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Irisches NH-Finale in Punchestown

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 667 vom Freitag, 07.05.2021

Mit Abschluß des Punchestown Festivals am vergangenen Wochenende wurden die Champions des irischen Hindernissports gekürt. Man hätte – dies ist nicht in jedem Jahr möglich – windschnittig von Dublin zu den Englischen Guineas fliegen können; ein entsprechender Flieger ist zu Nicht-Coronazeiten tatsächlich mit zahlreichen Rennsportfans belegt.  Nach wie vor finden die Rennsportveranstaltungen in England und Irland ohne Zuschauer statt; hier sind „Exit-Strategien“ jedoch weiter fortgeschritten als hierzulande. 

Punchestown 2021 wird also nicht nur wegen der fehlenden Zuschauer in Erinnerung bleiben. Es war vielmehr der Mullins-Tornado, der über die malerische, in der Nähe der Stadt Naas vor den Toren Dublins gelegene Rennbahn fegte. 40 Rennen wurden an den fünf Renntagen ausgetragen; Willie Mullins hatte Starter in 34 davon, 87 an der Zahl, wenn wir uns nicht verzählt haben. 19 Siegen standen in der Enabrechnung, für 14 verschiedene Besitzer und, was wohlmöglich noch erstaunlicher ist, mit 11 verschiedenen Jockeys.  

Im Anschluß des Festivals wurde er natürlich Champion Trainer; des Meetings und der Saison. Und auch wenn Cheltenham ganz im Zeichen von Henry de Bromhead gestanden hatte, so hieß der Meeting-Champion auch dort Willie Mullins „Ich war so enttäuscht, wie einige Pferde in Cheltenham gelaufen sind, da haben wir einige Dinge geändert“ lautete dennoch sein etwas überraschendes Fazit. Die Konkurrenz wird sich den Schweiß von der Stirn gewischt haben, dass ihm diese Änderungen nicht eher eingefallen sind. Kaum ein Trainer konnte neben Mullins eine Schlagzeile schreiben; er war, erkannte Alt-Meister Noel Meade, dem immerhin ein Graded-Erfolg gelang, „der Mann, den man am einfachsten finden konnte. Er war immer nur bei den Siegerehrungen. Du guckst in den Siegerzirkel, und da stand er“.

Einige seiner Erfolge hatte man im Vorfeld erwartet, einige kamen doch etwas überraschend. Klassical Dream überwand eine Pause von 487 Tagen und gewann die Ladbrokes Champion Stayers Hurdle (Gr.1, 3m = ca. 4830m). Der Wallach war in seinem bisherigen Rennpferdeleben nie weiter als über 3300m gelaufen. „Talking Horse“ Energumene wurde seinem Ruf gerecht; er gewann die Ryanair Novice Chase (Gr.1, 2m – ca. 3200m) mit spielerischer Leichtigkeit und brachte sich damit selbstredend für die Champion Chase 2022 ins Gespräch.

Besondere Genugtuung wird der Sieg – ein Grade 1 Erfolg dazu – von Stormy Ireland gewesen sein. Die schmächtige Stute hatte, wie alle Pferde ihres damaligen Besitzers, Mullins´ Stall im Sommer 2020 gen England verlassen und hatte einige Rennen für Paul Nicholls bestritten. Ihre Formen in England waren so schlecht, dass sie nicht nur zurück nach Irland geschickt wurde; sie wurde gar ganz verkauft. Seit sich die Stute wieder in Mullins´ Obhut befindet, war sie in beiden Starts erfolgreich. Mehr noch, in Punchestown besiegte sie höher eingeschätzte Stallgefährten mit großer Leichtigkeit, und soll ihre Karriere nun auf der Flachen vorsetzen. Bei den anschließenden Sieger-Interviews kam Mullins selbst durcheinander.“ Wer ist noch mal der Besitzer?“ musste er mehr als einmal den Reporter fragen, „ich habe gerade mein Programm nicht zur Hand“.

Zwei der Grade1-Rennen „entkamen“ seinem Würgegriff. Kein Ergebnis dabei populärer als der Erfolg von Honeysuckle, der Super-Stute aus dem Stall von Henry de Bromhead. Nach seinen Erfolgen in Cheltenham und Aintree hatte de Bromhead in Punchestown Tage, die er ganz schnell aus seinem Gedächtnis wird gestrichen haben; fast alle seine Pferde liefen wie „Flasche leer“. Selbst Honeysuckle, auf deren deutsche Wurzeln wir stets hinweisen (die Sulamani-Tochter stammt aus der Lando-Stute First Royal) musste härter kämpfen; am letzten Hindernis der Paddy Power Champion Hurdle (Gr.1, 2m) schien eine Niederlage für einen Moment gar im Bereich des Möglichen. Doch dann spielte die Wunderstute ihre ganze Klasse aus. „Sie rettet uns einfach immer wieder“ atmete Trainer Henry de Bromhead erleichtert auf. Ihre ständige Reiterin Rachael Blackmore bekannte: „Natürlich habe ich heute Nacht wachgelegen und mir Sorgen gemacht [Anmerk.: Ob der schlechten Stallform]. Doch dann dachte ich; sie wird es schon machen, was sie immer macht, gewinnen. Ich bin viel zu früh nach Hause geritten, und es sah am letzten Sprung bestimmt nicht hübsch aus. Aber sie ist einfach so so gut.“

Für de Bromhead war es der einsame Höhepunkt des Festivals, und ein leiser Abschluß seiner großartigen Saison. Seinen weiteren Stall-Star Bob Olinger hatte de Bromhead am Morgen des Rennens abgemeldet, der Wallach hatte einmal gehustet: „Wenn es bisher besser gelaufen wäre, wäre man vielleicht ein Risiko eingegangen, aber so wollte ich lieber auf der sicheren Seite sein.“ Envoi Allen, der nach seinem kontroversen Wechsel in den de Bromhead-Stall bei zwei Starts noch kein Rennen beenden konnte, hat sich zudem eine durchaus schwerwiegende Verletzung am Hinterbein zugezogen, ein abgesplitterter Chip im Gelenk.

Eines der bemerkenswertesten Pferde der letzten Saison ist ohne Zweifel Noel Meades Jeff Kidder, benannt nach einem Sheriff im „Wilden Westen“. Der 4j. Wallach hatte die Saison eher unauffällig begonnen, sein erster Versuch auf Graded-Ebene endete mit einem letzten Platz. Trotzdem – ein Hinweis an sich – schickte Meade den jungen Wallach nach Cheltenham; das Ergebnis ein überragender Erfolg als 80-1 Außenseiter. Seitdem hat sich der Wallach bei zwei weiteren Starts mehr als verbessert, bereits beim Oster-Festival zu Fairyhouse hatte er sich zum Gr.2-Sieger gesteigert. In Punchestown konnte Jeff Kidder diese Form noch einmal verbessern; sein Sieg in der Ballymore Champion Four Year Old Hurdle (Gr.1, 2m) vertrieb nicht nur Willie Mullins auf dem Siegerzirkel, Jeff Kidder besiegte einige Top-Triumph-Hurdle Pferde (vor allem den Cheltenham-Sieger Quilixios (ein weiteres Pferd aus dem de Bromhead Stall, welches seine Form nicht abrufen konnte, zudem verlor der Wallach beim sechsten Start seinen Status des Unbesiegten)) mit erstaunlicher Leichtigkeit. 

Dass der Irische Champion Trainer zum 18. Mal Willie Mullins heißen würde, war am Tag nur Formsache. Der Kampf um den Jockey-Titel war durch eine Verletzung seines Stalljockeys Paul Townend noch einmal richtig spannend geworden; kurz hatte Townend keine Geringere als Rachael Blackmore auf den Fersen. Bis auf vier Siege hatte sie die Lücke schließen können, dann ließen die überragenden Ergebnisse der Woche das Pendel wieder zu Gunsten Townends schlagen; er gewann den Titel nun zum vierten Mal. Amateur-Champion wurde – wen wundert´s – Willies Sohn Patrick, „es ist schon ein unfairer Vorteil [für Mullins zu reiten]“, bekannte er in edler Selbsterkenntnis.

Und dann war da noch David Maxwell. Der Amateur-Jockey besiegte mit seinem eigenen Pferd Bob And Co (Trainer: Paul Nicholls) in der Champion Hunter Chase besagten Patrick Mullins mit „Nase“, sein anschließendes Interview ist bereits Kult. „Man kann einfach nicht mehr Spaß haben, wenn man seine Hosen noch anhat“ witzelte der 42jährige Geschäftsmann, der nur seine eigenen Pferde reitet, ins Mikrofon.  Ein Zitat, das sicher auf einer Stufe mit Mick Fitzgeralds legendärem „Dies ist besser als Sex“ steht, nachdem er 1996 das Grand National gewonnen hatte. 

Catrin Nack

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