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Das kleine Jubiläum des Ratibor-Rennens

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Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 492 vom Donnerstag, 02.11.2017

Wenn sich am Sonntag ein sechsköpfiges Starterfeld auf der Krefelder Rennbahn einfindet, um im Großen Preis des Weingutes Lucashof - Herzog von Ratibor-Rennen (Gr. III) die letzte bedeutende Zweijährigen-Prüfung dieser Turf-Saison zu entscheiden, dann ist es die 10. Auflage des Ratibors-Rennen als Gruppe-Prüfung. Keine lange Zeit im Turf, doch reicht die Geschichte dieses Traditionsrennens viel weiter bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Wir nehmen das kleine Gruppe-Jubiläum an diesem Sonntag zum Anlass, uns mit der 141jährigen Geschichte des Rennens auseinanderzusetzen.

Erstmalig wurde die ausschließlich zweijährigen Vollblütern vorbehaltene Prüfung im September 1876 auf der Rennbahn in Hoppegarten ausgetragen. Die Premiere, damals noch unter dem Renntitel Deutscher Gestüts-Preis über 1200m gelaufen, gewann ein Graditzer Hengst namens Berggeist, der keine weiteren Spuren in den auf der Webseite www.galopp-sieger.de verzeichneten Turf-Annalen hinterließ. Schon im Folgejahr trug sich mit Freiherr von Tschirschkys Lateran ein Hengst von ganz anderem Kaliber in die Ratibor-Siegerliste ein. Lateran gewann als Dreijähriger mit dem als Henckel-Rennen gelaufenen deutschen 2000 Guineas ein klassisches Rennen und platzierte sich im Union-Rennen und Derby. Der erste Ratibor-Sieger, der einen Derby-Erfolg landen konnte, war Graf Tschirschky-Renards Trachenberg, der 1881 das Ratibor-Rennen gewann und 1882 zunächst den klassischen Erfolg im Henckel-Rennen und anschließend den Derby-Sieg errang. Im Derby hatte es zunächst totes Rennen zwischen ihm und dem aus der österreichischen Donaumonarchie entsandten Taurus gegeben, doch den 90 Minuten nach dem ersten Derbylauf angesetzten Entscheidungslauf gewann Trachenberg klar.

Der Derby-Erfolg eines Ratibor-Siegers blieb keine Eintagsfliege. Fünfzehnmal konnten sich Ratibor-Gewinner in die Siegerliste des Deutschen Derbys eintragen. Davon fallen allerdings nur die drei Derby-Siege von Orsini (Ratibor-Sieger 1956), Lagunas (Ratibor-Sieger 1983) und Pastorius (Ratibor-Sieger 2011) in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und damit in die Krefelder Phase des Ratibor-Rennens. Hoppegarten war – mit Unterbrechung in der Zeit von 1918 bis 1924, als die Prüfung in Berlin-Grunewald gelaufen wurde – von Beginn bis zum Jahr 1944 Austragungsort für das Ratibor-Rennen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs fand 1947 die erste Nachkriegs-Auflage der Prüfung in Westdeutschland auf der Mülheimer Rennbahn statt. 1948 veranstaltete der Dortmunder Rennverein das Traditionsrennen, bevor Krefeld zur neuen Heimat wurde und seit 1949 das Ratibor-Rennen veranstaltet. Einzig im Jahr 1994, als der Fährhofer Fliegerkönig Macanal zum Ratibor-Sieger avancierte, musste das Rennen einmalig nach Köln verlegt werden, da auf der Krefelder Rennbahn Umbauarbeiten realisiert wurden.

Die beste Bilanz weisen Ratibor-Sieger in den klassischen Dreijährigen-Prüfungen nicht im Derby auf, sondern in den deutschen 2000 Guineas. Der Meilenklassiker wurde insgesamt 27mal von einem im Ratibor-Rennen erfolgreichen Vollblüter gewonnen. Hierbei datiert sogar die Mehrzahl dieser Siege aus der Nachkriegszeit und nicht aus der Hoppegartener Phase des Rennens. Zuletzt war es Gestüt Park Wiedingens Precious Boy, der 2007 dem Ratibor-Triumph im Folgejahr den Volltreffer im deutschen Meilenklassiker folgen ließ. Auch weitere herausragende klassische Sieger, die nicht das Stehvermögen für das Derby besaßen und ihre Bestleistungen auf kürzeren Distanzen zeigten, finden sich in dieser Liste wie Karl-Heinz Münchows Hitchcock (Ratibor-Sieger 1968), Gestüt Zoppenbroichs Kronenkranich (Ratibor-Sieger 1974), Gestüt Föhrhofs Lirung (Ratibor-Sieger 1984) und Gerda Portens Alkalde (Ratibor-Sieger 1987).

Aus heutiger Sicht erstaunliche zehnmal konnten sich Ratibor-Sieger auch in die Siegerliste des Deutschen St. Legers eintragen. Darunter befindet sich mit Gestüt Schlenderhans Lombard (Ratibor-Sieger 1969) auch einer der zu den besten Nachkriegsgaloppern zählenden Vertretern der deutschen Vollblutzucht, der neben dem Erfolg im St. Leger auch die deutschen 2000 Guineas und zahlreiche weitere Top-Prüfungen des Turfs gewinnen konnte, jedoch im Derby nach einem kräftezehrenden Fehlstart seinem Stallgefährten Alpenkönig unterlag. Auch wenn insgesamt fünf der zehn St. Leger Siege von Ratibor-Gewinnern in die Nachkriegszeit fielen, so ist Gestüt Röttgens Wauthi 1979 bereits der letzte dieser Liste. Mit dem Niedergang der Attraktivität des St. Legers wurde der Start eines Ratibor-Siegers in den letzten Jahrzehnten zur Rarität.

Stuten waren im Ratibor-Rennen zwar stets startberechtigt, spielten quantitativ in den Starterfeldern jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Dennoch verzeichnen die Annalen insgesamt 26 Stutensiege bei den bis dato 138 Auflagen des Ratibor-Rennens. Siebenmal gelang den Ratibor-Siegerinnen im Folgejahr auch ein Erfolg im Stutenklassiker auf der Meile, den deutschen 1000 Guineas, und dreimal im Stuten-Derby, dem Preis der Diana, doch spielten etliche Ratibor-Siegerinnen auch in den klassischen Rennen gegen die Hengste eine gewichtige Rolle. Eine besonders herausragende Ratibor-Siegerin war Contessa Maddalena, die 1927 als Zweijährige neben dem Ratibor-Rennen auch das Badener Zukunfts-Rennen und den Preis des Winterfavoriten an ihre Fahnen heften konnte, bevor sie im nächsten Jahr zum Klassiker-Doppelschlag in den beiden Meilenklassikern des deutschen Turfs ausholte. Auch die Erlenhoferin Nereide darf nicht unerwähnt bleiben, ließ sie doch ihrem Ratibor-Erfolg im Jahr 1935 anschließend sogar drei klassische Erfolge in den deutschen 1000 Guineas, dem Derby und dem Preis der Diana folgen. Doppelte klassische Siegerin wurde auch ihre Erlenhofer Zucht- und Trainingsgefährtin Iniga Isolani im Folgejahr, als die Graf Isolani-Tochter die beiden Meilenklassiker gewann, sich im Derby jedoch mit Rang 3 begnügen musste. Auch der Schlenderhanerin Aubergine, die 1948 die einzige in Dortmund gelaufene Ratibor-Auflage gewann, waren zwei klassische Triumphe in den deutschen 2000 Guineas und dem St. Leger, wo sie ihrer Zucht- und Stallgefährtin Asterblüte das Nachsehen gab und somit Revanche für ihre Niederlage im Derby übte, vergönnt. Zu zweifachem klassischen Lorbeer kamen auch Gestüt Röslers Ratibor-Siegerin Liebeslied, die 1956 die deutschen 1000 Guineas und den Preis der Diana gewann, und Gestüt Röttgens Santa Cruz, die nach ihrem Ratibor-Sieg 1960 in beiden Meilenklassikern siegte. In den letzten 30 Jahren sind Stutensiege im Ratibor-Rennen zur Seltenheit geworden, nach der 76er Ratibor-Siegerin La Dorada aus dem Gestüt Fährhof sorgte nur noch die von Uwe Ostmann an den Start gebrachte Sound of Silence im Jahr 1989 für einen Stutenerfolg in Krefeld.

Insgesamt verzeichnete das Ratibor-Rennen vom Ende der 80er Jahre an einen spürbaren Qualitätsverlust. In den 90er Jahren war es allein Stall Granums Kornado, der nach seinem Ratibor-Erfolg im Jahr 1992 in der Folgezeit zum klassischen Sieger in den deutschen 2000 Guineas und mehrfachen Gruppe 1 Triumphator aufstieg, andere Sieger dieser Phase waren nicht annähernd von vergleichbarem Kaliber. Die Landschaft der Youngster-Rennen im deutschen Turf hatte sich gravierend verändert, die sportliche und finanzielle Attraktivität des Rennens hatte gelitten. Die Prüfung hatte 1993 ihren vorherigen Status als Listenrennen verloren und war zum Nationalen Listenrennen degradiert worden. Finanziell gab es in Form der neugeschaffenen Auktionsrennen zahlreiche Alternativen, so dass die Konkurrenzsituation in Verbindung mit der abnehmenden Bereitschaft der Trainer, Zweijährige in ihrer ersten Saison mehr als zwei- bis maximal dreimal an den Start zu bringen, zu sehr übersichtlichen Starterfeldern führte.

Erst 2003 erlangte das Ratibor-Rennen die Einstufung als Listenrennen zurück, an der Konkurrenzsituation hatte sich dadurch allerdings nur wenig geändert. Als die Renndistanz des Badener Zukunftsrennens im Jahr 2006 von 1200m auf 1400m angehoben wurde, hatte dies auch indirekte Auswirkungen auf das Ratibor-Rennen, stellten doch die dort ebenfalls geforderten 1400m nunmehr weder eine Alternative zum Zukunftsrennen dar noch passten sie in einen kontinuierlichen Aufbau in Richtung Meilendistanz für den Kölner Winterfavoriten. Man entschloss sich zu einer Neuordnung des Terminkalenders der tragenden Zweijährigen-Prüfungen des deutschen Turfs. Das Ratibor-Rennen wechselte von seinem angestammten Platz im September ganz an das Ende der Zweijährigen-Kampagne in den beginnenden November. Verbunden mit der Terminänderung war auch ein Wechsel der Renndistanz. War das Ratibor-Rennen in den ersten 30 Jahren der Hoppegartener Zeit auf der 1200m-Distanz ausgetragen worden, so hatte es danach stets seinen Platz im Rennkalender als 1400m-Prüfung gehabt. Im November nach dem zuvor über 1600m gelaufenen Winterfavoriten wieder auf eine um 200m kürzere Renndistanz zurückzukehren, erschien jedoch unlogisch, so dass die neue Ratibor-Distanz auf 1700m festgesetzt wurde.

Am 9. November 2008 wurde das erste Ratibor-Rennen unter den neuen Rahmenbedingungen dann erstmals als Gruppe III Prüfung ausgetragen. Der sportliche Wert erfuhr damit eine deutliche Aufwertung, verfügt der deutsche Rennkalender doch nur über vier Gruppe-Rennen für den jüngsten Jahrgang. Der Lokalmatador Peligroso aus dem Krefelder Hofer-Stall konnte sich als erster Gruppe-Sieger des Ratibor-Rennens in die Annalen eintragen. Er wurde nach dem Rennen ins Ausland verkauft und konnte in den neuen Godolphin-Farben keine Großtaten mehr vollbringen. Mit dem Sieger des folgenden Jahres, Gestüt Ittlingens Neatico, kam immerhin ein späterer Gruppe I Sieger im Ratibor-Rennen zum Zuge. Auch der Sieger des Jahres 2011, der spätere Derby-Sieger und mehrfache Gruppe I Triumphator Pastorius, tat dem Rating des Ratibor-Rennens gut. Doch gab es in der ersten Dekade im neuen Gewand neben Peligroso auch weitere sportliche Ausfälle unter den Ratibor-Siegern. Weder Los Cerritos (Ratibor-Sieger 2014) noch Parthenius (Ratibor-Sieger 2015) konnten den Erfolg im Ratibor-Rennen im weiteren Verlauf ihrer Karriere auch nur annähernd bestätigen. Alle weiteren Ratibor-Gruppe-Sieger konnten mindestens ein weiteres Gruppe-Rennen in ihrer Laufbahn gewinnen, auch wenn sich höhere Ambitionen wie Erfolge in klassischen Prüfungen oder Gruppe I Rennen nicht verwirklichen ließen. Bei Gereon (Ratibor-Sieger 2010) und Nordico (Ratibor-Sieger 2013) fehlte allerdings nicht viel, beide landeten im klassischen Mehl-Mülhens-Rennen auf Rang 2. Der letztjährige Ratibor-Sieger Colomano, in diesem Jahr im Union-Rennen erfolgreich und auf Gruppe I Parkett in Baden-Baden platziert, kann genau ein Jahr nach seinem Erfolg an gleicher Stelle bei seinem Start im Großer Preis von Rondo Food - Niederrhein-Pokal (Gr. III), dem letzten Gruppe-Rennen der diesjährigen deutschen Turf-Saison am Sonntag in Krefeld, seinem Rennrekord einen weiteren Gruppe-Erfolg hinzufügen, sofern er seiner Favoritenstellung im sechsköpfigen Aufgebot gerecht wird.

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