Drucken Redaktion Startseite

NH-Report: Geschichten von Bailey und Khan

Buveur d'Air meldete sich erfolgreich zurück. Foto: Turfpix - Tracy Roberts

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 653 vom Freitag, 29.01.2021

Gruppe - oder Grade1-Sieger, davon können Trainer und Besitzer ein Lied singen, findet man nicht an jeder Ecke. Auch ein Trainer vom Kaliber eines Kim Bailey kann das bestätigen. Immerhin musste er 26 Jahre auf einen Sieg wie am vergangenen Samstag warten.

Zurück in das Jahr 1995: Kim Bailey ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Nicht, dass er es damals so sah. 1990 hatte ihn der Grand National–Sieg von Mr. Frisk mit einem Schlag ins Rampenlicht befördert, es folgte ein Spitzenpferd vom Kaliber eines Docklands Express. Der Doppelschlag beim 1995 Cheltenham Festival – Master Oats gewann den Gold Cup rund 48 Stunden, nachdem Alderbrook seinen bemerkenswerten Erfolg in der Champion Hurdle eingefahren hatte – schien nur eine weitere Station auf dem Weg nach ganz oben. Es kam anders.

Und es ging abwärts, und abwärts; zu privat unruhigen Zeiten kam auch berufliches Pech, seine Trainierbahnen wurden durch Unwetter unterspült, die Siege – und auch die Pferde – wurden rar. Erst ab dem Jahr 2006 begann der langsame Aufstieg zurück an die Spitze seiner Zunft, zunächst mit 26 Pferden. Bailey war – man mag es kaum glauben – lange Zeit tatsächlich der einzige Trainer, der in den Siegerlisten aller genannten drei Monster-Rennen stand; inzwischen haben die Kollegen Mullins und Nicholls gleichgezogen. Kim Bailey könnte sich in schlechterer Gesellschaft befinden.

Am vergangenen Samstag zeigte Bailey nun – unter anderem auf Kosten keines Geringeren als Paul Nicholls -, dass er auch das Siegen in höchster Klasse nicht verlernt hat; you can´t keep a good man down. Nicht, dass Bailey mit diesem Erfolg gerechnet hatte. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre First Flow, der so beständiger Wallach und Seriensieger, „am Freitag in einem Handicap in Doncaster“ gelaufen. Stattdessen legte Jockey David Bass auf dem dunkelbraunen Primary-Sohn in der Gr.1 Clarence House Chase (2m1f) auf der Paradebahn von Ascot einen wahren Husarenritt hin. Seriensieger hin oder her – First Flow hatte sich auf der Handicap-Route nach oben gearbeitet; bei 18 Lebensstarts war dies erst der vierte Auftritt in einem Graded-Rennen, beim einzig vorherigen Versuch in höchster Klasse war er gar angehalten worden.

Nun zeigte der Wallach, seinerzeit für knapp 4.500 Euro als Dreijähriger in die Obhut von Bailey gewechselt, der Elite der britischen Zwei-Meiler seine Hufeisen, zur lohnenden Quote von 14-1. Paul Nicholls´ Politologue musste sich genauso wie Ruth Jeffersons nachgenannter Waiting Patiently oder Philip Hobbs´ Defi de Seuil, der seiner Bestform nach wie vor hinterherläuft, geschlagen geben. Ohne Entschuldigungen. Es waren nicht die Fehler der anderen, die First Flow das Leben leichter machten, sondern sein mutiges und überragendes Springen, unter einem inspirierten David Bass, der seinen Partner in hohem Tempo die Hindernisse attackieren ließ und den als Favoriten angetretenen Schimmel Politologue früh in Schwierigkeiten brachte. „Ich freue mich besonders für Besitzer Tony Solomons“ bekannte Bailey anschließend. „er ist mein langjährigster Besitzer und wäre so gerne hier [Corona]. Er ist seit meiner zweiten Saison als Trainer bei mir und ist nun 92 Jahre, glaube ich. Er ist bemerkenswert loyal und hatte nie einen anderen Trainer.“

Bemerkenswert auch der Erfolg der nun neun Jahre alten Roksana, die die überragende Gesamtform der Skelton-Brüder erneut unterstrich. Trainer Dan und Jockey-Bruder Harry eilen aktuell von Sieg zu Sieg; 80 deren stehen in der laufenden Saison 2020/2021 bereits zu Buche. In der Matchbook Mares´ Hurdle (Gr.2, ca.3m) machte vor allem der Ton die Musik: am Gebiss und augenscheinlich im zweiten Gang ließ die Dubai Destination-Tochter, zuletzt hervorragende Dritte zu Paisley Park und Thyne Hill, einer gewissen Magic of Light nicht den Hauch einer Chance. Letztere war von Trainerin Jessica Harrington immerhin über die irische See geschickt worden und zierte die Siegerliste der letzten zwei Jahre.

Haydock im hohen Norden hatte einige Inspektionen zu überstehen; die Rennbahn war vorsorglich mit Frostschutzplanen abgedeckt worden. Immerhin vier Grade2-Rennen standen auf der Karte, von denen zwei besonders „der Rede wert“ waren. Das Hauptrennen des Tages, die Peter Marsh Chase (Gr.2, 3m1.5f) - eine Traditionsprüfung, in deren Siegerliste hochklassige Pferde incl. einiger Cheltenham Gold Cup -Sieger wiederfinden sind (auch wenn dies zugegebenermaßen schon einige Jahre her ist) - wurde dabei zu einer wahren Demonstration. Die in Irland so bekannten Farben des Ex-Bankers „Rich“ Ricci sind in englischen Ställen (noch) eine Ausnahme, nun hat Trainerin Venetia Williams Trumpf bedient.

Williams, ein alter Hase ihrer Zunft, deren wohlmöglich bestes Pferd Teeton Mill allerdings die Erinnerungen um Jahrzehnte zurückführt, könnte mit dem französisch gezogenen Royale Pagaille wieder einen echten Kracher am Stall haben. Der erst 7j. Blue Bresil-Sohn wechselte Ende 2018 ins Quartier von Williams, die ihn allerdings erst im Januar des vergangenen Jahres erstmalig, und unauffällig, an den Start bringen konnte. Ein Sommer mit Sonne auf seinem Rücken tat Royale Pagaille augenscheinlich gut: mit drei Siegen in der laufenden Saison bisher ungeschlagen, war der Wallach im Vorfeld des Wochenendes mehr als ein Geheimtipp. Erneut machte der Ton die Musik: unter Ersatz-Reiter Tom Scudamore schwebe der Braune förmlich über den sehr schweren Boden, machte kurzen Prozeß mit seinen überforderten Gegnern und canterte als Höchstgewicht mit großen Gewichtsvorgaben einem verblüffend leichten Sieg entgegen. Technisch ein Novice, wurden sofort Rufe nach dem Gold Cup laut. Spannend, wo die Reise hingehen wird.

Ebenso spannend das Debut des zweifachen Champion Hurdle Siegers Buveur d´Air, der aus einer rund 14monatigen Pause kam. Anfang Dezember 2019 hatte sich der hochdekorierte und inzwischen 10j. Wallach, in den bekannten grün-goldenen Farben des Martinstown Stud trainiert von Nicky Henderson, in einem Rennen eine schwere Hufverletzung zugezogen. Auf Haydocks schwerem Boden lief die Generalprobe zur Mission „Rückeroberung der Champion Hurdle-Krone“ nicht ganz nach Plan. Obwohl Buveur d`Air in einen Gr.2-Rennen mehr als günstig im Rennen stand, ging ihm, nach der langen Pause verständlich, auf der Zielgeraden die Puste aus. Henderson konnte dennoch Positives sehen – der Wallach sprang sehr sicher und wischte in bewährt effizienter Manier über die Hürden – und hat besagte Titel“verteidung“ fest im Visier.

Es ist nicht alltäglich, dass ein Flach-Gruppe1-Sieger ins Hürden-Metier wechselt, selbst, wenn das Black Type „nur“ in Deutschland erlaufen wurde. Der ehemals in Deutschland von Henk Grewe trainierte 2018er Preis von Europa-Sieger Khan schreibt somit sein eigenes Kapitel in den Annalen des Rennsports. Schon hierzulande und in Frankreich hatte sich der Santiago-Sohn, nach wie vor Hengst und Ende 2020 für 22.000€ nach England in das kleine Quartier von Milton Harris gewechselt, im sogenannten illegitimen Metier versucht und mehrfach Pech gehat. Ein deutlicher „drop in class“ – Khan trat in einem Class4 Maiden-Hürdenrennen gegen vier Gegner in Plumpton an – brachte nun die Wende und vor allem den ersten Sieg im Hindernisbereich ein. Durch die unstete Wetterlage hatten die Rennen erst mit einiger Verspätung beginnen können, es gab viele Nichtstarter in Khans Rennen, der auch in dieser schwachen Gesellschaft noch 5-1 zahlte und am Vorabend des Rennens (vor Streichung all seiner Gegner) für 66-1 zu wetten war. Langfristig plant man mit ihm noch eine Deckhengskarriere. 

Witterungsbedingt hatte auch die Rennbahn von Thurles seine Rennen verschieben müssen – in diesem Fall gar um einige Tage. Zwei Gr2-Rennen wurden nach nachgeholt.  Die alte Ordnung im irischen Hindernissport stellt sich wieder ein:  Willie Mullins mit Stalljockey Paul Towned hielt die Asse in der Hand, und beide Favoriten – Colreevy in einer Mares´ Novices Chase über 2m4f sowie Cheveley Park Studs Allaho in der Horse&Jockey Chase über die gleiche Distanz - hatten wenig Mühe, überlegene Siege einzufahren. Beide Pferde haben bereiten gute Leistungen in Cheltenham gezeigt, besonders Allaho notiert nun an sehr prominenter Stelle für die Ryanair Chase im März.

Catrin Nack

Verwandte Artikel:

Block: Adsense 728 x 90
Google AdSense 728x90