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Positive Doping-Befunde durch verunreinigtes Futter - auch Grocer Jack betroffen

Positive Doping-Befunde im deutschen Galopp- und Trabrennsport durch verunreingtes Futter. www.galoppfoto.de - Frank Sorge

Autor: 

Frauke Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 629 vom Freitag, 31.07.2020
Am vergangenen Freitag haben wir auf unserer Webseite und in den Socialen Medien über positive Doping-Proben mit dem Befund "Koffein" berichtet, die in den letzten Wochen gehäuft aufgetreten sind. Verantwortlich dafür ist nach derzeitigem Wissenstand eine Verunreingung von Futtermitteln; erst war nur von einem Müsli einer bestimmten Marke als Verursacher die Rede, jetzt wissen wir, dass mindestens in einem Fall auch Mineralfutter der selben Firma einen positiven Koffeinbefund gebracht hat. Nun heißt es, dass der in beiden Futtermitteln enthaltene Apfeltrester der Verursacher sei. Die Herstellerfirma und der Dachverband machten sich beide auf die Suche nach den Ursachen, bei diversen Trainer wurden Futtermittelproben genommen, noch laufen die Untersuchungen, viele Fragen sind noch offen, etwas Klarheit gibt es indes schon. Fakt ist, dass die Trainer zwar keine Schuld an den Doping-Befunden haben, doch nach den Doping-Bestimmungen trotzdem bestraft werden, d.h. Disqualifikation plus Sperre für das Pferd, Aberkennung der Gewinnpreise und Geldstrafen. Danach bleibt nur noch der Weg, Schadensersatzansprüche an den Hersteller der verunreinigten Futtermittel zu richten. Das alles hat es im Rennsport schon mal gegeben, ein Desaster für alle Beteiligten. 
 
Es droht die Disqualifikation: Grocer Jack mit Marco Casamento beim Aufgalopp zum Derby. www.galoppfoto.de - Sabine BroseEs droht die Disqualifikation: Grocer Jack mit Marco Casamento beim Aufgalopp zum Derby. www.galoppfoto.de - Sabine BroseMit Wirbelsturm und Beetle Star sind die ersten beiden Fälle jetzt namentlich auch vom Dachverband benannt, s. dazu auch das nachfolgende Interview mit Geschäftsführer Jan Pommer von Deutscher Galopp. Weitere Pferde sollen betroffen sein, insgesamt wohl an sechs bis sieben Ställen. Allerdings gibt es noch keine konkreten Belege dafür, diese werden demnächst im Wochenrennkalender nachzulesen sein, was aber teilweise noch weitere drei Wochen dauern kann, weil die Ergebnisse der Doping-Proben so lange brauchen, bei Befunden aus dem Ausland sogar noch länger. Bekannt geworden ist allerdings schon, dass mit Grocer Jack auch der Derby-Dritte positiv auf Koffein getestet ist, auch wenn die B-Probe noch aussteht, so hat der Besitzer Dr. Christoph Berglar gegenüber Turf-Times bereits am vergangenen Freitag den positiven Doping-Fall bestätigt, "der Trainer kann nichts dafür, wenn sich der Verdacht bestätigt, dass das Futtermittel schuld ist, dann müssen wir demnächst Labore neben den Ställen aufbauen. Ich bin tief betroffen, den 3. Platz im Derby kriegen wir auch nicht wieder, wenn wir die Futtermittelfirma verklagen."

Die Futtermittelfirma zeigt sich kooperativ, ist aus verständlichen Gründen auch selbst an der kompletten Aufklärung interessiert. Alle betroffenen Trainer sind bereits kontaktiert worden. Allerdings ist die Verunsicherung in den ersten Tagen trotzdem groß gewesen, denn alle anderen Trainer wussten eben nichts genaues und der am Donnerstag per Email vom Galopper-Dachverband versandte Zweizeiler, wonach „aufgrund vermehrter positiver Dopingproben (Wirkstoff Koffein)", die Empfehlung gegeben wird, "4 Tage vor dem Start keinerlei Futterzusatzmittel (Müsli etc.) zu füttern“,  machte es nicht viel besser. Denn zum einen gilt Müsli als Kraftfutter, "das man nicht einfach so absetzen kann, wenn man sein Pferd immer damit füttert", so Erika Mäder, die Vorsitzender des Trainer- und Jockeyverbandes, außerdem war die Zeit bis zu den nächsten Renntagen ohnehin schon viel zu kurz, die große Zahl an Nichtstarten in Hannover eine mögliche Folge. Zum anderen wollten natürlich alle Trainer wissen, um welches Futtermittel es sich handelt. Das sprach sich durch Mund-zu-Mund-Propaganda zwar schnell rum, doch die Verunsicherung bleibt, denn noch ist nicht sicher, ob nicht auch noch andere Hersteller betroffen sein können. Denn die Firma, die den Apfeltrester vertreibt, hat auch andere Futtermittelfirmen beliefert. 
 
Als sicher gilt, dass nur einzelne Margen betroffen waren, denn es hieß von seiten der Trainer zurecht, dass man das Müsli auch schon länger füttere, außerdem gab es mindestens einen Fall, wonach in einem Rennen zwei Pferde aus zwei verschiedenen Ställen gelaufen sind, beide mit dem gleichen Müsli gefuttert, das eine wurde positiv getestet, das andere negativ. Die zwischenzeitlich Erklärung des Verbandes, wonach "Apfeltrester, der in manchen Futtermitteln enthalten ist und zu Koffein verstoffwechselt werden kann" der Auslöser sei, können wohl ad acta gelegt werden. So heißt es von Prof. Dr. Annette Zeyner von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg dazu: „Apfeltrester, in einer für ein Futtermittel zu erwartenden und zu verlangenden Produktreinheit, enthält mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weder Coffein, noch können Inhaltsstoffe der Apfeltrester in einer für Doping relevanten Größenordnung im Gastrointestinaltrakt oder im Intermediärstoffwechsel von Pferden zu Coffein umgewandelt werden.“
 
Die Hersteller-Firma nimmt wie folgt Stellung: "Zur aktuellen Situation kann unser Geschäftsführer, Herr Friedhelm Donde, zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass wir im Rahmen unseres Qualitätssicherungssystems bei einer Probennahme des von unserem Lieferanten bezogenen pelletierten Apfeltresters festgestellt haben, dass die Partie Rückstände von Koffein enthielt. Apfeltrester ist eine hochwertige und schmackhafte Futterkomponente, die wir einigen unserer Mischfuttermitteln zusetzen.

Da wir aufgrund des Analyseergebnisses nicht ausschließen konnten, dass auch die mit Apfeltrester versehenen Futtermittel Spuren von Koffein enthalten könnten, haben wir unverzüglich die Rezeptur der betroffenen Produkte geändert und ab sofort darauf verzichtet, pelletierten Apfeltrester zu verwenden. Zugleich haben wir unter anderem unsere Kunden aus dem Galopp- und Traberrennsport über die mögliche Verunreinigung informiert und ihnen empfohlen, ab sofort kein Futtermittel mit pelletiertem Apfeltrester mehr zu verfüttern.

Gemeinsam mit unserem Lieferanten arbeiten wir intensivst daran, die Ursache des Koffeingehaltes festzustellen. Bis zu einer endgültigen Klärung werden wir auch weiterhin davon absehen, bei der Herstellung unserer Futtermittel pelletierten Apfeltrester zu verwenden."

Jan Pommer, Geschäftsführer von Deutscher Galopp. www.galoppfoto.de - Frank SorgeJan Pommer, Geschäftsführer von Deutscher Galopp. www.galoppfoto.de - Frank SorgeAuf Nachfrage nahm auch der Galopper-Dachverband Stellung. Der Geschäftsführer Jan Pommer beantwortete die nachfolgenden Fragen per Email. 

  • Turf-Times: Wann ist der erste Fall aufgetreten und wieviele sind bisher bekannt? 

Jan Pommer: Der erste Fall war Wirbelsturm am 21. Mai 2020 in Hannover. Beetle Star war der zweite Fall.

  • TT: Wie ist man auf den Zusammenhang zwischen dem Futtermittel und dem Koffein-Befund gekommen? 

JP: In beiden Fällen wurden durch die Trainer Futtermittelanalysen in Auftrag gegeben. Diese ergaben den Koffeinbefund.

  • TT: Welche Schritte hat man danach unternommen?

JP:  s. vorherige Frage.

  • TT: Die Trainer fühlten sich nach unserem Kenntnisstand nur bedingt ausreichend informiert, wussten nicht, wie sie mit der kurzen Meldung am Donnerstag umgehen sollten. Nach der Veröffentlichung bei uns bei Facebook haben uns zahlreiche Meldungen erreicht, die Infos von uns wollten, die wir jedoch auch nicht gegen konnten.

JP: Antidopingverfahren unterliegen bis zum Abschluss der B-Probe der Vertraulichkeit. Deutscher Galopp hat so umfänglich informiert, wie es zum Zeitpunkt der Information möglich war.

  • TT: Wie ist der Wissensstand jetzt, in der von ihnen herausgegebenen Meldung steht, dass Apfeltrester durch eine Verstoffwechselung zu dem Koffein-Befund führen kann, das wird von der Futtermittelfirma nicht so gesehen. Wir kommen Sie zu dieser Erklärung?

JP:  Nach weiteren Positivtests auf Koffein und Recherchen in den Ställen hat sich die Vermutung ergeben, dass es sich um Produkte eines bestimmten Herstellers handeln könnte. Mit diesem ist noch am Freitag Kontakt aufgenommen worden. Die Information den Apfeltrester betreffend stammt vom Hersteller und ist inzwischen in Abstimmung mit diesem und mit dem Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule aktualisiert worden.

  • TT: Die Futtermittelfirma behauptet, der Lieferant des Apfeltresters sei schuld und der würde auch andere Firmen beliefern. Ist jetzt mit weiteren Fällen zu rechnen?

JP: Darüber liegen uns keine Informationen vor. Wir gehen aber davon aus, dass die Problematik der Verunreinigung von Apfeltrester als Futtermittelkomponenten aktiv aufgegriffen wird.

  • TT: Wie sind die nächsten Maßnahmen?

JP: Der Futtermittelhersteller hat seine Kunden nach unseren Informationen und seinen Angaben über den Sachverhalt informiert.

  • TT: Ein Problem ist ja auch die Zeit, die so eine Doping-Probe dauert. In der Regel sind das ja etwa drei Wochen, wenn man Pech hat, ist das Pferd seitdem schon wieder gelaufen und man wird (s. Wonnemond, dem gleich zwei Grupperennen aberkannt worden sind) gleich doppelt „bestraft“? Läßt sich dieser Ablauf optimieren?

JP: Die Analyse von Dopingproben nimmt bis zu 3 Wochen in Anspruch. Dies ist die vom Institut für Biochemie benötigte Zeit.

  • TT: Hält man an den Sperren nach positiven Doping-Befunden fest?

JP: Für die Verfahren gilt die Rennordnung in ihrer jeweils aktuell gültigen Fassung.

  • TT: Wie sieht das im Ausland aus, es soll ja mindestens auch einen Fall in Frankreich geben?

Auch im Ausland steht Koffein auf der Liste der verbotenen Substanzen. Von einem Fall in Frankreich ist uns nicht bekannt.

  • TT: Müssen die Trainer/Besitzer die Strafen bzw. auch die Proben bezahlen?

JP: Die Analyse der A-Probe müssen die Trainer nicht bezahlen, die Analyse der B-Proben und etwaige Futtermittelanalysen hingegen schon. Bei einem positiven Dopingfall ist gemäß Ziffer 536 RennO eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe in Höhe von 600 € zu zahlen.

  • TT: Wie sieht es mit Schadensersatz gegen den Hersteller aus? Gibt es da Hilfen für die betroffenen Trainer/Besitzer?

JP: Es ist zweckmäßig, Schadensersatzansprüche an Hersteller zu richten, die kontaminierte Produkte in Verkehr bringen.

  • TT: Es soll ja unabhängig von der Müsli-Koffein-Dopingsache auch mindestens einen anderen Dopingfall in einem großen Stall geben, können Sie darüber was sagen?

JP: Zu etwaig schwebenden weiteren Verfahren kann Deutscher Galopp aktuell nicht Stellung nehmen.

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