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Das "Krönungsrennen" in Epsom

St Nicholas Abbey unter Joseph O'Brien nach seinem dritten Sieg im Coronation Cup. www.galoppfoto.de - Petr Guth

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Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 770 vom Freitag, 02.06.2023

Der Coronation Cup wurde 1902 in Epsom aus der Taufe gehoben. Die Namensgebung erfolgte anlässlich der in jenem Jahr anstehenden Krönung von König Edward VII., der als ältester Sohn von Königin Victoria seiner Mutter auf den britischen Thron folgte. König Edward VII. gehörte, vergleichbar zu seiner im Vorjahr verstorbenen Urenkelin Elisabeth II., zu denjenigen britischen Monarchen, die ein besonderes Faible für Vollblüter hatten, so dass der britische Turf seiner Krönung freudig entgegensah. Der Coronation Cup war auch in der Folgezeit stets Bestandteil des Derby-Meetings in Epsom und richtete sich an 4jährige und ältere Steher. In der Zeit vor 1902 hatte es in Epsom zeitweilig ein als Epsom Gold Cup betiteltes Rennen gleicher Ausschreibung gegeben, das man als Vorläufer des Coronation Cups ansehen kann, doch durch das höhere Preisgeld ab 1902 war eine Qualitätssteigerung der Starter zu verzeichnen. Seit Einführung des zunächst europäischen Systems der Gruppe-Rennen im Jahr 1972 gehört der Coronation Cup zur sportlich höchstrangigen Kategorie der Gruppe I Rennen.

Bei der Premierenaustragung siegte der 4jährige Hengst Osboch im Besitz von Lord Wolverton, der zu diesem Zeitpunkt der Vice-Chamberlain des königlichen Haushalts und somit eine hochrangige politische Funktion im britischen Parlament innehatte. Osboch hatte in seiner Dreijährigen-Kampagne immerhin mit dem 3. Rang in den englischen 2000 Guineas und dem 2. Rang im Englischen Derby zwei klassische Platzierungen geschafft. Sein Triumph im Coronation Cup, bei dem er u.a. Revanche am Derby-Sieger Volodyovski nahm, markierte seinen Karrierehöhepunkt, weitere große Erfolge sind in den Annalen nicht zu finden. Trainiert wurde der Hengst vom dreifachen britischen Championtrainer Richard Marsh, der in dieser Zeit auch Vollblüter für den amtierenden König Edward VII. auf ihre Rennbahnkarriere vorbereitete. Ein Triumph eines royalen Vollblüters im Coronation Cup gelang in 1902 jedoch nicht, dies ließ noch über 50 Jahre auf sich warten, bis Aureole 1954 für Königin Elisabeth II. in Epsom siegte. Geritten wurde der Premierengewinner Osboch bei seinem Erfolg vom US-Jockey Daniel Aloysius („Danny“) Maher, der nach mehr als 1700 Siegen und dem Gewinn des US-Jockeychampionats nach England gekommen war und sich in dieser Zeit im britischen Turf zu etablieren begann. In der Folgezeit gelangen ihm mehr als 1400 Siege in England, die auch zu zwei Jockeychampionaten führten, doch endete seine Karriere früh, da er mit 35 Jahren an Tuberkulose starb.

In der Folgezeit trugen sich etliche Cracks der britischen Vollblutszene in die Siegerliste der Prüfung ein. Die famose britische Stute Pretty Polly, die sowohl auf der Rennbahn dank ihrer eindrucksvollen Siegesserie (22 Erfolge bei 24 Starts) als auch in ihrer späteren Gestütskarriere als Begründerin einer über ihre Töchter höchst erfolgreichen Familie von sich reden machte, gewann in der Anfangsphase des Coronation Cups sogar zwei aufeinander folgende Austragungen. Auch zwei weitere Stuten, die aus dem Vollblutimperium des Aga Khans stammende Petite Etoile, die bei beiden Triumphen Anfang der 60er Jahre von Lester Piggott geritten wurde, und die neunfache Gr. I Siegerin Triptych („the iron lady“), zum Zeitpunkt ihrer Epsom-Erfolge Mitte der 80er Jahre in Frankreich von Patrick Biancone trainiert, finden sich als Doppelsiegerinnen in den Annalen. Bei den Hengsten waren es The White Knight und Warrsan, denen das Kunststück eines zweifachen Triumphs in aufeinander folgenden Austragungen gelang. Während The White Knight, der sowohl 1907 als auch 1908 das heutzutage ungewöhnliche Double aus Coronation Cup und Ascot Gold Cup Erfolg schaffte, hierzulande weitgehend unbekannt sein dürfte, ist der von Clive Brittain trainierte Warrsan, Doppelsieger der Jahre 2003 und 2004, den deutschen Turf-Fans durch seine beiden Siege im Großen Preis von Baden 2004 und 2005 noch bestens in Erinnerung.

Nur ein Vollblüter findet sich dagegen gleich dreimal in der Siegerliste: Der von Aidan O’Brien trainierte St. Nicholas Abbey dominierte von 2011 bis 2013 den Coronation Cup nach Belieben. Sein Trainer ist es auch, der mit insgesamt acht Siegen, zuletzt 2017 durch Highland Reel, als erfolgreichster Trainer dieser Prüfung firmiert. Bei den Jockeys gebührt diese Bezeichnung dem vor einem Jahr verstorbenen Lester Piggott, dessen neun Siege zwischen 1953 und 1983 so schnell von keinem anderen Jockey erreicht werden sollten. Selbst ein Frankie Dettori kann in seiner langen Karriere „nur“ auf fünf Erfolge, zuletzte 2017 mit Cracksman, verweisen.

Deutsche Starter im Coronation Cup waren in der Vergangenheit eine Seltenheit. Einzig Gestüt Ammerlands Boreal, wie Tünnes von Peter Schiergen trainiert, konnte sich 2002 mit Kieren Fallon im Sattel als Sieger in die Annalen eintragen. Der Sieg des deutschen Derby-Siegers fiel dabei sehr leicht aus, dreieinhalb Längen betrug der Vorsprung auf die Konkurrenten im Ziel. Drei andere deutsche Derby-Sieger scheiterten bei ihren Versuchen auf den Epsom Downs. So musste sich Gestüt Fährhofs Acatenango im Jahr 1987 und, als bislang letzter deutscher Vertreter, Gestüt Röttgens Windstoß in 2018 jeweils mit Rang 3 begnügen. Noch schlechter schnitt Stall Hanses Mondrian, allerdings für Paul Cole, als Letztplatzierter in 1990 ab. Auch zwei deutsche Nicht-Derby-Sieger versuchten sich erfolglos im Coronation Cup: Monsun kam 1994 auf unpassend abgetrocknetem Geläuf nur auf Rang 6, der Schiergen-Vertreter Empoli endete 2014 auf Rang 4.

Nicht zu den deutschen Coronation Cup Erfolgen darf der Triumph von Baron von Ullmanns Shirocco im Jahr 2006 gerechnet werden. Der Monsun-Sohn, neben In The Wings, Daylami, St. Nicholas Abbey und Highland Reel einer der fünf Coronation Cup Sieger, denen das Double aus Coronation Cup und Breeders‘ Cup Turf glückte, wurde zum Zeitpunkt seines Erfolgs von Andre Fabre trainiert und gilt somit als französischer Sieg, dem bislang letzten von insgesamt sechs Erfolgen von Andre Fabre, der insbesondere in den 90er Jahren (zwischen 1994 und 1996 dreimal in Folge siegreich) besonderen Gefallen an dieser Prüfung hatte, in den letzten Jahren jedoch keine Starter mehr über den Kanal geschickt hat.

Auch andere französische Vertreter finden sich in der Siegerliste der Prüfung. Als erster Franzose trug sich Marcel Boussacs Ardan, der das französische Derby und den Arc sowie zahlreiche weitere Spitzenprüfungen des französischen Turfs gewonnen hatte, 1946 in die Annalen ein. In der frühen Nachkriegszeit folgten seinem Beispiel zahlreiche Nachahmer, so dass zwischen 1946 und 1957 insgesamt sieben Mal der Sieg über den Ärmelkanal entführt wurde. Der letzte französische Erfolg im Coronation Cup datiert aus 2014, als der zu diesem Zeitpunkt achtjährige Cirrus des Aigles aus dem Quartier von Corinne Barande-Barbe sich als ältester Galopper in die Siegesannalen eintrug. Gleichzeitig markierte sein Sieg den zweiten Erfolg (bei bislang 117 Austragungen) eines von einer Frau trainierten Vollblüters im Coronation Cup. Vor Corinne Barande-Barbe findet sich nur die Britin Anne Elizabeth Cowdrey, besser bekannt als Lady Herries (of Terregles), in der Liste der in diesem Rennen siegreichen Trainer*innen. Lady Herries trainierte den Sieger des Jahres 1989, Sheriff’s Star, der sich im Folgejahr bei seinem finalen Karrierestart auch im Kölner Preis von Europa versuchte und als Dritter hinter Ibn Bey und Mondrian endete, für ihre Mutter, die Herzogin von Norfolk.

Einen dritten Erfolg für eine Trainerin im Coronation Cup wird es mangels Starter auch in 2023 nicht geben, auch eine Steigerung der französischen Erfolgszahl ist ausgeschlossen, doch ein deutscher Sieg liegt zumindest im Bereich des Möglichen. Im bei der Starterangabe auf fünf Kandidaten geschrumpften Minifeld des diesjährigen Coronation Cups befindet sich mit dem von Peter Schiergen vorbereiteten Tünnes ein deutscher Vertreter.

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