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NH - Die erste Niederlage von Honeysuckle

Jonbon holt sich in Sandown die Henry VIII Novices' Chase (Gr. I). Foto: courtesy by Tattersalls

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 748 vom Freitag, 09.12.2022

Wie in jedem Jahr nimmt die Hindernissaison auf den Inseln im Dezember spürbar an Fahrt auf. Bis zu den Weihnachtstagen jagt ein Wochenendhighlight das nächste. Ab dem zweiten Weihnachtstag weiß man dann kaum noch, in welche Richtung man gucken soll. Höhepunkt des ersten Dezember-Wochenendes ist alljährig die in Sandown ausgetragene Tingle Creek Chase (Gr.I, ca. 3200m), eine der wahrlich ikonischen Prüfungen Englands. Es ist eine logische Station auf dem Weg zur Queen Mother Champion Chase beim Cheltenham Festival im März; die Siegerliste des Rennens, benannt nach dem gleichnamigen Star-Chaser der 70er Jahre und in dieser Form seit 1979 ausgetragen, enthält die Super-Stars der Sphäre. Wie an dieser Stelle immer wieder betont, sind zwei Meilen die Sprint-Distanz des Hindernissports, kürzer geht es nimmer. Sowohl über Hürden als auch auf der Jagdbahn laufen hier also die „schnellsten“ Pferde, wie auf der Flachen in 1000m-Rennen.

Sandowns Bahn, die ja tatsächlich hochklassige Rennen auf beiden Gebieten abhält, ist anspruchsvoll. Nicht uneben wie Cheltenham, aber mit ausnehmend vielen Hindernissen, die vor allem in der Gegenseite in schnellem Abstand kommen; zudem ist die Zielgerade stark ansteigend. Dies mag ein Grund sein, warum in der Siegerliste der Tingle Creek Chase mit Desert Orchid und Kauto Star nicht nur zwei absolute Kult-Pferde der Szene auftauchen; beide gewannen später in Cheltenham den Gold Cup, die Prüfung für Steher.

Die aktuelle Austragung der Tingle Creek Chase hatte durchaus ihre Reize. Nicky Hendersons Shishkin (Sholokov), englischer Star-2-Meiler und bis März dieses Jahres in der Sphäre praktisch ungeschlagen, wollte sich nach dem Debakel von Cheltenham, wo er als heißer Favorit angehalten werden musste, rehabilitieren. Mit dem von Alan King trainierten Edwardstone (Kayf Tara) gab der Arkle-Sieger der letzten Saison nicht nur sein Jahresdebut; es war somit sein erster Start außerhalb der Novice (Nachwuchs) -Rennen. Insgesamt kamen sechs Pferde an den Ablauf, zwei aus Irland. Das Rennen wurde zu einem Triumph für eben Edwardstone, der unter Tom Cannon aus dem Hintertreffen ein absolut famoses Rennen lief, seine etwas überraschende Niederlage in Aintree im April gegen Gentleman de Mee (Willie Mullins), der als einer der irischen Starter die Rivalität erneuerte, nachdrücklich geradestelle und mit rund neun Längen Vorsprung seinen Gegnern förmlich davonlief. Auf offiziell gut-weicher Bahn kam sein „Stehvermögen“ voll zur Geltung, für Shishkin reichte es ganze 15 Längen zurück gar nur für Platz drei. Dafür hatte sein Trainingsgefährte Jonbon, ein Bruder des Spitzenchasers Douvan, zuvor das Skript gelesen, und die Gr.I Henry VIII Novices´ Chase (ca. 2 Meilen, 3200m) in beeindruckendem Stil gewonnen, er zahlte auch nur knappe 1.2:1. Er schickt sich somit an, in der Arkle Chase 2023 der Nachfolger von eben Edwardstone zu werden.

Aintree´s Becher Renntag ist das letzte Mal, dass Liverpools ikonische Rennbahn vor dem Grand National seine Tore öffnet. Da darf ein Rennen über die berühmt-berüchtigten Reisighecken nicht fehlen. Am dritten Samstag in Folge gelang es den Brüdern Dan und Harry Skelton, eine tragende Prüfung an einem großen Samstags-Renntag zu gewinnen. Pferde, die an diesem Tag laufen (und gewinnen), nennt man im Englischen tatsächlich „Saturday horses“; von denen träumt selbstredend jeder Trainer und Besitzer.

Ashtown Lad, ein achtjähriger Flemensfirth-Sohn, konnte sich in der rund 5227m langen (3m2f) Becher Chase, wie das Grand National nun als Premium Handicap gelaufen, durchsetzen, zur großen Freude seines Jockeys, der sich mit ausgebreiteten Armen über die Ziellinie tragen ließ. Sportlich höherwertig – und letztendlich mit direktem Bezug zum Grand National – war die Gr.II Many Clouds Chase (3m1f, ca. 5000m) über die „normalen“ Jagdsprünge. Mit verblüffender und so nicht zu erwartender Leichtigkeit siegte der siebenjährige Noble Yeats, im April unter dem Sohn seines Besitzers noch 50-1 Schock-Sieger des Grand Nationals. In Irland von Emmet Mullins trainiert und Ende Oktober in einem Listenrennen erfolgreich, zeigte der Wallach hier eine deutliche Steigerung jeder bisherigen Form und lief seinen soliden Gegnern einfach davon. „Er hat sich gerade erinnert, wo er ist“ rief der Kommentator, als Noble Yeats zwischen den beiden letzten Hindernissen den Turbo zündete. Das war Gold Cup – und nicht „nur“ Grand National-Form, und dieses Rennen soll der Wallach, als Yeats-Sohn durchaus auf guten Boden angewiesen, nun ansteuern.

Hochklassiger Sport auch in Irland, in Fairyhouse. Am Sonntag standen hier gleich drei Gr.I-Rennen auf der Karte, vor allem aber das von ihren Fans so sehnsüchtig erwartete Jahresdebut von Honeysuckle. Die Lando- Enkelin, nun achtjährig und vor ihrem letzten Rennwinter stehend, sollte die Hatton´s Grace Hurdle (Gr.I, ca. 4000m) zum vierten Mal in Folge gewinnen. In 16 Starts war die Stute, Liebling der Massen, bis dato ungeschlagen; Applaus brandete auf, als die optisch nicht sonderlich beeindruckende Stute den Führring betrat. Ungeschlagenen Pferden hängt eine besondere Magie an, man denke nur an Frankel oder Baaeed vor dessen letztem Start. Dass der Druck von Start zu Start größer wurde, darüber hatte Trainer Henry de Bromhead vor jedem der letzten Starts der Stute gesprochen. Die überragende Leistung des potentiellen Champion Hurdle–Gegners Constitution Hill vor rund zwei Wochen hatte zusätzlichen Druck auf Honeysuckles nächsten Start gelegt. Und es sollte nicht sein. Beim 17. Lebensstart musste sich die Stute erstmals geschlagen geben.

Hinter Teahupoo (Gordon Elliott, Jockey Jack Kennedy), der lohnende 20-1 zahlte, und Klassical Dream (Willie Mullins, Paul Townend) reichte es gar nur für Platz Drei. Unter großem Jubel hatte Honeysuckle zwei Sprünge vor Schluß die Spitze übernommen, alles schien nach Plan zu laufen. Doch am letzten Sprung konnte die Stute nicht entscheidend zulegen, erschien beinahe müde. Müßig, über mögliche Gründe zu spekulieren: der extrem nasse Boden, vielleicht gar mangelnde Fitness, war es das berühmte „Rennen zuviel“? Pferde sind eben auch nur Menschen. 

Bereits am Vortag hatte, jenseits der Graded-Rennen, ein extrem interessantes Pferd sein Lebensdebut über Hürden gegeben. Der Name: Facile Vega. Der noch 5j. Wallach ist der lebende Beweis, dass manchmal doch alles so einfach ist im Rennsport. Man nehme eine Stute, selber lebende Cheltenham-Legende namens Quevega, decke sie mit einem der interessantesten Hengste der Szene, Walk in the Park. Das daraus resultierende Fohlen gibt vierjährig sein Lebensdebut in einem Bumper (Flachrennen für Hindernispferde) und siegt standesgemäß. Fünf Rennen später ist der Wallach immer noch ungeschlagen; wenn gar Trainer Willie Mullins bekennt, wie sehr er sich auf die Hürdenlaufbahn von Facile Vega freuen würde, sollte die anstehende Saison noch einige Feuerwerke bereithalten. Facile Vega ist selbstredend bereits heißer Favorit für die Supreme Novices´ Hurdle zu Cheltenham. Und wer würde darauf wetten, dass ein Sieg zu viel des Guten wäre?

Catrin Nack

 

 

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