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Klassische Doppelerfolge in derselben Saison – Die illustre Gruppe der erfolgreichen Jockeys – Eine Zeitreise von Geza Janek bis Mark Rimmer

Bad in der Menge: James Doyle auf Coroebus nach dem Sieg in den 2000 Guineas. www.galoppfoto.de - JJ Clark

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Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 722 vom Freitag, 10.06.2022

Ein klassisches Rennen zu gewinnen, ist das Ziel eines jeden Jockeys. Zwar dürfte der Derby-Sieg bei Turf-Aktiven am höchsten im Kurs stehen, doch auch ein Erfolg in einem der beiden Meilen-Klassiker für Dreijährige, die international allgemein als 1000 Guineas (Stuten) und 2000 Guineas (Hengste) bezeichnet werden, auch wenn die Renntitel in den verschiedenen Turf-Nationen davon abweichen, gehört zu den besonderen Momenten in einem Jockey-Leben. Wenn derselbe Jockey in einem Jahr in beiden Klassikern siegreich ist, dann ist dies ein historisches Ereignis.

James Doyle, der zweite Mann am Godolphin-Stall von Charlie Appleby, konnte beim diesjährigen Guineas-Meeting in Newmarket vor einigen Wochen unerwartet diesen historischen Moment durch seinen Doppelerfolg mit Coroebus in den 2000 Guineas und Cachet in den 1000 Guineas genießen. Die britischen Turf-Medien feierten ihn gebührend und ließen es sich dabei nicht nehmen, darauf hinzuweisen, was für ein seltenes Ereignis ein Guineas-Doppelerfolg für einen Jockey im britischen Turf ist. Doyle war in der langen britischen Turf-Historie erst der fünfte Jockey, dem dieses Kunststück gelang.

Da in England – wie auch in Frankreich und Irland - diese beiden klassischen Rennen traditionell am selben Wochenende auf derselben Rennbahn gelaufen werden, ist ein solcher Doppelerfolg für jedermann offensichtlich. In Deutschland hingegen, wo die beiden klassischen Rennen mit einigem zeitlichen Abstand, in der Zeit seit dem 2. Weltkrieg sogar auf verschiedenen Rennbahnen, gelaufen werden und die Zeitspanne, in der die beiden Klassiker ausgetragen werden, nur halb so lang wie in England ist, sollte es eigentlich unwahrscheinlicher sein, dass vielen Jockeys ein solcher Coup gelungen ist. Wir wollten es jedoch genauer wissen und haben die Turf-Annalen mit Hilfe der Datenbank auf www.galopp-sieger.de durchforstet und ein überraschendes Ergebnis zu Tage gefördert. Im deutschen Turf finden sich zehn Jockeys, die jeweils einmal einen Doppelerfolg in beiden Meilenklassikern eines Jahres feiern konnten.

Den Anfang machte in 1919 – und damit zum frühestmöglichen Zeitpunkt, da dies das Premierenjahr eines klassischen Rennens auf der Meilendistanz für 3jährige Stuten war - der aus Ungarn stammende Geza Janek. Janeks reiterliche Talente waren bereits früh in seiner ungarischen Heimat aufgefallen, als er als Lehrling am Stall des Grafen Tassilo Festetics frühe Erfolge feiern konnte. Er wurde vom englischen Trainer Willie Waugh nach Newmarket eingeladen und akzeptierte dessen Angebot, seine Lehre dort fortzusetzen. In seiner Zeit in England gelangen ihm zwar etliche Siege, doch der richtige Durchbruch blieb aus, so dass der junge Ungar nach Österreich wechselte und dort eine erfolgreiche Zeit, u.a. mit zwei Derby-Siegen, verbrachte, bevor er ab 1912 auch im deutschen Turf für Furore sorgte.

Im Deutschen Derby blieb ihm zwar der Sieg versagt, doch sechsmal landete er in der Zeit zwischen 1912 und 1922 auf dem undankbaren zweiten Platz. Bei der Erstaustragung des Meilenklassikers für Stuten im Jahr 1919, damals als Kisasszony-Rennen in Berlin-Grunewald gelaufen, gewann er mit der Dark Ronald-Tochter Tulipan aus dem Haniel-Stall eine Kampfpartie. Mit der Stute, die als Zweijährige sogar die Hengste im Winterfavoriten bezwungen hatte, triumphierte Janek auch im Preis der Diana und dem Deutschen Stutenpreis, der damals deutlich höher dotiert war als die klassischen Prüfungen. Im gleichen Jahr blieb er auch im schon seit 1871 existierenden Meilenklassiker für Dreijährige, in 1919 ebenfalls in Berlin-Grunewald unter dem Renntitel Henckel-Rennen gelaufen, mit dem ebenfalls von Dark Ronald stammenden Hengst Eckstein aus der Haniel-Zucht siegreich und komplettierte damit das klassische Doppel. Trotz vieler Erfolge im Rennsattel verlief das spätere Leben von Geza Janek tragisch, er beging durch einen Sprung aus einem Hotelfenster im Alter von 44 Jahren Selbstmord.

In der Folgezeit zwischen den beiden Weltkriegen waren Doppelerfolge eines Jockeys in Kisasszony-Rennen und Henckel-Rennen, die beide ab 1923 auf der Hoppegartener Rennbahn gelaufen wurden, nichts Ungewöhnliches. Fünfmal gab es in dieser Zeit den „klassischen Doppelschlag“. 1926 trug sich mit Otto Schmidt der herausragende und populärste deutsche Jockey der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts in die Doppelsieger-Liste ein. Mit Faustina gewann der 14fache deutsche Championjockey den Stutenklassiker, mit Aurelius das Hengste-Pendant, beide Dreijährige wurden von Rudolf Linke für die Brüder Arthur und Carl von Weinberg trainiert.  

Nur zwei Jahre später war es Ernst Grabsch, immerhin vierfacher deutscher Championjockey mit vier Derby-Erfolgen, doch als Zeitgenosse von Otto Schmidt in dessen Schatten stehend, der in beiden deutschen Meilenklassikern der siegreiche Jockey war. Das Besondere an diesem Doppelerfolg, der in dieser Form nur in Deutschland und nicht in den großen Turf-Nationen England, Irland oder Frankreich möglich war, bestand darin, dass Grabsch beide Siege mit demselben Pferd gelangen. Die aus der Haniel-Zucht stammende famose Stute Contessa Maddalena, die schon als Zweijährige in Zukunfts- und Ratibor-Rennen sowie im Preis des Winterfavoriten gegen die Hengste gewonnen hatte, setzte sich nicht nur im Stutenklassiker durch, sondern zeigte den männlichen Konkurrenten auch im Henckel-Rennen, in dem Stuten prinzipiell startberechtigt sind, jedoch eher selten antreten, die Hufe.

Diese durch die Ausschreibung und die zeitliche Platzierung des Henckel-Rennens geschaffene Möglichkeit für eine herausragende Stute, beide Meilenklassiker des deutschen Turfs an ihre Fahnen zu heften, nutzte drei Jahre nach Contessa Maddalena auch die Graditzerin Sichel, die später mit dem Preis der Diana sogar noch ein weiteres klassisches Rennen gewann. Die von Robert Utting trainierte klassische Triple-Siegerin verschaffte ihrem ständigen Jockey Erich Böhlke damit auch den Eintrag in unsere Liste der klassischen Doppelsieger in einer Saison.

Im Jahr 1935 schaffte Willi Printen, in dieser Phase der dominierende Jockey auf deutschen Rennbahnen, dem drei Jockeychampionate in Folge glückten, den klassischen Doppelerfolg mit zwei von George Arnull für den Stall Oppenheim trainierten Dreijährigen besonderer Güte. Im Stutenklassiker siegte Printen mit der Oleander-Tochter Dornrose, die später auch den Preis der Diana gewann. Im Henckel-Rennen war es der Oleander-Sohn Sturmvogel, später in der Saison noch im Union-Rennen, im Derby und dem Großen Preis von Berlin siegreich, der ihn zum Erfolg trug.

Als letzter Jockey in der Zwischenkriegszeit konnte sich 1937 Kurt Narr in die Annalen eintragen. Auch er profitierte von der deutschen Besonderheit, dass eine Stute in beiden Meilenklassikern an den Start gehen kann. Auch wenn die Graf Isolani-Tochter Iniga Isolani, die Adrian von Borcke für das Gestüt Erlenhof trainierte, auf der Rennbahn nicht das Format einer Contessa Maddalena und einer Sichel besaß, so ist ihr klassischer Doppelerfolg eine bemerkenswerte Leistung. Für Kurt Narr dürfte das Jahr 1937 in seiner 40jährigen Jockeykarriere, in der er zwar nie ein Jockeychampionat oder einen deutschen Derby-Sieg, aber mehr als 1000 Siege im Sattel feiern konnte, ein besonderes Jahr gewesen sein.

In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg wird die Liste der Doppelsieger in den deutschen Meilenklassikern dünner. Nur noch vier Jockeys konnten sich einen Eintrag sichern. Kurz nach dem Neubeginn eines geordneten deutschen Rennbetriebs war es 1947 die Turf-Legende Hein Bollow, die zum klassischen Doppelschlag ausholte. Den Stutenklassiker, nunmehr als Schwarzgold-Rennen auf dem Düsseldorfer Grafenberg gelaufen, sicherte er sich überlegen mit der von George Arnull trainierten Asterblüte, der Namengeberin des von Peter Schiergen auf der Kölner Rennbahn betriebenen Trainingsquartiers, in dem Hein Bollow als Turf-Rentner bis zu seinem Tod vor zwei Jahren ein regelmäßiger Gast bei der Morgenarbeit war. Asterblüte hatte sicherlich das Format, um auch den zweiten Meilenklassiker zu gewinnen, doch ging man mit ihr eine andere Route, die sie anschließend zur Siegerin im Preis der Daina, dem Union-Rennen und dem Derby avancieren ließ. Doch verhinderte dies nicht Bollows Doppelerfolg in den Meilenklassikern, für den sorgte mit der Schlenderhanerin Aubergine sogar ebenfalls eine Stute bei der einzigen Austragung des Henckel-Rennens auf der Dortmunder Rennbahn.

Nach Hein Bollow entstand die erste größere zeitliche Lücke in unserer Liste, es dauerte 27 Jahre bis sich mit Joan Pall erneut ein Jockey in beiden Meilenklassikern des deutschen Turfs durchsetzen konnte. Der aus Rumänien stammende Pall feierte in seiner Jockeykarriere in Deutschland viele große Siege, darunter auch zwei Derby-Erfolge. In seine Zeit als Stalljockey am Quartier von Abonnementchampiontrainer Heinz Jentzsch fällt sein klassischer Doppelsieg mit Gestüt Webelsgrunds Licata im Düsseldorfer Schwarzgold-Rennen der Stuten und Gestüt Schlenderhans Swazi im Gelsenkirchener Henckel-Rennen.

Handelte es sich bei allen bislang erwähnten Erfolgsjockeys um bereits Verstorbene, so erfreut sich der im Jahr 1982 in beiden klassischen Rennen auf Meilendistanz siegreiche Jockey auch heute noch bester Gesundheit. Der damals 23jährige Georg Bocskai, insgesamt vierfacher deutscher Championjockey, triumphierte mit Gestüt Bonas Opium im Stutenklassiker und mit Gestüt Fährhofs Tombos im Henckel-Rennen, in beiden Fällen zeichnete auch hier Heinz Jentzsch als Trainer verantwortlich.

Der letzte Eintrag in der Liste der Jockeys, denen Erfolge in beiden Meilenklassikern einer Saison gelangen, datiert aus dem Jahr 1992. Der Engländer Mark Rimmer, Stalljockey am Kölner Quartier von Bruno Schütz und einer der führenden Jockeys dieser Zeit in Deutschland, dem zwei Jahre zuvor bereits ein Derby-Sieg gelungen war, trug sich mit der Außenseiterin Princess Nana in die Siegerliste des damals als Arag-Preis gelaufenen Düsseldorfer Meilenklassikers für Stuten ein, unter den hinter ihr platzierten befand sich auch die aus Frankreich angereiste spätere Arc-Siegerin Urban Sea.

Dass Mark Rimmer danach auch in den Annalen des als Mehl-Mülhens-Rennen in Köln ausgetragenen zweiten Meilenklassikers als Sieger aufgeführt ist, verdankt er allerdings der damals gültigen deutschen Rennordnung, die von der Kölner Rennleitung zu seinem Vorteil umgesetzt wurde. Der von ihm gerittene Steigenberger Hengst Platini überquerte den Zielstrich nur als mit einem Kopf geschlagener Zweiter, profitierte dann jedoch von der Disqualifikation des vor ihm durch’s Ziel gegangenen Engländers Alhijaz aus dem Quartier von John Dunlop, der einen anderen englischen Gast behindert hatte und auf Rang 4 zurückgesetzt wurde, wodurch ihm nach dem vorherigen Erfolg in den italienischen 2000 Guineas ein zweiter klassischer Sieg verwehrt blieb.

Die Bilanz unserer Recherche sind zehn Jockeys mit Erfolgen in beiden Klassikern auf der Meile in 103 Jahren deutscher Turf-Geschichte, in denen beide Rennen - mit einer kurzen zweijährigen Unterbrechung am Ende des 2. Weltkriegs - ausgetragen wurden. Doch seit 30 Jahren sind keine weiteren Einträge hinzugekommen. Hauptgrund dafür liegt in den Auslandserfolgen britischer und französischer Quartiere in diesen Prüfungen. Oft sind die mitgereisten siegreichen ausländischen Jockeys wie z.B. die zweimal im Mehl-Mülhens-Rennen erfolgreichen Darryll Holland and Oisin Murphy oder der zweimal in den German 1000 Guineas siegreiche James Doyle nur in einer der beiden klassischen Prüfungen vertreten und haben nicht die Möglichkeit, einen zweiten Sieg im anderen Klassiker zu erzielen. Dieser Umstand könnte auch in diesem Jahr dafür sorgen, dass die Liste sich nicht verlängern wird, da der im Mehl-Mülhens-Rennen siegreiche Stevie Donohoe in den bevorstehenden German 1000 Guineas nicht in den Sattel steigen wird.

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