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Die Historie des Münchner Gr. I-Rennens: Turfkönig sorgte für das erste Sahnehäubchen bei der Kaffeeparty

Turfkönig war nicht nur für das Münchner Gr. I-Rennen richtungsweisend gewesen, auch im Gestüt Auenquelle weist er den Weg. www.galoppfoto.de

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Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 175 vom Freitag, 29.07.2011

Sieben Galopprennen auf deutschen Hippodromen tragen das Etikett „Gruppe I“ und gehören damit zur Champions League des internationalen Turfs. Eines davon wird als Großer Dallmayr-Preis - Bayerisches Zuchtrennen (beim Klick auf den Renntitel gibt es alle Infos zu den Starten) in München ausgetragen und in neuerer Zeit aufgrund der Aktivitäten des Sponsors oft als „größte deutsche Kaffeeparty unter freiem Himmel“ apostrophiert. Doch wurde in der bewegten Geschichte dieser im Jahre 1886 gegründeten Prüfung nicht nur Kaffee getrunken. Die einzige deutsche Mitteldistanzprüfung im Status eines Gruppe I-Rennens hat viele Champions gesehen. Manche finden sich in den Siegerlisten, manche gehören zu den überraschend Geschlagenen. Wenn an diesem Sonntag erneut das Münchener Hippodrom bei der diesjährigen Austragung aus allen Nähten platzen wird, liegen zwei Dekaden bewegter Geschichte als Gruppe I-Prüfung hinter uns, auf die wir hier einen kleinen Blick zurück werfen wollen.

Als 1990 die Premiere im neu gewonnenen Gruppe I-Status anstand, zeigte man sich in München sehr zufrieden. Man hatte die ursprünglich nur Dreijährigen offenstehende und auf der Derby-Distanz ausgetragene Prüfung zuvor Veränderungen unterzogen, die sich nun ausgezahlt hatten. Bei Etablierung des europäischen Gruppe-Systems im Jahre 1972 hatte das Münchener Rennen, damals als „Bayerisches Zuchtrennen“ gelaufen, nur Gruppe III-Status erhalten. Im Jahre 1985 wurde es erstmals für ältere Vollblüter geöffnet und die Distanz auf 2000 Meter verkürzt, was sich in einer Heraufstufung auf Gruppe II-Niveau niederschlug. Fünf Jahre später war es dann soweit: München hatte endlich seine Gruppe I-Prüfung, die im deutschen Rennkalender das einzige derartige Rennen darstellt, das in seiner gesamten Geschichte auf derselben Rennbahn ausgetragen wurde und innerhalb des Gruppe-Systems diesen Aufstieg durch alle sportlichen Kategorien absolviert hatte.

Turfkönig hieß 1990 der Sieger vor Dashing Blade beim ersten Bayerischen Zuchtrennen mit Gr. I-Status. 1990. Foto Archiv ZenoTurfkönig hieß 1990 der Sieger vor Dashing Blade beim ersten Bayerischen Zuchtrennen mit Gr. I-Status. 1990. Foto Archiv ZenoDas achtköpfige Starterfeld dieser als Großer Mercedes Benz-Preis gelaufenen Premierenaustragung am 29.07.1990 hielt den hohen Erwartungen stand. Aus dem englischen Quartier von Ian Balding war mit dem 3jährigen Hengst Dashing Blade ein zweifacher Gruppe I-Sieger nach Riem gereist. Er übernahm die Favoritenbürde, doch nicht uneingeschränkt. Schließlich war mit Gestüt Auenquelles Turfkönig ein deutscher Gegner im Aufgebot, der hier als Titelverteidiger antrat. Der damals von Uwe Ostmann trainierte 4jährige Hengst war der letzte Sieger dieses Rennens, als es noch Gruppe II-Status hatte, und wollte unbedingt zum ersten Eintrag in den Siegesannalen unter Gruppe I-Bedingungen werden. Unter den frenetischen Anfeuerungsrufen des begeisterungsfähigen Münchener Publikums gelang dieses Unterfangen. Mit Georg Bocskai im Sattel wurde Turfkönig zum ersten Doppelsieger des Rennens. Sein leichter Sieg über Dashing Blade in der immer noch Rennrekord darstellenden Zeit von 2:01,10 min war ein unvergesslicher Moment der deutschen Turfgeschichte.

Eine späte Genugtuung dürfte für den seit 1992 im Gestüt Etzean als Deckhengst aufgestellten Dashing Blade die 2006er Auflage des Münchener Rennens, die sein Sohn Lord of England gewann, gewesen sein. Dem 1990 ihm überlegenen Türfkönig blieben solche Zuchterfolge in seiner nur kurzen Deckhengstkarriere bekanntermaßen versagt.

... und sogar der Kaiser kommt zum Gratulieren: Jockey Georg Bocskai eingerahmt von Franz Beckenbauer und dem damaligen Präsidenten des Münchner Rennvereins, Dietrich von Boetticher, nach dem Sieg im ersten Riemer Gr. I-Rennen. Foto: Archiv Zeno... und sogar der Kaiser kommt zum Gratulieren: Jockey Georg Bocskai eingerahmt von Franz Beckenbauer und dem damaligen Präsidenten des Münchner Rennvereins, Dietrich von Boetticher, nach dem Sieg im ersten Riemer Gr. I-Rennen. Foto: Archiv ZenoIm folgenden Jahr wollte sich Turfkönig endgültig unsterblich machen, als er den Hattrick in dieser Prüfung anpeilte. Doch 1991 endete er nur auf Rang 4. Der Sieg ging an die aus Frankreich angereiste 4jährige Aga Khan-Stute Kartajana, die von William Mongil zu einem leichten Sieg geritten wurde. Ohnehin erwies sich das Münchener Rennen auch in der Folgezeit als ein wahrhaft internationales Kräftemessen. Jahr für Jahr reisten ausländische Gäste an die Isar und stellten den heimischen Mitteldistanzlern oft eine nur schwer lösbare Aufgabe.

Zehnmal ging der Sieg in der Zeit seit 1990 ins Ausland, wobei Kartajana als Einzige für Frankreich punktete. Dreimal ging der Löwenanteil des Preisgelds in den 90er Jahren nach Irland, als jeweils vierjährige Stuten den Sieg auf die grüne Insel entführten. Die erste des Stutentrios war 1992 die in japanischem Besitz stehenden Kooyonga, die - von Warren O'Connor geritten - den Sieg für das Quartier von Michael Kauntze errang. Im folgenden Jahr konnte die von Michael Kinane gesteuerte Market Booster die Münchener Siegerschleife in den Stall von Dermot Weld entführen. Die letzte der Drei, die von John Oxx trainierte Timarida, die unter dem damals noch am Anfang seiner internationalen Karriere stehenden Johnny Murtagh gewann, bescherte Prinz Karim Aga Khan IV seinen zweiten Münchener Triumph, dem das Ismaeliten-Oberhaupt bei seinem ersten Besuch auf einer deutschen Rennbahn persönlich beiwohnte. Die später noch mehrfach auf Gruppe I-Parkett siegreiche Stute bezwang 1996 nach Kampf den Titelverteidiger des Vorjahres, den von Bruno Schütz trainierten Germany, dem damit ein Doppelsieg versagt blieb.

Erst im neuen Jahrtausend schlug die Stunde der Briten im bayerischen Saisonhighlight. Sechsmal gewannen Vertreter aus dem Mutterland des Turfs hier zwischen 2000 und 2010, jeweils dreimal hintereinander von 2000 bis 2002 und von 2008 bis 2010. Die drei letzten britischen Erfolge durch die beiden Globetrotter Linngari (2008) und Pressing (2009) sowie die unterschätzte Stute Lady Jane Digby (2010) sind noch gut im Kurzzeitgedächtnis der meisten Turf-Fans vorhanden und müssen an dieser Stelle nicht ausführlich in Erinnerung gebracht werden. Anders sieht dies mit den ersten drei britischen Siegen aus.

Johnny Murtagh konnte zum Auftakt des Jahrtausends mit dem von Sir Michael Stoute trainierten Greek Dance seinen zweiten Münchener Treffer feiern. Ein Jahr später trug sich Lanfranco Dettori mit dem Godolphin-Vertreter Kutub in der Siegerliste ein. Dabei schickte er u.a. Paolini, den gewinnreichsten deutschen Galopper aller Zeiten, auf die Verliererstraße. Auch im folgenden Jahr 2002 schienen die Weichen für einen neuerlichen Triumph eines Godolphin-Vertreters unter Lanfranco Dettori gestellt, doch der als 15:10 Favorit gestartete 4jährige Hengst Equerry versagte als Vierter. In die Bresche sprang mit dem von Pat Eddery gerittenen 3jährigen Hengst Kaieteur ein anderer Brite.

Auch die 2003er Auflage sah in Riem einen klaren Favoriten aus dem Ausland. Doch war es diesmal nicht der von Dettori gerittene Godolphin-Schützling Highdown, der das Rennen als Dritter beendete, sondern der Ire Black Sam Bellamy aus dem Ballydoyle-Quartier von Aidan O’Brien. Doch auch er enttäuschte als Fünfter in München. Profitieren konnte davon der von Erika Mäder trainierte 3jährige Ransom O’War, der dadurch den Grundstein für seine Wahl zum „Galopper des Jahres 2003“ legte.

Nur ein Jahr später wollte O’Brien die Scharte auswetzen und schickte den insgesamt in drei Gruppe I-Prüfungen erfolgreichen Powerscourt an die Isar. Als 16:10 Favorit schien der Ire nahezu unschlagbar zu sein. Doch für einen der Underdogs des Turfs, den von Andrea Bertram in Warendorf vorbereiteten Intendant, schlug in diesem Rennen die Stunde seiner kurzen Karriere. Als 163:10 Außenseiter bezwang der danach nie wieder in einem Rennen gelaufene 3jährige Hengst mit Jiri Palik im Sattel den vermeintlich Unschlagbaren.

Mit dieser dreistelligen Siegquote war Intendant einer der wenigen Außenseiter, die sich in die Siegerliste eintragen konnten. Allerdings gebührt ihm nicht das Prädikat „längster Außenseiter“. Dieses verdiente sich bereits im Jahr 1994 der von Georg Ording vorbereitete 5jährige Hengst Vincenzo, der unter Ricky Morse den Briten Blush Rambler als 267:10 Außenseiter leicht abfertigte. Nur ein weiteres Mal kam ein Kandidat zu dreistelligen Odds zum Zuge: Im Vorjahr war es die britische Stute Lady Jane Digby, die mit Greg Fairley im Sattel, als 121:10 Außenseiterin die Wetter schockte, als sie die Lokalmatadorin Night Magic auf die Verliererstraße schickte.

Der heißeste Favorit in der Geschichte des Gruppe I-Rennens war Georg Baron von Ullmanns Tiger Hill, der 1999 als 12:10 Favorit diese Einschätzung durch einen leichten Sieg über den als Pacemaker eingesetzten Stallgefährten Saugerties bestätigte.

Unvergessen wird auch immer der Sieg von Gestüt Wittekindshofs Elle Danzig im Jahr 1998 bleiben. Die als 20:10 Favoritin gestartete 3jährige Stute war zunächst nach einer falschen Auswertung der Zielfotografie auf den 2. Rang gesetzt worden. Erst ein Einschreiten ihres Trainers Andreas Schütz bescherte ihr den Triumph und machte den Hoppegartener Artan zum unglücklichen „Gruppe I-Sieger für zehn Minuten“.

Kein Rückblick auf die Gruppe I-Phase des Riemer Jahreshöhepunkts ist komplett ohne eine Erwähnung von Gestüt Park Wiedingens Soldier Hollow. Der von Peter Schiergen trainierte Hengst ist neben Turfkönig der einzige Doppelsieger in der Geschichte dieses Rennens und dabei der einzige, der dadurch zwei Gruppe I-Treffer an seine Fahnen heften konnte. Als Fünfjähriger bezwang er im Jahr 2005 den favorisierten Schlenderhaner Arcadio nach einem perfekt getimten Ritt von William Mongil. Nachdem er das Rennen im Jahr 2006 zu Gunsten eines Starts in der Arlington Million in Chicago ausgelassen hatte, kehrte er 2007 auf die Heimatbahn seines Besitzers zurück und feierte einen umjubelten weiteren Triumph über den Godolphin-Vertreter Formal Decree. Im Sattel von Soldier Hollow saß diesmal Andrasch Starke, der erfolgreichste Jockey in der Geschichte des Rennens. Starke gelang mit Soldier Hollow bereits der dritte Volltreffer, nachdem er zuvor mit dem von Bruno Schütz vorbereiteten Oxalagu in 1997 und dem Hofer-Schützling Lord of England in 2006 erfolgreich gewesen war.

Hier geht es zum kompletten Renntag mit allen Rennen und Startern: http://www.turf-times.de/content/1/31072011-m-nchen-9-renntag

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