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Luca Cumani - Die Geschichte einer Trainerkarriere

Nach dem Sieg von Falbrav unter Frankie Dettori im Hong Kong Cup 2003, links Luca Cumani. www.galoppfoto.de

Autor: 

Daniel Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 547 vom Freitag, 07.12.2018

Am 22. November ging auf einer kleinen englischen Rennbahn eine große Trainerkarriere zu Ende. Luca Cumani sattelte ausgerechnet auf der Allwetterbahn von Wolverhampton seinen letzten Starter, getreu dem Motto: „Suche für dich selber die beste Gesellschaft, und für dein Pferd die schlechteste“. Der zweite Platz der jungen Stute Swansdown war gut, wird aber den Ansprüchen Cumanis nicht genügt haben.  Ein Rennen also in gewisser Weise als Sinnbild seiner langen, rund 43 Jahre währenden, Trainertätigkeit, in der manch Hoffnung unerfüllt blieb, die wichtigen Siege – und Spitzenpferde – zuletzt ausbleiben. Natürlich werden aber Pferde auch weiterhin sein Leben bestimmen.

Luca Matteo Cumani, Jahrgang 1949, wurde in den italienischen Rennsport-„Adel“  hineingeboren: Mutter Elena war eine erfolgreiche Amateur-Rennreiterin, Vater Sergio dort 10facher Champion-Trainer. Es sollten nur ein paar Probemonate werden, die Luca Mitte der 70er Jahre in Newmarket verbringen wollte – doch er blieb, und der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Nach einer kurzen Ausbildungszeit, die Cumani u.a. bei Henry Cecil absolvierte (der Champion-Trainer war rund 6 Jahre älter) machte sich Cumani 1976 selbstständig, „in Style“: nicht nur war sein erster Sieger tatsächlich ein Gruppe-Sieger im feinen York,  der Kauf der Trainingsanlage Bedford House Stables, inzwischen unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden an Newmarkets „Hauptstraße“ Bury Road, zeigte deutlich, welchen Anspruch Cumani stellte (auch wenn die  Stallungen damals Ruinen ähnelten).

Es waren seine italienischen Verbindungen, die Cumani erste große Erfolge verschafften, Verbindungen, die er teilweise an Cecils Stall geknüpft hatte; ein gewisser Gianfranco Dettori ritt Three Legs, besagten Gruppe-Sieger aus York, und viele seiner frühen Besitzer kamen aus dem Land in Stiefelform. Und Pferde, keines besser als „bull of a horse“ Falbrav, der aus italienischen Besitz – und Training – erst 5jährig im Jahr 2003 zu Cumani kam; und was für ein Jahr sollte es werden. „ Er lief von April bis Dezember und gewann fünf Gruppe 1 Rennen – es hätten sechs sein sollen und sieben werden können – aber sein bestes Rennen war sein letztes, als er im Hong Kong Cup nach Hause canterte“ reflektierte Cumani das Wunderjahr mit einem englischen Rennsportjournalisten.

In der Tat tat Falbrav Dinge, die kaum man so kaum je gesehen hatte: er gewann den Prix d Ispahan im Mai, lief in insgesamt 10 Gruppe 1-Rennen, und wenn er sie nicht gewann, dann nicht ohne Kampf; keiner war schmerzhafter zu betrachten als sein dritter Platz im Breeders' Cup Turf, Falbrav's  Kopf war überall in Front, nur nicht auf der Ziellinie, auf der ihn neben High Chaparral auch der 210:10 Außenseiter Johar abfing. Und er hatte einen großen Kopf.

Wenn Falbrav eine Art Krönung seines Trainerlebens war – Cumani hat ihn immer als bestes Pferd, welches er je trainiert habe, bezeichnet – so hatte es natürlich zuvor Karriere-definierende Pferde gegeben, und das nicht zu knapp: der erste englische klassische Sieger Commanche Run (St. Leger 1984), Tolomeo, Sieger der Arlington Million, und der erste in England trainierte noch dazu. Der erste Derby-Sieger Kahyasi (Englisches + Irisches Derby 1988), aus dem ersten Lot von Jährlingen, welches ihm der Aga Khan schickte. High-Rise, der Epsom-Derby Sieger von 1998, Markofdistinction, One so Wonderful, Only Royale, Arkadian Hero, Alkaseed, Starkraft, Gossamer, Le Vie de Colori; und natürlich Barathea, der große Barathea. Zunächst in den Farben seines Züchters und Besitzers Gerald Leigh – und später in den dunkelroten Rennfarben von Scheich Mohammed – war Barathea ein wahrhaft internationaler Star, kein Seriensieger, aber ein hochklassiges, eisenhartes Rennpferd, dem nichts  geschenkt wurde und der seiner famosen Karriere in der 1994 Breeders' Cup Mile krönte. Unter keinem anderen als Frankie Dettori, der hier – die Antwort auf die Sonntags-Quiz-Frage – als Hommage an sein Vorbild Angel Cordero seinen allerersten „flying dismount“ aufs Parkett legte. „Was machen wir, wenn Du Dir ein Bein brichst?“ „ I don´t care“.

Es waren nicht nur Pferde, die Cumani ausbildete und formte, es waren auch Jockeys und Trainer. Er war, wie es sich unter Italienern von selbst versteht, Frankie´s erste Anlaufstelle, als dieser als Teenager den Sprung aus seinem Heimatland wagte, „er hatte nur Ponies geritten, aber ich konnte sofort sehen, wie die Pferde für ihn arbeiteten, es stand außer Frage, dass er ein Großer werden würde“;  es folgten Jimmy Fortune und Jason Weaver. Er war einer der ersten, der Kieran Fallon nach seiner schweren Verletzung wieder in (gute) Sättel hob, und „natürlich“ hat Andrea Atzeni viele seiner ersten großen Sieger eben für Cumani geritten, Postponed, Second Step oder Afsare seien hier erwähnt.  Noch eindrucksvoller – aber kann man einen Frankie Dettori toppen? -  ist die Liste der Trainer, die bei Cumani begannen, ihr Handwerk zu lernen: Christophe Clement, Chris Wall, Marco Botti, David Simcock, Donald McCain, Ed Walker, Amy Murphy und Jonathan Portman, sowie last and least sein eigener Sohn Matt, dessen Karriere in Australien Fahrt aufnimmt.

Natürlich war Cumanis Karriere nicht nur Eitel Sonnenschein. Die guten Jahre kamen früh und ruhmvoll, die Nackenschläge hart, denen Cumani äußerlich mit stoischer Ruhe begegnete. Sie läuteten den langsamen, aber sicheren Rückgang der großen Sieger sein: Der Verlust der Unterstützung durch Scheich Mohammend, als dieser sich mit Godolphin sozusagen selbstständig machte (kurz nachdem Cumani seine Kapazitäten in Bedford House erweiterte hatte), der schmerzhafte Abzug aller Pferde des Aga Khan, als dieser nach dem Doping-Skandal um Alyisa, der Aberkennung ihres Sieges in den Epsom Oaks und einem langwierigen Gerichtsverfahren,  seine Unterstützung für englische Trainer komplett einstellte (und hier bis heute keine Pferde trainieren lässt). Der Tod von Gerald Leigh, der Cumani zwar nicht in dieser Größenordnung, aber mit einem steten Strom qualitätsvoller Pferde á la Barathea und Gossamer bedachte; „er war nicht nur Besitzer, sondern ein Freund und Mentor, und eine große Hilfe bei meinen Anfängen als Züchter.“ erklärte Cumani seinerzeit.

Bizarr auch die Trennung von  Besitzer Marwan Koukash, live im Fernsehen wurden die unterschiedlichen Meinungen zum Einsatz eines Pferdes in die Welt hinaus getragen. Koukash steht für einen neuen Besitzertyp, der die Noten bezahlt und die damit auch die Musik bestimmen möchte; eine Haltung, die bei Cumani, eng mit seinen Schützlingen verbunden, auf wenig Gegenliebe stieß. Vor kurzem dann der Split mit Postponed–Besitzer Scheich Obaid, „wir haben uns immer zurück gekämpft, aber es ist härter, wenn man eh nur 60 Pferde hat.“

Rund 40 Pferde standen zuletzt in seinen Stallungen, zu wenig, wenn man auf dem gewünscht hohem Niveau mithalten möchte. God Givens Erfolg im italienischen Premio Lydia Tesio (Gr.1) war der erste Sieg auf diesem Level seit 2015, damals gewannen Second Step hierzulande und besagter Postponed (im Übrigen ein Halbbruder von God Given)  die King George VI und Queen Elizabeth Diamond Stakes. Der erste Gruppe1-Erfolg seit 2015, und der letzte  seiner Karriere, in Italien; endlich einmal hatte ein Pferd das Skript gelesen.

Man muss bis ins Jahr 2011 zurückblättern, um mit Presvis´ Sieg in Dubai den zuvor letzten Sieger, monetär einem der wertvollsten der letzten Jahrzehnte, auf höchstem Gruppe-Parkett zu finden. Rund 2.000 Sieger trainierte Cumani in seiner Laufbahn insgesamt, davon ca. 45 auf Gruppe1 Level.  (Manche Quellen sprechen von bis zu 52, das genaue Auszählen ist schwierig, da entsprechende Datenbanken zeitlich nicht so weit zurück reichen).  „Ich vermisse es, große Rennen zu gewinnen“ erklärte Cumani dem englischen Journalisten Marcus Armytage  „und ich vermisse die Aufregung, ein gutes Pferd zu trainieren. Viele Jahre habe ich 'flying machines' trainiert [eine in England gebräuchliche, durchaus respektvolle Umschreibung eines guten Pferdes], aber zuletzt nur Waschmaschinen, oder gar Wäschetrockner, und ich bin kein gelernter Klempner.“

Im Gegenteil: Luca Cumani war, obwohl er sich selber immer als italienischen Immigranten, der englisch spricht, bezeichnet, die Personifizierung des englischen Gentleman. Sein Englisch  - im Gegensatz zu Frankie absolut akzentfrei – ist besser als das manch eines einheimischen Trainers, seine Manieren absolut untadlig, seine Disziplin legendär. In noch keinem Rennstall haben wir so saubere Toiletten wie in Bedford House Stables gesehen, einschließlich des Hinweises (Befehls trifft es besser), vor Betreten des WC´s die Schuhe zu reinigen. „Attention to detail“ ist auch ein Attribut, das die meisten seiner Assistenztrainer mit Cumani verbinden; nichts entging ihm, persönlich kontrollierte er abends jeden Stallinsassen. Er arbeitete hart und verlangte viel, im täglichen Umgang war er nicht immer einfach, auch wenn er in schweren Zeiten loyal hinter seinem Personal stand.

Ehefrau Sara war immer mehr als nur die Frau an seiner Seite, sie war Partner und wertvoller Ratgeber, auch wenn ihre Ratschläge nicht immer gerne angenommen wurden: „Trainiere Du doch, wenn Du es besser weißt“ will nicht nur ein Nachwuchstrainer bei der Morgenarbeit überhört haben.  Zusammen mit Sara hat Cumani vor Jahrzehnten das Fittocks Stud außerhalb von Newmarket aufgebaut, hier wird er nach dem Verkauf von Bedford House Stables, welcher durch die unterschiedliche Lebensplanung seiner Kinder Matt und Francesca notwendig wurde, wohnen – und arbeiten.

Mit Swansdowns´ Start hat sich auch ein Kreis geschlossen. Die Stute, eine Enkelin von Barathea - jede ihre ersten drei Mütter wurde vom Fittocks Stud gezogen und von Cumani trainiert - trug in Wolverhampton eben diese Farben; ein Sieg hätte auf so vielen Ebenen eine besondere Bedeutung gehabt. Mißgeschicke dieser Art können Cumani nicht (mehr) aus der Bahn werfen. „Als ich mich entschloß, aufzuhören, fragte mich Sara, ob ich keine Angst hätte, mich zu langweilen. Das wäre etwas ganz neues, ich habe mich 43 Jahre nicht gelangweilt. Und zum Glück bleibe ich ja in Beschäftigung – wenn auch bei mir selber.“  Fittocks Stud wird weiterhin als Besitzer agieren, gerade hat sich Cumani entschlossen, die eigenen Pferde auf drei etablierte Trainer in Newmarket zu verteilen und keinen seiner ehemaligen Assistenten zu berücksichtigen. Immerhin kann nun der Besitzer Luca Cumani seinen ehemaligen Trainerkollegen das Leben schwer machen. Wie sollte einem da langweilig werden?

Catrin Nack

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