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Royal Ascot 2021

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 674 vom Freitag, 25.06.2021

Royal Ascot 2021 ist Geschichte. Pandemiebedingt war es erneut ein Meeting „light“.  Die Zuschauerzahl begrenzt – unter den COVID-Regeln des Bezirks und im Rahmen eines Pilotprojekts waren 12.000 Zuschauer pro Tag zugelassen; die Karten allerdings an keinem der Tage ausverkauft. „Light“ auch die royale Beteiligung: die Queen, Schirmherrin und „Seele“ des Meetings, kam nur am Samstag und somit nur an einem Tag des Meetings; dies war in ihrer Regentschaft bislang erst einmal vorgekommen. 

Erstmals wurden sieben Rennen pro Tag ausgetragen, neu waren vor allem Handicaps. „So wird es bleiben“, lautete der einstimmige Tenor nach Kassensturz, „es gibt nur Positives“. Der Rubel muss rollen, auch beim Jockey Club, dem Betreiber der Rennbahn Ascot. Was an Einnahmen durch Eintrittskarten (die in England nicht eben billig sind) und Corporate/Sponsoring verloren ging, macht auch der Wettumsatz „wett“. Hier hat es auch auf der Insel seismische Verschiebungen geben, weg vom stationären Buchmacher hin zum Onlinewetten. Die Zahlen der Buchmacher-Läden ist im vergangenen Jahr dramatisch eingebrochen, damit natürlich auch der Wettumsatz am Schalter; ganz abgesehen davon, dass Buchmacherumsätze selbstredend nicht die Koffer einer Rennbahn füllen.  

Der Tote GB ist zusammen mit u.a. der Rennbahn Ascot im Jahr 2019 eine Kooperation mit dem Hong Kong Jockey Club eingegangen; Wetten kann man über einen „World Pool“. Der Umsatz – gespeist aus über zwanzig der führenden Rennsportnationen - betrug in diesem Jahr knackige 129 Millionen Pfund; kein Wunder, dass Ascot mehr als zufrieden ist und die Zusammenarbeit in diesem Jahr erstmals auch auf den King George-Tag und den Shergar Cup ausweitet. Weitere große Meetings Englands sind angeschlossen; man stemmt sich gegen die Buchmacher. Da passt eine Diskussion um einen fünften Tag beim Cheltenham Festival natürlich ins Bild – neben Ascot ist Cheltenham das andere Juwel im Portfolio des Jockey Clubs.

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Form des Senders ITV übertrug erstmals alle Rennen, den Gold Cup sogar auf zwei Kanälen gleichzeitig. Ein Team von rund zehn Moderatoren brachte den Zuschauern insgesamt 25 Stunden lang alle Aspekte des Meetings in die Wohnzimmer; zu Höchstzeiten schauten rund 1,9 Millionen Menschen zu.

Auf dem Rasen wie immer Sport vom Feinsten. Wenn nur das Wetter mitgespielt hätte….  Was Preisgelder angeht, hat England den Anschluß an große Nationen lange verloren – die Joker heißen Tradition und Prestige. 19 Gruppe-Rennen, davon acht der Gruppe 1, kamen an den fünf Tagen zur Austragung. Trotz COVID kamen Starter Irland, Amerika und Deutschland, französische Trainer hielten sich zurück. Drei hiesige Trainer wagten sich in die sprichwörtliche Höhe des Löwen: für den einen Starter kam der Regen wohlmöglich zu spät, Namos grub sich am Samstag dagegen sprichwörtlich ein. Kurz hatte ein Renntag gar auf der Kippe gestanden; die Rennleitung konnte am Freitag, dem vierten Meetingtag, erst nach eingehenden Kontrollen das „Go“, so stark hatte es geregnet. 

Zwei Pferde mit deutschen Wurzeln schlugen sich mehr als achtbar, die vom Gestüt Höny-Hof gezogenen Jukebox Jury-Tochter Princess Zoe wurde Zweite im Gold Cup, Alenquer (Adlerflug), ein Römerhofer mit Französischen Suffix, gewann gar die King Edward VII Stakes (Gr.2) und damit das inoffizielle „Ascot Derby“.

Erstmalig erlebte die Rennbahn von Ascot auch einen Klimaprotest. Aktivistinnen hatten sich mit einem großen Banner an die Rails im Zieleinlauf gekettet, und ihr Plakat gar verklebt. Der Sicherheitsdienst schritt ein. Eine der Aktivistinnen hatte die ganze Woche für einen Caterer gearbeitet.

Die Ergebnisse- teilweise bereits in der letzten Ausgabe der Turf-Times – wurden und werden an anderer Stelle eingehend v.a. auf die Abstammung der Pferde analysiert.  Ein Rennen wurde gar am grünen Tisch entschieden; in England nicht eben häufig. So kam US-Trainer Wesley Ward - im Heimatland eher ein „also-ran“, in Ascot zur Trainer-Elite zählend – zu einem weiteren, letztendlich wohlverdienten Royal Ascot- Sieger; von weiter her kam schließlich keiner. Acht Starter hatte er in diesem Jahr im Gepäck, plus Jockey John Velazquez. Die Siegerin ritt „Frankie“:  die 3j. Kodiac-Tochter Campanelle hat nun zwei „königliche“ Siege auf der Haben-Seite; im letzten Jahr triumphierte sie (reell auf dem (grünen) Rasen) in den Queen Mary Stakes.

Zähneknirschend gab die Racing Post zu, dass eine „echte Star-performance“ in diesem Jahr fehlte. Jammern auf hohem Niveau. Eine Auswahl bemerkenswerter Leistungen ist immer subjektiv; doch müssen die Siege von Love, Poetic Flare und auch Subjectivist (Nomen est omen) ganz oben auf jeder Liste stehen.

Love´s Sieg – beim Jahresdebut- in den Prince of Wales´s Stakes (Gr.1) war tatsächlich Aidan O´Briens einziger Gruppe-Sieger des Meetings, mit nur zwei Sieger insgesamt war es sein Meeting in diesem Jahr nicht. Die Stute musste „tief graben“, wie man es im Englischen ausdrücken würden, um ein wohlmöglich nicht eben hochklassiges, zudem kleines Feld in Schach zu halten. Sie zeigte ihre ganze Klasse, ihr Herz und ihren Charakter und wird hoffentlich in diesem Jahr noch einige Schlagzeilen schreiben. Jim Bolgers Poetic Flare – Sieger in den St. James Palace Stakes (Gr.1) - ist auf dem Weg, das neue „Iron Horse“ des englisch/irischen Rennsports zu werden. In rund 45 Tagen lief er in drei europäischen 2000 Guineas (in England – Irland -Frankreich). Kein Zuckerschlecken, und in Ascot machte vor allem der Ton die Musik. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er mütterlich in dritter Generation mit den Bolgers verbunden ist; Vater Dawn Approach, ebenfalls von Bolger gezogen, und Großvater New Approach waren dort im Training; Dawn Approach deckt zudem auf den eigenen Hof. Selbst der Jockey gehört zur Familie: Kevin Manning ist Schwiegersohn Bolgers, Tochter Una (Manning) vertritt den Stall seit COVID vermehrt.

Der Ascot Gold Cup (Gr.1) war Ziel des deutschen Rip van Lips, die Trauben hingen hoch. Am Start einer der großen Stars der Szene, Stradivarius. Dreifacher Sieger des Rennens, DER Top-Steher der Insel. Durch diverse Boni liegt seine Gewinnsumme bei knapp drei Millionen Pfund. Besitzer Björn Nielsen, vom alten Schlag, verwirklichte im letzten Jahr den Traum, seinen Star auf „klassischen“ Distanzen an den Start zu bringen. Drei Stars über 2400m zogen drei Niederlagen nach sich, der Arc war absolut eine Nummer zu groß. Der vierte Platz im Gold Cup keine Katastrophe, aber eine faustdicke Überraschung. Ein unglücklicher Rennverlauf, ein unglücklicher Ritt – aber auch hier machte der Ton des Siegers Subjectivist die Musik. Trainer Mark Johnston knüpfte an die Zeiten seiner großen Steher an, gewann rund 20 Jahre nach seinem Doppelsieger Royal Rebel und ganze 26 Jahre nach einem gewissen Double Trigger seinen insgesamt vierten Gold Cup. Stradivarius schaffte eben dies nicht; der (Pferde) Rekord von Yeats, der dem Rennen zwischen 2006-2009 seinen Stempel aufdrückte, bleibt erst einmal unangetastet.

Mehr als achtbar schlug sich Gestüt Brümmerhofs Gleneagles-Tochter Novemba als Vierte in den zur höchsten Kategorie zählenden Coronation Stakes. Tatsächlich war Peter Schiergens Schützling sogar als höchsteingeschätztes Pferd ins Rennen gegangen; als deutsche 1000 Guineas Siegerin gegen die Siegerinnen des englischen und irischen Pendants. Auch am Wettmarkt war sie stark beachtet, hatten doch einige der englischen „Tipster“ sie als „gutes Ding“ angesagt. Drei Stuten platzierten sich schlussendlich vor ihr, doch ließ sie einige hocheingeschätzte Stuten wie Pretty Gorgeous, Shale oder Empress Josephine hinter sich.

Die Siegerin, Alcohol Free, war eine der Feelgood- Storys des Meetings; ok, vielleicht nicht aus deutscher Sicht. In den Farben von Jeff Smith wischte die No Nay Never-Tochter, im Training bei Andrew Balding und zuletzt „nur“ Fünfte in den English 1000 Guineas hinter Mother Earth, alle Zweifel an ihrem Stehvermögen für die Meile mehr als nachdrücklich zur Seite. Ein seltener Fohlenkauf für den Besitzer, und für €40.000 ein „Schnäppchen“ im internationalen Verkaufsgeschehen, trägt Alcohol Free eine der legendären Rennfarben im englischen Sport. Jeff Smith, der unter dem Namen Littleton Stud züchtet und als Zulieferer der Flugzeugindustrie das große Vermögen aufgebaut hat, aus welchem der Rennsport so zuverlässig ein kleines macht, hat – ohne Übertreibung – Rennsportlegenden besessen. Seinen ersten „big race winner“ listet die Datenbank der Racing Post im Jahr 1989 auf, keinen Geringeren als den hierzulande besten bekannten Dashing Blade, trainiert von Andrews Vater Ian. Doch es waren Lochsong, die Anfang 1990er Jahren als „Queen of Speed“ die englische Sprinterszene in Atem hielt, und der Riesensteher Persian Punch, die Smith´ Farben zu vielgeliebten im englischen Sport machten. Tatsächlich war Lochsong eines der seltenen Pferde, deren Rennkarriere auf einer eigenen DVD (Videokassette (!)) veröffentlich wurde. Über Persian Punch, der im Alter von 11 Jahren in einem Rennen auf der Rennbahn von Ascot verstarb, hat der Racing Post Journalist Lee Mottershead ein Buch geschrieben. Vor Alkohol Free hatte Arabian Queen im Jahr 2015 für den letzten Treffer auf höchster Ebene gesorgt.

Der letzte Meetingtag brachte (endlich) den ersehnten vollen Erfolg für Sir Micheal Stoute, seinen 82. Sieger beim royalen Meeting. Damit ist er nach wie vor der siegreichste Trainer, auch wenn Aidan O`Brien den Versprung auf sechs Siege verkürzen konnte. Wie es sich für einen Trainer wie Stoute gehört, punktete er in einem Gr.1 – Rennen: „third time lucky“ für Dream of Dreams in den u.a. von Namos bestrittenen Diamond Jubiliee Stakes; 2019+20 war der Wallach hier jeweils knapp geschlagen Zweiter. Das Rennen ist eingefleischten Fans als Cork and Orrery Stakes vielleicht noch geläufig, zwischenzeitlich war es gar nur eine Gr. 3 Prüfung. Im Jahr 2002 wurde es als „Golden Jubiliee“ umbenannt, nun ist Queen Elizabeth II bereits im „Diamond Jubilee“; sie war, wie bereits erwähnt, anwesend. Acht Pferde trugen ihre Farben beim diesjährigen Meeting, leider sprang kein Sieg heraus.

Trotz der geringen Ausbeute wurde eine Coolmore-Konstellation erfolgreichster Besitzer; zwei Trainer – John&Thady Gosden bzw. Andrew Balding – trainierten je vier Sieger. Erfolgreichster Jockey war Oisin Murphy mit fünf Siegen, 24 Jockeys ritten mindestens einen Sieger. Darunter nicht eben alltägliche Namen wie Ben Coen, Laura Pearson oder Marco Ghiani. Emotional der Sieg von Paul Hanagan für Boss Richard Fahey; der Jockey hatte erst kürzlich eine schwere Rückenverletzung überwunden, drei Wirbel gebrochen und kurz vor der Lähmung gestanden. 

Interessant auch die Tatsache, dass von den 35 Siegern, die Royal Ascot in diesem Jahr erstmalig stellte, immerhin 12 Pferde für 40.000Gns oder weniger verkauft wurden, sechs gar für unter 20.000Gns. Kein Kleingeld, aber eben auch keine Millionen; Summen, die sich auch Syndikate durchaus „leisten“ können. The dream is on.

Catrin Nack

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