Drucken Redaktion Startseite

NH-Rückblick: Viel Action an den Feiertagen

Bravemansgame und sein Team nach dem Sieg in den "King George". Foto: courtesy by Tattersalls

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 750 vom Freitag, 06.01.2023

Am 2. Weihnachtstag, in England Boxing Day genannt, beginnt im Anglo-Irischen Hindernissport traditionell eine ganz heiße Phase. Das war auch 2022/23 nicht anders, nachdem starker Frost in den Wochen zuvor den Terminplan arg durcheinandergebracht hatte. Allein am 26. Dezember fanden auf zehn Rennbahnen Hindernisrennen statt. Kemptons zweitägiges Meeting um die King George VI Chase, Leopardstowns viertägiges Weihnachts-Festival, bei dem sieben Gr.I-Rennen ausgetragen wurden, Chepstow und natürlich Cheltenham waren die wichtigsten Rennorte der letzten Wochen.

Nachdem Ascots Long Walk Hurdle (Gr.l, ca. 5000m) besagten Frost zum Opfer gefallen war und am Boxing Day in Kempton nachgeholt wurde, kamen am ersten Tag vier Gr.I-Rennen in Folge zur Austragung – Rennsport-Fan, was willst du mehr ? Natürlich ein Finish wie in dieser Traditions-Prüfung, einem wichtigen Test auf dem Weg zur Stayers´ Hurdle in Cheltenham. Mit Paisley Park raffte sich ein (zum Zeitpunkt des Rennens) 10j. Wallach zum Sieg auf, der in der Szene langsam auf dem Weg zu einem echten Kult-Pferd ist. Zum dritten Mal schrieb sich der von Emma Lavelle trainierte und von Aidan Coleman gerittene Oscar-Sohn in die Siegerliste der Long Walk Hurdle ein; beim ersten Sieg im Jahr 2018 war er zarte sechs Jahre alt und die Hürden-Steher-Division schien ihm zu Füssen (Hufen!) zu liegen. Nicht alles lief seitdem nach Plan, aber solche Pferde schließen Fans ja bekanntlich besonders in Herz. Gegen u.a. seinen (gleich)alten Widersacher Champ (Nicky Henderson, Jonjo O`Neill jnr) kam es zu einer deutlichen Formumkehr; ein wirklich furioser Auftakt des famosen Renntages.

Thyme Hill, im März in der Stayers´ Hurdle noch vor Paisley Park eingekommen, hat inzwischen die Hürden gegen die Jagdsprünge getauscht. Bei seinem Sieg in der Kauto Star Novices´ Chase (Gr.I, 3m = 4828m) zeigte er, dass er auch in diesem Metier über viel Talent verfügt. Das muss Constitution Hill, über den wir bereits Anfang Dezember ausführlicher berichtet haben, ganz sicher nicht mehr beweisen. Im Gegenteil, Michael Buckleys von Nicky Henderson trainierte Blue Bresil-Sohn hat das Zeug zu einem der ganz ganz Großen. Nicht wenige halten ihn bereits jetzt für das beste Hürdenpferd aller Zeiten; der in nun fünf Rennen ungeschlagene, gerade erst sechs Jahre alte Wallach hat den Sprung in die offene Altersklasse mit Bravour gemeistert und war in der Christmas Hurdle (Gr.I, 3200m) schlichtweg andere Ware; Gr.I-Rennen werden für gewöhnlich nicht mit 17 Längen und am Gebiss gewonnen. Selbstredend ist er heißer Favorit für die Champion Hurdle im März, wo er u.a. auf Honeysuckle treffen könnte. Für alle anderen Superlative muss die Zeit sorgen.

Die King George VI Chase (Gr.I, ca. 4828m) ist eine der ikonischen Prüfungen des britischen Rennkalenders, dies betonen wir sicher jedes Jahr. Das Rennen wird seit 1937 ausgetragen; es wurde selbstredend zu Ehren des neuen Königs, Vater der im letzten Jahr verstorbenen Queen Elizabeth II, ins Leben gerufen. Die Siegerliste ziert das Who is Who der Staying Chaser, immer wieder haben hier spätere Cheltenham Gold Cup – Sieger triumphiert. Der große Kauto Star hat dieses Rennen sagenhafte fünf, sein Trainer Paul Nicholls nun insgesamt 13-mal gewonnen. Bravemansgame, der jüngste Sieger aus seiner Talentschmiede, kam mit „Ansage“ an den Ablauf; seit zwei Jahren hatte Nicholls diesen Sieg vorhergesagt. Sicher, solche Pläne gehen nicht immer auf, aber wenn ein Trainer weiß, welche Art Pferd man für Kemptons drei Meilen braucht, dann Nicholls. Es muss am doch recht weichen Boden gelegen haben, dass Bravemansgame „nur“ als zweiter Favorit an den Ablauf kam; leise Zweifel am totalen Stehvermögen des französisch gezogenen Wallachs ließ sein bisheriger Rennrekord durchaus zu. Ein Fehler des Favoriten L´Homme Presse am letzten Hindernis machte die Sache für Bravemansgame, in dessen Sattel Stalljockey Harry Cobden saß, sicher einfacher, allerdings hatte der Wallach zu diesem Zeitpunkt den berühmten Sack bereits optisch zu gemacht; mit Royal Pagaille (Venetia Williams) und dem alten Haudegen Frodon (ebenfalls Paul Nicholls) verwies er zwei Außenseiter auf die Plätze. Aus Irland war lediglich der von Henry de Bromhead trainierte Envoi Allen angereist; unter Rachael Blackmore konnte der einstige Star der Szene allerdings nicht an seinen jüngsten Erfolg anknüpfen.

Neben dem Englischen „großen“ Grand National tragen auch Schottland, Irland und Wales ihr eigenes Grand National aus, dazu gibt es tatsächlich über 30 regionale Rennen, die den Namen „National“ stolz im Titel tragen. Das Welsh Grand National, traditionell direkt nach Weihnachten gelaufen, ist regelmäßig ein Rennen für Sumpfhühner; die Rennbahn Chepstow kennt nur selten guten Boden. Als Sieger raufte sich ein echter Spezialist für diese Bedingungen nach Hause, der aus dem kleinen Quartier von Nicky Martin entsandt The Two Amigos. Es war der dritte Auftritt des Wallachs in diesem Rennen, der bereits einmal Zweiter war; im letzten Jahr hatte seine Trainerin gar vergessen, ihn zu nennen.

Wie bereits erwähnt, brummte es auch auf der grünen Insel gewaltig. Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, auf alle Graded Rennen im Detail einzugehen. Sagenhafte zwanzig Rennen gewann der irische Star-Trainer Willie Mullins in den letzten rund 14 Tagen, darunter fünf Gr.I-Rennen. Die Dominanz einiger weniger Trainer, allen voran natürlich von Mullins´ Closutton-Stall, nimmt durchaus beängstigende Formen an. Am zweiten Tag des Christmas-Festivals in Leopardstown, dem Dienstag, stellte sein Stall sechs der sieben Sieger der Karte! Darunter die beiden Gr.I Prüfungen, mit Blue Lord und vor allem Facile Vega. Dessen Sieg in der 2m-(3200m) Future Champions Novices´ Hurdle war ein weiterer Meilenstein des jungen Wallachs auf dem Weg, eben ein Champion zu werden. Der Walk in the Park-Sohn kam bereits mit gewaltigen Vorschusslorbeeren auf die Welt; wie gut, dass Pferde nicht lesen können. Als Sohn der Cheltenham-Legende Quevega hätte sich der 6j. keine bessere Abstammung schreiben können; dass er seit sechs Rennen ungeschlagen und überlegen von Sieg zu Sieg eilt, ist für seine Besitzer, die auch seine Züchter sind und in deren Farben bereits Quevega ebendies auch tat, der Stoff, aus dem die (Rennsport)-Träume sind. Und wenn ein Trainer wie Willie Mullins einem Schützling auf Nachfrage eines irischen Journalisten 11.5 von 10 möglichen Punkten gibt, weiß man, welche Erwartungen auf Facile Vega (facile – englisch für „leicht“, „mühelos“) lasten. Aber Pferde können ja nicht lesen…..

Weitere große Sieger für Mullins waren vor allem Gaillard du Mesnil und State Man, letzterer könnte nach seinem überlegenen Sieg in der Matheson Hurdle (Gr.I, 3200m), in der Mullins die drei Erstplatzierten stellte, vielleicht doch ein Gegner für Constitution Hill sein.

Die anderen irischen Trainer mussten sehen, was für sie übrigblieb. Nicht eben viel, vor allem nicht für Gordon Elliott, Mullins´ hartnäckigsten Gegner im Kampf um die irische Trainer-Krone. Nur drei Rennen konnte sein Cullentra-Stall in Leopardstown gewinnen, darunter aber immerhin die Savills Chase (Gr.I; 4828m) mit Gigginstown House Studs Conflated. Stalljockey Jack Kennedy, mit erst 23 jung an Jahren aber alt an Erfahrung, servierte dem Wallach ein absolutes Traumrennen. Auch wenn das Rennen durch die kurzfristige Abmeldung des amtierenden Gold Cup-Siegers A Plus Tard etwas an Prestige verloren hatte, so machte doch der Ton die Musik. Dem Wallach hatten immer große Hoffnungen gegolten, die er leider nur unregelmäßig einlöst; er ist entweder sehr gut, oder sehr schlecht. In Cheltenham könnte – der Besitzer lässt grüßen - die Ryanair Chase sein Ziel sein. Ein weiterer interessanter Sieger aus dem Cullentra Stall war Gerri Colombe, der am Boxing Day eine Gr.I Novice Chase in Limerick in feiner Manier gewann und nun in sechs Rennen ungeschlagen ist.

In großer Form im Hindernis-Metier agiert auch Aidan O`Briens Sohn Joseph, im Moment wohl der promineste „dual purpose“ Trainer auf der Insel. Tatsächlich hat er vom Vater ein Pferd mit Kaliber eines High Definition übernommen, zeitweilig Mitfavorit für das 2021 Epsom Derby und im letzten Jahr auf höchsten Flach-Level platziert gelaufen. Immer noch Hengst, hat der Galileo-Sohn nun seinen erfolgreichen Einstand auf der Hürdenbahn gegeben; mit einem Pferd seiner Flachklasse strebt man selbstredend auch über Hindernisse Gr.I-Prüfungen an. Auf diesem Level konnte O´Brien mit Home By The Lee die Jack de Bromhead Christmas Hurdle (Gr.I, 4828m) gewinnen, ein weiterer Test auf dem Weg zur Stayers´ Hurdle. In Erinnerung an den im letzten Jahr verstorbenen Sohn von Trainer Henry de Bromhead gelaufen, konnte dessen als Favorit gestarteter Bob Olinger im Rennen nicht in Erscheinung treten.

Doch auch de Bromhead hatte seinen Tag an der Sonne. Die kleine Rennbahn von Tramore trägt am Neujahrstag ein Rennen aus, das Willie Mullins seit Jahren als Aufgalopp für den Cheltenham Gold Cup nutzt; die nun zur Gr.III zählende Savills New Year´s Day Chase. In den letzten vier Jahren triumphierte hier kein Geringerer als Al Boum Photo, immerhin zweifacher Gold Cup-Sieger. Doch in diesem Jahr hatte Mullins das Nachsehen. Nach einem cleveren Ritt konnte de Bromheads Stalljockey Rachael Blackmore Minella Indo zu einem emotionalen Sieg steuern, eben über einen Mullins-Schützling. Auf seiner Heimatbahn wurde de Bromhead, dessen Schicksalsschlag in Irland jedem Fan bekannt ist, frenetisch gefeiert. Für Minella Indo war es der erste Erfolg seit seinem Sieg im 2021 Cheltenham Gold Cup, ein Rennen, welches nun wieder aus seiner Agenda steht.

Catrin Nack

Verwandte Artikel:

Block: Adsense 728 x 90
Google AdSense 728x90