der internationalen Chef-Handicapper, in dem Harald Siemen die deutschen Interessen vertritt, benachteiligt.

Dabei findet sich der englische Star Cracksman aus dem Erfolgsquartier von John Gosden mit einem Rating von 130 sogar an der Spitze des 2018er Rankings der international besten Vollblüter, doch muss er sich den Spitzenplatz mit der australischen Seriensiegerin Winx teilen. Auch britische Kommentatoren zeigen sich von der Konsistenz der im Vorjahr in sieben Gruppe I Prüfungen nacheinander erfolgreichen australischen Stute beeindruckt, doch verweisen sie darauf, dass Winx ihre Siege in deutlich schwächerer Konkurrenz erzielt hätte, so dass ihr mit 130 ein zu hohes Rating zugestanden worden wäre. Das Rating der britischen Racing Post für Winx liegt mit 126 ganze vier Pfund unter dem der internationalen Handicapper. Bei Cracksman liegt die Racing Post mit ihrer Einstufung (131) sehr viel näher an dem von den internationalen Handicappern vergebenen offiziellen Rating.

Kritik löste bei den britischen Beobachtern die Tatsache aus, dass die internationalen Handicapper die beste Saisonleistung der Australierin, die ihr das hohe Rating einbrachte, in ihrem Sieg in den Queen Elizabeth Stakes im April in Sydney sahen, während allgemein der „historische“ vierte konsekutive Erfolg in der international besetzten Cox Plate als ihr Saisonhighlight angesehen worden war. Für den Zwei-Längen-Sieg gegen den Godolphin-Vertreter Benbatl in der Cox Plate konnten die Handicapper jedoch bei aller Sympathie für Winx nun wirklich kein Rating von 130 rechtfertigen, so dass sie für diese hohe Einstufung mit dem überlegenen April-Erfolg der Stute argumentierten und die dreidreiviertel Längen Vorsprung, die Winx im Ziel auf den aus Frankreich importierten Gailo Chop aufwies, aufgrund des überlegenen Stils auf einen fiktiven Vorsprung von sieben Längen ausdehnten, um rechnerisch das Rating von 130 zu begründen. Diese Handicapper-Arithmetik erzeugte bei den Kommentatoren der Racing Post den Eindruck, dass es diesmal nicht so sehr um die Fakten auf der Rennbahn gegangen wäre und verleitete sie zum provokanten Titel „The curious case of the World Rankings and the wild deviation from reality“ (deutsch: Der kuriose Fall der Weltrangliste und ihre extreme Abweichung von der Realität).

Besonders erzürnten sich die Briten auch über die Konsequenz des hohen Winx-Ratings auf die Top 100 Liste der besten Galopprennen des Vorjahrs. Da sich aus dem Mittelwert der Ratings der vier Erstplatzierten eines Rennens der für die Platzierung in der Top 100 Liste maßgebliche Wert eines Galopprennens bestimmt, sorgte der „Winx-Effekt“ für eine deutliche Aufwertung der australischen Top-Rennen. Unter den 100 gelisteten Rennen befinden sich diesmal 34 australische Prüfungen und damit erstmals weit mehr als im Mutterland des Turfs ausgetragene Rennen (19). Auch unter den führenden elf Rennen dieser Liste – da der 9. Platz dreifach besetzt, gibt es keine Top Ten – sind vier australische Prüfungen und nur zwei britische Galopprennen zu finden. Den Spitzenplatz nimmt mit dem Prix de l’Arc de Triomphe allerdings wie im Vorjahr ein französisches Rennen ein, Frankreich ist mit insgesamt sechs Rennen unter den Top 100 vertreten, darunter neben dem Arc mit dem Prix Ganay auch noch einer weiteren Prüfung im Oberhaus der Liste.

Auch deutsche Gruppe I Rennen sind in der illustren Liste zu finden, diesmal sogar gleich drei. Die beiden in München ausgetragenen Gruppe I Rennen, der Große Dallmayr Preis (Platz 62) und der Große Preis von Bayern (Platz 91), und der Große Preis von Baden (Platz 67) schafften den Sprung unter die Top 100. Damit belegte die kleine Turf-Nation Deutschland trotz ihrer kaum noch konkurrenzfähigen Dotierungen ihrer Top-Prüfungen genauso viele Plätze in der Top 100 Liste wie Dubai und Südafrika, wobei man im Falle Dubais jedoch anmerken muss, dass die drei Platzierungen der aus Dubai berücksichtigten Rennen deutlich besser sind: Das Dubai Sheema Classic befindet sich auf Rang 4, das Dubai Turf auf Rang 47 und der Dubai World Cup auf Rang 57.

Trotz der erregten Reaktion in der britischen Rennsportszene kam der zwischen Cracksman und Winx geteilte Spitzenplatz nicht wirklich überraschend. Schon die im Jahresverlauf kontinuierlich veröffentlichten Einstufungen der internationalen Handicapper deuteten darauf hin, dass es auf ein Rating von 130 für beide hinauslaufen könnte. Für die 7jährige Winx war es bereits das dritte Mal, dass sie auf einem Treppchenplatz in der Jahresbestenliste landete. Nach Rang 3 im Jahr 2016 und Rang 2 im Vorjahr reichte es nun zum – wenn auch geteilten – Spitzenplatz. Da sie ihre Rennkarriere auch in diesem Jahr fortsetzen wird (ihren ersten Start in 2019 kündigte ihr Trainer Chris Waller für Mitte Februar in den Apollo Stakes (Gr. II) in Sydney an), bleibt abzuwarten, ob sie auch in 2019 ein viertes Mal auf einem vorderen Platz der Jahresbestenliste enden wird. Ihre mehrköpfige Besitzergruppe gehört schon jetzt zu den Stammgästen bei der alljährlich in London vom Ranglisten-Sponsor Longines ausgerichteten Preisverleihungszeremonie, die in diesem Jahr am Mittwoch erstmals im noblen The Landmark’s Hotel im nördlichen Teil der Londoner City ausgerichtet wurde und bei der stets die drei Erstplatzierten der Bestenliste vorgestellt und geehrt werden.

Mit einer kleinen Überraschung hatte die Zeremonie begonnen, als der Drittplatzierte bekanntgegeben wurde. Der US-Hengst Accelerate, fünffacher Gruppe I Sieger im Vorjahr, darunter auch im Breeders‘ Cup Classic, wurde mit einem Rating von 128 auf diese Position gesetzt. Seine Leistungen wurden damit bei entscheidenden Sitzung der internationalen Chef-Handicapper im Dezember 2018 in Hongkong noch einmal deutlich aufgewertet, hatte er doch in Veröffentlichungen während des Jahres nur eine Einstufung von 126 erhalten. Der Brite Roaring Lion, der in Hongkong trainierte aus neuseeländischer Zucht stammende Beauty Generation und der nur einmal im Vorjahr gelaufene US-Crack Gun Runner waren ursprünglich vor ihm einsortiert, fanden sich jedoch in der Endabrechnung mit einem Rating 127 auf einem gemeinsamen vierten Platz wieder. Die weiteren in der Top Ten aufgeführten Vollblüter überraschten wenig. Der britische King George Sieger und Cracksman-Bezwinger in den Prince of Wales’s Stakes Poet’s Word (126) belegte Rang 7, während sich eine mit einem Rating von 125 eingestufte Dreiergruppe den achten Platz teilte: die im Arc und Breeders‘ Cup Turf siegreiche Enable, ihr britischer Rivale Crystal Ocean und der ungeschlagene amerikanische Triple Crown Sieger Justify.

Um deutsche Vollblüter in der internationalen Jahresbestenliste zu finden, muss man etwas weiter nach unten schauen. Mit einem Rating von 118 teilen sich Iquitos und Dschingis Secret die Position des bestplatzierten deutschen Vollblüters und befinden sich damit auf Platz 78 der internationalen Rankings. Umgerechnet in das deutsche GAG-System bedeutet dies für beide ein GAG von 99kg. Das für Iquitos zwischenzeitlich vom deutschen Chef-Handicapper Harald Siemen festgesetzte GAG von 100kg ließ sich somit in der finalen internationalen Abstimmung nicht durchsetzen. Iquitos konnte somit sein GAG-Rating von 2016 und 2017 in seiner letzten Rennsaison vor dem Wechsel ins Gestüt zwar noch einmal bestätigen, aber nun doch nicht steigern. Mit den beiden dreijährigen klassischen Siegern des Vorjahrs, Georg Baron von Ullmanns Ancient Spirit und Gestüt Röttgens Weltstar, sind noch zwei weitere deutsche Vertreter im internationalen Ranking auf Platz 221 mit einem Rating von 115 zu finden, andere hiesige Vollblüter haben den Sprung in diese Liste nicht geschafft.

Verwandte Artikel:

Block: Adsense 728 x 90
Google AdSense 728x90