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Punchestown 2018 - Elliott vs. Mullins

Autor: 

Daniel Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 515 vom Freitag, 27.04.2018

Als letztes der drei großen Festivals findet mit der Rennwoche in Punchestown neben der Festival-Saison auch die irische National Hunt–Saison allgemein ihren Abschluss. Wie schon im letzten Jahr kommt den fünf Renntagen im Kampf um den Titel des Champion-Trainers weitreichende Bedeutung zu. 2017 hatte Willie Mullins den bis kurz vor der Linie führenden Gordon Elliott noch abfangen können; bei aktuell 12 Gruppe 1- Rennen und rund 3 Millionen Euro Preisgeld, die an den fünf Renntagen verteilt werden, ist auch Elliotts 2018er Vorsprung von rund 460.000 (noch) keine Garantie auf den Titel.

„Im letzten Jahr wollte ich meinen Kopf an die Wand hauen, ich war schon sehr verzweifelt, als es nicht geklappt hat“ bekannte Elliott unlängst im irischen Fernsehen, und betonte im nächsten Satz die Bedeutung, die der Titel für ihn haben würden: „Hätte man mich am Samstag morgen vor dem Grand National [welches Elliott  bekanntlich mit Tiger Roll gewann] gefragt, ob ich lieber das Grand National oder den Trainer-Titel gewinnen würde, es wäre der Titel gewesen.“

Mehr als 9 (!) Millionen Euro haben nur die Schützlinge von Elliott und Mullins in der aktuellen irischen Saison eingaloppiert (eine Summe, die also alle Siege z.B. in Cheltenham, wo beide Trainer das Meeting-Champion unter sich ausmachten, und Aintree nicht berücksichtigt), mehr als die nächsten 15 (in Worten: fünfzehn) nachfolgenden Trainer in der Statistik zusammen. Atemberaubende Zahlen, die sich im Laufe der nächsten Tage noch erhöhen werden. Punchestown boomt, das Festival ist im irischen Rennsport der Winter-Halbzeit inzwischen das Maß aller Dinge; seit mehreren Jahren steigen auch die Zuschauerzahlen unaufhörlich; in diesem Jahr erwartet man rund 125.000. Das Irische Fernsehen überträgt an allen Tagen drei Stunden live, mit großem Aufwand und vielen Features.

Bereits am einleitendem Tag des Meetings setzte sich der  Takt der Saison nahtlos fort:  zwei  Trainer – natürlich die Herren Mullins und Elliott – dominierten die Ergebnisse und gewannen zusammen fünf der sieben Rennen, darunter „natürlich“ alle Hauptrennen. Mehr noch, während Mullins von Rennen 2-4 einen lupenreinen Hattrick hinlegte und in der Champion Chase (Gr.1, 2m) mit Un de Sceaux und Douvan die beiden Ersatzplatzierten stellte, ließ sich Elliott in zwei weiteren Rennen nicht lumpen und stellte in der ebenfalls zur Gr.1 zählenden Champion Novice Chase (3m 1/2 f) gar die drei ersten Pferde im Ziel, dies allerdings unter den denkwürdigsten und verblüffendsten aller Umstände.

Worte reichen kaum aus, um den einzigartigen Un de Sceaux würdig zu beschreiben. 22 seiner bisher 27 Rennen hat der französisch gezogene Wallach nun gewonnen, und wenn ihm vielleicht die schiere Brillanz eines Sprinter Sacre oder Douvan in Höchstform fehlen macht, so macht dieser kleine Kämpfer dies mit Härte, Einsatzwillen, Enthusiasmus und seinem großen Herz mehr als wett. Patrick Mullins, der den Wallach zum ersten Mal reiten durfte, war nach dem Sieg des Lobes voll:  Er ist das goldene Ticket von Willie Wonka in der Chocolate Factory [in Anspielung auf den auf den Inseln überaus beliebten Charakter aus Roald Dahls Buch und Film], es ist ein absolutes Privileg, ihn zu reiten. Ich habe alle seine vorherigen Jockeys gefragt, wie ich das Rennen am besten angehe, und alle haben gesagt „sitz still und lass ihn es machen“.

Ein guter Rat, denn der nun zehn Jahre alte Un de Sceaux weiß ein oder zwei Dinge über Hindernisrennen, setzte in gewohnt forscher Manier ein schnelles Tempo, machte mit den Hindernissen kurzen Prozeß und stand all dies mehr als sicher nach Hause. Douvan, der sich seit Cheltenham 2017 auf einer Art Wiedergutmachungstour befindet, hatte nach einigen kleinen Fehlern das Nachsehen, auch wenn sein zweiter Platz eine deutliche Rückkehr zur Form signalisierte. Ein Un de Sceaux auf passend weichem Boden muss erst einmal besiegt werden.

Doch sollte Stalljockey Paul Townend, der nach wie vor für den verletzen Ruby Walsh der erste Mann am Mullins-Stall ist, sich hier über seine falsche Wahl geärgert haben, so sollte es für 27jährigen Jockey aus der Grafschafr  Cork noch viel viel schlimmer kommen. Nicht nur könnte sein „Aussetzer“ im zweiten Hauptrennen des Tages tatsächlich entscheidende Bedeutung im erwähnten Titel-Kampf zukommen, seine bizarre Aktion brachte ihm eine 21-tägige Sperre ein und wird den jungen Reiter sicher noch lange verfolgen.

Was war geschehen?  In der erwähnten Champion Novice Chase hatte sich das Feld unter Führung von Monalee (Henry de Bromhead/ Noel Fehily) bis zum vorletzten Sprung vorgearbeitet, viele Pferde waren mit Chance unterwegs, als sich das Drama zu entwickeln begann, so schnell, das Auge und Geist zunächst kaum folgen konnten: Monalee kam zu Fall, und behinderte Willie Mullins Schützling Invitation Only so schwer, dass auch dieser stürzte.  Während das Feld auf das letzte Hindernis zusteuerte – ein Auge des Zuschauers schaute prüfend, ob beide Pferde aufstanden – schien vor allem Al Boum Photo, ein weiterer Starter aus dem Mullins-Stall und eben mit Townend im Sattel, nun jede Chance zu haben und bestechend zu gehen. Rechts neben ihm brachte sich auch Robbie Power auf dem englisch trainierten Finian´s Oscar in Position, als plötzlich und unvermittelt Townend sein Pferd nach rechts riss, Power und seinem Pferd keine Chance ließ und aus dem Rennen trug, um dann selber durch den seitlichen Flügel des Hindernisses zu stürzen. 

Schock, Adrenalin und Drama pur, absolute Aufregung bei Rennkommentator und Zuschauern; so etwas hatte man noch nie erlebt. Vom Chaos unbeeindruckt – und unbehindert – steuerte Davy Russell seinen 170:10 Außenseiter The Storyteller, der zuvor auf Platz ohne jede Siegchance war, einem nun ungefährdeten Sieg entgehen, dahinter konnten die Außenseiter Monbeg Notorious und Jury Duty aus dem Elliott-Team die nächsten beiden Plätze und damit die Preisgeld-Kasse füllen. „Ich habe immer gewußt, dass ich gewinnen würde“, beliebte ein bestens aufgelegter Russell nach dem Rennen zu scherzen; er war einer der wenigen Jockeys, denen nach dem Rennen noch zum Lachen zumute war.

Es dauerte fast einen Tag, bevor sowohl Townend als auch Power zu einem offiziellen Statement bereit waren; Zeit, in der die Verschwörungstheorien  im Netz reiften, die beide Reiter aber brauchten, um das Geschehene zu verarbeiten. Townend beteuerte, einen Ruf gehört zu haben, dass das letzte Hindernis auszulassen sein, ein Blick über seine Schulter schien zu bestätigen, dass auch Robbie Power gen rechts (und damit, so glaubte Townend, am Hindernis vorbei) steuerte, in seiner Panik habe er sich dann zu einer Kurzschlussreaktion hinreißen lassen. Menschliches „Versagen“, „niemand ist gestorben und es ist zum Glück nur ein Sport“, so Ruby Walsh´ knappes Statement am Tag danach. Bleibt anzumerken, dass alle Pferde und Reiter das Durcheinander tatsächlich unbeschadet überstanden haben.  Auch wenn Townends Stolz sicher einen gehörigen Dämpfer erhalten hat ….

Ein ausführliches Video zu diesem Rennen sehen Sie hier: Klick.

Für runde 12 Stunden, um genau zu sein. Dann musste sich Townend nach einer unruhigen Nacht dem Leben, und vor allem dem Mullins-Stall stellen. "Er stand auf, kam in den Stall, und dann haben wir ihn erst einmal richtig auf den Arm genommen und reichlich Witze über ihn gemacht. Da musste er durch. Es war eigentlich ziemlich lustig.“ So Mullins bei einem Interviews Von denen gab er am Tag viele, für jeden Fernsehkanal, um genau zu sein, denn der Mullins-Express nahm Fahrt an und überrollte die Rennbahn mit 6 (sechs!) Siegen in sieben Rennen. Darunter selbstredend alle drei Gruppe1-Rennens am Mittwoch, mit vier unterschiedlichen Jockeys.

Paul Townend stieg zum zweiten Rennen erstmals in den Sattel und konnte mit der Stute Pravalaguna nicht besser in den Tag starten. Die anschließende Daily Mail Mirror Novice Hurdle (Gr.1, 3m) wurde mit dem heißen Favoriten Next Destination in einer überaus knappen Ankunft (die ersten drei Pferde trennten zweimal ein Hals) ebenfalls seine Beute. Kompensation auch für das Pferd, welches in Cheltenham hinter Samcro und Black Op ein hervorragendes Rennen gelaufen war, und ein willkommener großer Sieger für Besitzer Malcom Denmark. Dessen Pleasant Company war im Grand National nur hauchdünn an Tiger Roll gescheitert; knapp 20 Jahre nach dem großen Monsignor feiert Denmark, der über Jahre versucht hatte, unterschiedlichste Trainer zu etablieren, nun wieder große Erfolge.

Das Hauptrennen an Tag Zwei, der Punchestown Gold Cup (Gr.1, 3m), war eine fast rein irische Angelegenheit. Lediglich Colin Tizzards Sizing Granite vertrat englische Interessen, wie überhaupt das Punchestown Festival von englischen Trainern nicht gerade überschwemmt wird. Dem lockenden Preisgeld stehen eben die Kleinigkeit der überwältigenden irischen Pferde entgegen, „dies ist eine Hoch-Zeit im irischen Hindernissport, wir haben gute Pferde und können uns erlauben, sie zu behalten“ erkannte Michael O´Leary schon nach seine Grand National Sieg. Im Gold Cup kam dann aber immerhin erneut ein englischer Besitzer zum Zuge, Bellshill trägt die berühmten beige-braunen Farben von Andrea und Graham Wylie. Dies war erstaunlicherweise erst deren neunter Sieger der laufenden Saison („Sie hatten eine ziemlich durchschnittliche Saison“ bekannte der im irischen Fernsehen als Moderator wirkende Ruby Walsh trocken), allerdings stehen auch nicht mehr die Anzahl an Pferden der früheren Jahre in den Ställen, als man mit Pferden wie Inglis Drever, Tidal Bay, Arcalis & Co. wahre Seriensieger besaß; Nichols Canyon war zudem Ende Dezember bei seinem Sturz in Leopardstown verstorben.

Kompensation auf ganzer Linie als auch hier für den mehr als talentierten King´s Theatre Sohn Bellshill, dem zuletzt im Irischen Grand National der Weg erst auf den allerletzten Metern zu weit wurde, der nun 10facher Sieger ist und ganz sicher ein Anwärter für Cheltenhams Gold Cup im nächsten Jahr ist. Im Sattel saß David Mullins, Willies Neffe und damit Patricks Cousin; letzerer ritt im Rennen Djakadam, welcher nun zum vierten (!) Mal in Folge in diesem Rennen Zweiter wurde, sicher auch eine Art Rekord. Auch die dritte Gr.1 Prüfung des Tages, ein Bumper (Flachrennen für Hindernispferde) ging an Team Mullins, allerdings kam hier nicht der Favorit Blackbow (unter Sohn Patrick) zum Zuge, sondern der 130:10 Außenseiter Tornado Flyer, unter Amateur Richard Deegan. Mullins stellte hier die drei Erstplatzierten, Blackbow und Carefully Selected füllten die Plätze, erst Platz vier blieb für Gordon Elliott. Acht der 10 Starter kamen im Übrigen aus diesen beiden Ställen.

Alles also wieder offen im Titelkamp, in dem Mullins (tatsächlich und natürlich) nach diesem Super-Mittwoch erstmals in der Saison in Führung ging und nun wieder heißer Favorit auf den Titel ist. Es fällt selbst einem Gordon Elliott schwer, sich diesem mächtigen Stall entgegen zu stemmen, von anderen Trainern ganz zu schweigen. Samcro muss am Freitag dringend gewinnen, um Elliotts Chancen überhaupt zu wahren, es wird nicht leicht gegen einen Mullins, der die ganz Saison über etwas gezielter und vorsichtiger agierte und nun mit frischeren Pferden frontal angreifen kann. Während Mullins´ Pferde (bisher) 720 Mal gelaufen sind, haben Elliotts mehr als 1200 Starts in den Beinen, zudem agiert Mullins nach wie vor mit der unglaublichen Quote von 28% Siege zu Starts. Doch sollte der Titelkampf von Einem nicht ablenken: der irische Hindernissport hat eine Armada von hochklassigen und talentierten Pferden, in den Händen von hochklassigen und talentierten Trainern, und somit werden auch Zuschauer und Fans des Sports  mehr als reich beschenkt.  

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