Drucken Redaktion Startseite

Mullins-Festival in Leopardstown

Kemboy holt sich den Irish Gold Cup, für Trainer Willie Mullins war es der 11. Erfolg in diesem Rennen. Foto: Horse Racing Ireland

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 655 vom Freitag, 12.02.2021

Das vergangene Wochenende stand ganz im Zeichen des Dublin Racing Festivals. Seit seiner Schaffung im Jahr 2018 werden die beiden Renntage, an denen zehn Graded-Rennen, davon acht in der höchsten Kategorie, ausgetragen werden, qualitativ immer hochklassiger. Corona „sei Dank“ reiste kein Starter aus England an; ohnehin ist das Festival aber heißes Pflaster für britische Trainer.

Die Rivalität zwischen England und Irland ist lang und intensiv, und beschränkt sich natürlich nicht auf Pferderennen. Einstmals das „Armenhaus“ Europas, ist der Aufstieg auch und vor allem im Bereich des Pferdesports verblüffend und gewaltig. Irische Vollblüter sind die Regel, nicht die Ausnahme, Gestüte wie Coolmore und Besitzer wie JP McManus, Michael O´Leary oder Rich Ricci sucht man – von den arabischen Interessen im Flachrennsport abgesehen - in England vergebens. Rennsportbücher wurden über „them and us“ (Untertitel: The Irish at Cheltenham) geschrieben; und wenn – auch dank tatkräftiger Hilfe der einschlägigen Medien – Cheltenham nach wie vor der Gipfel der Zunft ist, so war sich die Racing Post am Samstag nicht zu schade, zu texten: „Jeder, der Angst hat, dass die Rennen in Irland den Sport in England überschatten könnten, hat in den letzten Jahren nicht aufgepasst“. Deutlicher kann man seine Sorge kaum ausdrücken.

Es waren genau zwei Graded-Rennen, die auf britischem Boden zur Austragung kamen. Sicher, erneut machte das Wetter einigen Rennbahnen einen Strich durch die Rechnung; doch ohne die Verlegung der Rennen aus Cheltenham hätte die Bilanz noch trauriger ausgesehen. Auch der monetäre Vergleich sah an diesem Wochenende für England besonders mau aus. Das britische Hauptrennen, die Scilly Isles Novices´ Chase (Gr.1) war mit insgesamt rund 35.000 Pfund dotiert, ein mehr als schwacher Vergleich mit Dublin, wo die Dotierung der Gr.1 -Rennen zwischen 125.000 bzw. 200.000 Euro lag.

Besagte Scilly Isles Novices´ Chase (Gr,1, 2m4f) bot soliden Sport und mit sieben Startern talentierte Nachwuchs-Jagdpferde; auch wenn Sporting John (Besitzer: JP McManus, Trainer: Philip Hobbs, Jockey: Richard Johnson) als großer Außenseiter gewann. Emotional wurde es, als der inzwischen 11j. Native River in der Cotswold Chase (Gr.2, 3m) die Jahre zurückdrehte und mit einer enormen Energieleistung den Sieg eingaloppierte. Der Wallach, 2018 Sieger im Cheltenham Gold Cup, ist eines dieser wunderbaren Pferde, die jahrein-jahraus den Sport erhellen, immer ihr Bestes geben. Für Vater und Sohn, das Trainerteam Colin und Joe Tizzard war es erst der zweite Sieger seit Ende Dezember 20. Zu einer persönlichen Tragödie kam der gefürchtete „Virus“ (ausnahmsweise ist nicht Corona gemeint!); was hilft besser gegen den „Blues“ als ein Pferd vom Kaliber eines Native River?

Doch – da gibt es kein Wenn und Aber- das DRF überstrahlte all dies. Es wurde das Festival der Herren Willie Mullins, Trainer und Paul Townend, Jockey;  die Rennen eine eindrucksvolle Demonstration ihrer Dominanz der Szene. Neun der fünfzehn Rennen wurden von seinem Stall gewonnen, nur zwei der Gr.1- Rennen entzogen sich seinem Griff.

Neun Siege. Das heißt neun Pferde-Stars. Einige an der Schwelle zum Super-Star. Zwischen all den Siegen – einer leichter als der nächste erlaufen - ist es beinahe unmöglich, den „besten“ zu bestimmen. Besonders wird den Stall sicher der Erfolg von Gaillard du Mesnil in der einleitenden Prüfung des Festivals, einer Gr.1 Novice Hurdle über 2m6f, gefreut haben; wahrte der Sieg in diesem Rennen mit Untertitel „50k Cheltenham Bonus for Stable Staff“ doch eben diesen gewaltigen Zahltag für alle Stallangestellten, sollte Gaillard Du Mesnil irgendein Rennen beim Cheltenham Festival gewinnen. Dies ist Mullins bereits in Jahr 2017 (als das Rennen Teil eines anderen Renntags war) mit der Stute Let´s Dance  gelungen, die dabei keinen Geringeren als einen gewissen Kemboy schlug.

Doch wie zwischen all den anderen Super-Leistungen eine Reihenfolge schaffen? Welches Gr.1-Rennen ist denn nun mehr wert als das andere? Ist der Irish Gold Cup wichtiger als die Arkle Chase, die Dublin Chase, das Pendant zur Champion Chase, mehr wert als die Gr.1 Flogas Novice Chase? Fragen über Fragen, Antwort unmöglich.

Nicht, dass wir Zweifel hätten. Es war und ist mehr als eine Ahnung, dass Willie Mullins einige gute Pferde im Stall hat. Einige mehr, muss es heißen, schließlich brachte er  in den besagten fünfzehn Rennen sage und schreibe 57 (!) Pferde an den Ablauf.  Die Präzision, mit der seine Schützlinge am Wochenende ablieferten, muss andere Trainer in Depressionen stürzen. Chacun Pour Soi, Energumene und der so drückend überlegende Kilcruit waren die weiteren Stars des ersten Tages; Kilcruit, gezogen von Mutter Maureen Mullins und geritten von Sohn Patrick war im doppelten Sinne der krönende Abschluß des Tages. Man sucht nach immer neuen Superlativen, um die Leistungen seiner Schützlinge, gerne mit französischen Wurzeln, zu beschreiben.

Nahtlos ging es am Sonntag weiter: Er sei „das perfekte Pferd, das man in einem Rennen reiten kann“ urteilte Jockey Paul Townend über Monkfish (die englische Bezeichnung für einen Seeteufel). Hohes Lob. Der 7j., irisch gezogene Stowaway-Sohn war schon ein hervorragender Hürdler, nun ist er in drei Jagdrennen ungeschlagen. Erneut hieß einer seiner Gegner Latest Exhibition (Trainer: Paul Nolan, Jockey Brian Cooper). Nolan wird sicherlich mit dem Rennsportgott hadern; nach Jahren der Flaute hat er ein veritables Gruppe-Pferd im Stall, welches nun bei jedem Start auf einen Star wie Monkfish trifft. Selbst Trainer Nicky Henderson bekannte Mitte der Woche, dass ihm bei den Leistungen der irischen Pferde, salopp gesprochen, angst und bange geworden sei.

Ein Gold Cup ist ein Gold Cup ist ein Gold Cup. Ob Cheltenham oder Irland. Nur fünf Pferde trafen in der jüngsten Auflage des Irish Gold Cup (Gr.1, 3m 1/2f) aufeinander, vier hatten nach jeder Vorform Chancen auf den Sieg. Der Fünfte wurde als 20-1 Außenseiter Zweiter, Sieger wurde Kemboy, der nach zuletzt bereits gutem Laufen scheinbar wieder sein volles Können zur Hand hat. Ohne eigenes Verschulden hatte der Wallach in der Vergangenheit ein recht unrühmliches Kapitel im irischen Hindernissport geschrieben: Einstmals in den Farben des Supreme Horseracing Club unterwegs, verursachte dieses Syndikat eine der spektakulärsten Pleiten im Rennsport überhaupt; monatelang durfte die nicht unerhebliche Anzahl der Pferde wegen unbezahlter Trainingsrechnungen nicht an den Start kommen. Auch Kemboy schien in den Mahlstrom dieser Insolvenz zu geraten; nun konnte der 9j. Wallach zuletzt lachen. Sein Sieg über das Gordon Elliott- Duo The Storyteller und Delta Work läßt vor allem Trainer Henry de Bromhead ratlos zurück, dessen Minella Indo nach so erfolgreicher Novice-Saison in der offenen Altersklasse erneut nicht überzeugen konnte.

Dabei gehörte de Bromhead immerhin zu den „anderen“ zwei Trainern, denen es gelang, überhaupt ein Graded-Rennen zu gewinnen. Die von ihm trainierte Honeysuckle (Bot. Geißblatt; als Bachblüte hilfreich, wenn Sie „sehr an der Vergangenheit hängen oder Heimweh haben“) gewann – bereits am Samstag - die Irish Champion Hurdle (Gr.1, 2m) in überragender Manier und notiert nun als Mitfavoritin für das englische Pendant. Die bei 10 Starts noch ungeschlagene Sulamani-Tochter aus der Lando-Stute First Royal ist mit ihrer ständigen Reiterin Rachael Blackmore ein echtes „Dream-Team“. Dies war ihr fünfter Erfolg auf höchster Ebene; auf dem Papier vielleicht sogar ihr stärkster Sieg.

Auch für Trainer Gordon Elliott blieb „nur“ ein Graded Sieg, nur ein Sieg überhaupt. Immerhin 28 seiner Schützlinge waren an den zwei Tagen an den Start gekommen; er hatte sicher von mehr geträumt. Immerhin wahrte sein Quilixios, ein vom Gestüt Fährhof gezogener Maxios-Sohn, mit dem Sieg in der Spring Juvenile Hurdle (Gr.1, 2m) den Traum auf einen Sieg beim Cheltenham Festival. Ziel wäre normalerweise die Triumph Hurdle für 4j. Hürdler; der Favorit dieser Prüfung, Zanahiyr, steht allerdings ebenfalls im Stall von Elliott. Alternative könnte die ehemalige Fred Winter Hurdle sein. Quilixios, nun in den Farben von Cheveley Park Stud unterwegs, kam aus einer Pause, die lt. Elliott aber eher den Umständen (Wetter, Tod des Gestütseigners) denn einer Verletzung geschuldet war. Den Hintergrund Quilixios´ lesen Sie an anderer Stelle; für seinen Vater Maxios natürlich ein weiterer Meilenstein als NH-Beschäler.

Klick zum Video

https://www.youtube.com/watch?v=mFOilhZZxUk&feature=youtu.be

Catrin Nack

 

 

Verwandte Artikel:

Block: Adsense 728 x 90
Google AdSense 728x90