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NH - Der ruhige Januar

Rücktritt vom Rücktritt, zumindest für einige Wochen: Davy Russell. www.galoppfoto.de  - JJ Clark

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 751 vom Freitag, 13.01.2023

Nach der geballten Action zwischen Weihnachten und Neujahr geht es im Januar traditionell etwas ruhiger zu. Viele englische Trainer nutzen diesen Monat für notwendige Impfungen; Paul Nicholls begibt sich gar auf seinen Jahresurlaub. Gerade sein Stall steht jedoch im Fokus der letzten Wochen, vor allem in der Novice-Divsion scheint der 13fache britische Champion-Trainer ein paar Asse im Ärmel zu haben. Zwei Pferde aus Ditcheat haben in den letzten Wochen mit Siegen in Gr.I -Hürdenrennen für Furore gesorgt. Bereits vor rund 14 Tagen gewann Hermes Allen (Poliglote) die Challow Novices´ Hurdle (2m4f, ca. 4100m) auf der Rennbahn von Newbury; das Rennen ist im letztwöchigen Rückblick auf der sprichwörtlichen Strecke geblieben.

An dieser Stelle macht ein kurzer Exkurs in die Kategorien bzw. die „Systematik“ des Hindernissports auf den Inseln Sinn. Grob gesprochen beginnt das traditionelle Hindernispferd sein Leben in sog. Bumpern (Flachrennen für Hindernispferde), danach folgen die Hürdenrennen. Diese beginnen für 3jährige, die in der laufenden Saison (ca. Oktober – Ende April) vier werden, in sog. Juvenile Hurdle -Rennen (Cheltenham Stichwort Triumph Hurdle); wenn das traditionelle National Hunt -Pferd spätreifer ist, als „Novice“ in den entsprechenden Novice – Prüfungen. Diese sind nicht an ein bestimmtes Alter gebunden (tatsächlich ist z.B. das Spitzen-Hürdenpferd Faugheen als 12jähriger in Novice Chases gelaufen), beziehen sich immer auf die erste Saison des Pferdes über eben Hürden- oder Jagdsprünge. Eine Saison lang bleibt ein Pferd dann Novice, danach muss es in Prüfungen der offenen Altersklasse (sprich Handicaps oder Graded Rennen) starten.

Auch im Hindernissport gibt es Kurzstrecken (2m oder ca. 3200m) -, Mitteldistanz (2 ½ m oder ca. 4100m) - und Langstreckenpferde (3m+ oder ab ca. 4800m), analog zu den Sprintern oder Stehern etc. auf der Flachen. Nach einigen Jahren über die kleinen Hürden reift ein Hürdenpferd dann gewöhnlich zum Jagdpferd heran; Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Auch hier ist er erst eine Saison lang Novice Chaser. Novices (ein Begriff, der in diesen Artikeln mit „Nachwuchs“ übersetzt wird, wortwörtlich „Anfänger“ bzw. „Neuling“ bedeutet) dürfen in der offenen Altersklasse starten; tatsächlich laufen in oberster Klasse durchaus auch Novices z.B. im Gold Cup oder dem Grand National. Distanzvorlieben bleiben gewöhnlich bestehen, auch wenn mit fortschreitendem Alter und körperlicher Reife der Weg im späteren Leben auch gerne „mehr“ sein darf. Apropos Alter: hier hat der Hindernissport vor Jahren mit großem Erfolg die sog. Veterans Chases für Pferde ab 10 Jahren geschaffen; die Rennen sind beim Publikum extrem beliebt. Auch für Stuten, welche im National Hunt Sport noch vor rund 10 Jahren ein Schattendasein fristeten, gibt es nun eigene Serien; und inzwischen auch drei restriktive Rennen beim Cheltenham Festival. Maiden-Rennen, Altersgewichtsrennen, Auszubildenden-Rennen sollen hier nur am Rande und der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

Zurück zur Challow Novices´ Hurdle. Als Mitteldistanzrennen hat dieses Rennen durchaus eine interessante Siegerliste mit Pferden, die sich später als hochklassige Staying Chaser einen Namen gemacht haben, man denke Bindaree, Denman oder Diamond Harry. Paul Nicholls hat das Rennen fünf Mal, davon nun drei Mal in Folge, gewonnen; sein 20-21er Sieger Bravemansgame triumphierte am 2. Weihnachtstag in der King George IV Chase. Hermes Allen, zu dessen Besitzern u.a. Sir Alex Ferguson zählt, geniesst am Stall einen ausgezeichneten Ruf und notiert im Moment als Favorit für das entsprechende Rennen beim Festival. Ein möglicher Gegner in Cheltenham, der von Willie Mullins trainierte Champ Kiely, gewann am Sonntag eine irische Version der Challow Novices´ Hurdle, tatsächlich das einzige Gr.I -Rennen der Rennbahn von Naas.

Ein unerfreulicher Nachtrag dieses Renntages war die schwere Verletzung des irischen Top-Jockeys Jack Kennedy, Stalljockey bei Gordon Elliott. Der 23jährige Reiter brach sich nach einem Sturz Schien- und Wadenbein, der fünfte (!) Beinbruch seiner Karriere. „Nicht so schlimm wie befürchtet“ lautet dennoch der Kommentar von Elliott. Nachdem Davy Russell vor Wochen die Stiefel eigentlich an den berühmten Nagel gehängt hatte, gehen seinem Stall nun langsam die Jockeys aus. Inzwischen hat Russell jedoch erklärt, zumindest kurzfristig für Elliott wieder  Rennen zu reiten, um die Vakanz zu füllen. 

Sandowns Tolworth Novices´ Hurdle (Gr.I, 2m) ging ebenfalls an Nicholls, diesmal in Form des Falco-Sohns Tahmuras. Der Wallach setzte damit die großartige Form seines Trainers fort, der im Moment mit einer Siegquote von rund 31% agiert. Wie auch sein junger Stalljockey Harry Cobden, der in der laufenden Saison bereits 74 Siege bei 235 Ritten errungen hat. Tahmuras steht im Besitz des Noel Fehily Racing Syndicate. Der ehemalige Top-Jockey hat sich zusammen mit seinem Kollegen, Ex-Jockey David Crosse, auf diese Form von Besitzergemeinschaften spezialisiert und reitet im wahrsten Sinne auf der Welle des Erfolgs. Mit der Stute Love Envoi, die am Samstag in Sandown ein Listenrennen für Stuten gewinnen konnte und im letzten Jahr mit ihrem Sieg beim Cheltenham Festival einer famosen Saison die sprichwörtliche Krone aufgesetzt hatte, begann das Profil seiner Syndikate zu steigen; der Doppelerfolg am vergangenen Samstag tat der Popularität natürlich keinen Abbruch.

Ein weiterer Höhepunkt von Sandowns Karte war eine der besagten Veterans Chases. 18 Veteranen nahmen das Rennen auf, zusammen brachten sie 210 Jahre und 117 Siege an die Startstelle.  Der Sieger Wishing and Hoping, 13 Jahre jung und aus dem kleinen Quartier von Trainerin Mel Rowley, gewann auf einen Schlag beinahe doppelt so viel Preisgeld wie in seiner gesamten bisherigen Karriere; was könnte den Erfolg solcher Rennen, die alten, verdienten Rennpferden auch im Herbst der Laufbahn die Möglichkeit geben, auf ganz großer Bühne zu leuchten, besser unterstreichen? 

Catrin Nack

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