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Post aus Prag - Fährhofer Nathaniel-Sohn gewinnt Tschechisches Derby

Autor: 

Martin Cáp

TurfTimes: 

Ausgabe 574 vom Freitag, 28.06.2019

Das war ein Derby, wie es Prag noch nie erlebt hatte. Ein Tag, an dem der tschechische Rennsport nicht wusste, über was er sich zuerst freuen soll. Kurz nach halb fünf Nachmittags nahm beinahe jeder zweite Rennbesucher sein Smartphone in die Hand und auf einmal war es auf der Rennbahn Velká Chuchle sehr laut, obwohl sich äußerlich nichts besonderes tat, es waren noch nicht einmal Pferde im Führring. Und dann jubelte man unter den Regenschirmen und alten Bäumen unweit vom Sattelplatz, denn der Champion der tschechischen Sprinter Nagano Gold (Sixties Icon) wurde knapp geschlagen Zweiter in den Hardwicke Stakes (Gr. II). Und es fehlte nicht viel und der historisch zweite tschechische Starter in  Royal Ascot wäre siegreich nach Hause gekehrt.

Unter Christophe Soumillon fehlte dem stark kämpfenden Nagano Gold nur eine halbe Länge auf den Sieger Defoe, dabei musste er zwei Behinderungen vom letztjährigen Derbysieger Masar hinnehmen. “Masar kostete uns den Sieg. Dieses Pferd hat aber definitiv das Zeug ein Grupe I-Rennen zu gewinnen,” meinte Soumillon nach dem Rennen.

Trainer Václav Luka jr., der im südböhmischen Bosovice - etwa eine Autostunde von Prag entfernt - seinen Stall hat, war unter den Zuschauern auf der Rennbahn. Da er am selben Tag zwei Starter im Tschechischen Derby hatte, blieb er in Prag und schickte seine Ehefrau Martina nach Ascot. Das Rennen verfolgte er neben dem Führring, wo er gerade Premier Lion (Zanzibari) für den tschechischen Gold Cup (2400 m, ca 7.900 Euro) sattelte. Wenige Minuten später gewann Premier Lion unter David Liska leicht um zwei Längen vor Darkolva (Dark Angel) und Portorikos (Intense Focus).

Und es war fast symbolisch, denn Premier Lion wurde im Frühjahr als Pacemaker für Nagano Gold erworben, um nicht das Risiko einzugehen, dass der Star wieder mit einem langsamen Rennverlauf kämpfen muss. Beide Pferde laufen in den Farben des Syndikát V3J. Unter dieser Kombination verbergen sich der Vater des Trainers Václav Luka sr., der Prager Finanzier Jan Vedral und der im Eisenbahn-Business tätige Jan Sobotka. 

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Ein Mehrteil von den mehreren Tausenden Zuschauer, die an diesem verregneten Tag auf der Rennbahn erschienen, war somit bereits vor dem Derby in einer euphorischen Laune. Und nun kam das Blaue Band selbst, das 99. Tschechische Derby (2400 m, ca. 78.700 Euro) das in den letzten Jahren von vielen Kollisionen und überraschenden Resultaten geprägt wurde. Nach dem Start schien sich die Befürchtung, dass dieses Jahr kein Tempo im Rennen sein wird, zu bewahrheiten. Und dann kam die große Überraschung - Filip Minarik auf dem Favoriten Angkor Wat (Nathaniel) ergriff die Spitze und sorgte für ein etwas schnelleres Rennen. “Noch im Führring habe ich gesagt, dass ich von ganz hinten gehen werde. Aber nach dem Start konnte ich nichts anderes machen, alle anderen Lösungen wären falsch,” sagte Minarik später. Auf den zweiten Platz schob sich Jirí Palík mit dem weiteren chancenreichen Nathaniel-Sohn Pacific Hill.

Auf der Gegengerade kontrollierten Minarik und Palík das Rennen. Am Anfang des letzten Bogens, 1000 Meter vor dem Ziel, machte Minarik ernst und versuchte sich abzusetzen. Palík war aber auf der Lauer und das Paar setzte sich um fünf, sechs Längen ab. Vom restlichen Feld reagierte niemand. Angkor Wat und Pacific Hill kamen in die Zielgerade mit einem soliden Vorsprung, suchten sich die optimale Spur bei den Aussenrails und machten den Sieg unter sich aus.

Schon auf der 400 Meter-Marke sah Pacific Hill mit Palík wie der Sieger aus, aber Angkor Wat kämpfte bis zum Schluss. Palík kam schließlich um 1 1/4 Längen nach Hause, Minarik machte den “1-2”-Einlauf der Nathaniel-Söhne unter Jockeys aus Deutschland perfekt. Auf den dritten Platz kam der 2000 Guineas-Sieger Ignacius Reilly (Worthadd) unter Bauyrzhan Murzabayev angeflogen und konnte sich an Angkor Wat bis auf eine Halslänge nähern. Wierter wurde Ramssio (Whipper) vor Arcturus (Fast Company).

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Für Jirí Palík war es bereits der dritte Sieg im Prager Derby, für den Stall Montenegro des mährischen Besitzers Jirí Posád sogar der vierte. “Ich konnte nicht fassen, dass uns im Rennen alle in Ruhe gelassen haben. Ich habe bis zum letzten Moment gewartet, ob jemand noch von hinten kommt. Allerdings saß ich heute auf dem besten Pferd und hatte den besten Rennverlauf,” sagte Palík.

Interessant: Trainer Radek Holcák hatte im Herbst 2017 ursprünglich Angkor Wat im Visier. Als dessen Preis aber im Oktober 2017 bei Arqana auf 80 000 Euro geklettert war, suchte sich Holcák einen anderen Sohn von Nathaniel aus, der einen Tag später auf dem BBAG Sales & Racing Festival angeboten wurde. Der von der Stiftung Gestüt Fährhof gezogene Pacific Hill ist der vierte Nachkomme der zweimaligen Siegerin Paulaya (Peintre Celebre) und ein Verwandter von Pferden wie Pardus oder Precious Boy. Holcák hat ihn im Auftrag von Montenegro für 46 000 Euro erworben. “Wir sind damals eigens wegen diesem Hengst nach Iffezheim gefahren, wir wollten keinen anderen haben,” erinnert sich Holcák, der seine Pferde im kleinen Dorf Velké Karlovice in den Beskydy-Bergen nahe der slowakischen Grenze vorbereitet.

Martin Cáp, Prag

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