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Gastkolumne: Infektiöse Anämie – tragisch aber kein Grund zur Panik

Autor: 

Gastkolumne

TurfTimes: 

Ausgabe 235 vom Donnerstag, 04.10.2012

Der Autor:

Dr. Thomas Weinberger
Geschäftsführer der Pferdeklinik Burg Müggenhausen GmbH
Heimerzheimerstr. 18
Weilerswist 53919
Web www.pferde-klinik.de
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Tel. +49 225460010

In vielen Medien wird in den letzten Tagen über die Tötung eines Rennpferdes auf der Rennbahn Köln-Weidenpesch und die zusätzliche dreimonatige Sperrung wegen eines positiven Nachweises des Erregers der infektiösen Anämie berichtet. Dies hat alle Beteiligten – Besitzer, Trainer, Rennverein, Direktorium und Tierärzte – gleichermaßen überrascht und kam vollkommen unerwartet. Da der Nachweis des Erregers der infektiösen Anämie (EIA) unter seuchenrechtliche Bestimmungen fällt, wurde von amtstierärztlicher Seite das dafür vorgesehene Prozedere eingeleitet. Am Anfang dieses Ablaufes steht die Tötung und unschädliche Beseitigung des betroffenen Pferdes. Dabei ist nicht wichtig, ob das Pferd selbst Krankheitssymptome anzeigt oder nicht. Das Seuchenrecht hat das Ziel, die Ausbreitung der Erkrankung zu verhindern.

Hier wird nun von vielen Seiten die Frage gestellt inwieweit das Risiko hoch ist, dass andere Pferde auf der Rennbahn sich mit dem Erreger infizieren können. Dieses Risiko kann grundsätzlich als sehr gering angesehen werden. Anders als zum Beispiel beim „seuchenhaften Husten“ bzw. der Influenza – bei der man davon ausgehen kann, dass sich in kürzerster Zeit mehr als 70% der Tiere mit dem Erreger infizieren, da das Influenzavirus über Tröpfchen (Schleim, Husten, etc.) weitergetragen wird, ist eine Infektion mit EIA deutlich schwieriger auszulösen. Dazu muss der Erreger mit dem Blut von einem zum anderen Tier gebracht werden. Zusätzlich muss das Empfängerpferd ausreichend dieser Viren aufnehmen und auch dann bedeutet es nicht automatisch, dass es zu einer Infektion kommt. Man geht davon aus, dass dies in erster Linie durch stechende und blutsaugende Insekten wie Mücken, Bremsen, Stechfliegen etc. geschieht. Zusätzlich erschwert wird die Übertragung dadurch, dass die Viren nur ca. 30 Minuten im Maul des Insekts überleben. Also hat es das Virus eigentlich sehr schwer sich zu verbreiten.

Warum ist nun der „seuchenhafte Husten“ keine Seuche nach dem Seuchenrecht aber die infektiöse Anämie?

Das liegt daran, dass die EIA-Erreger nach einer Infektion ein Leben lang im Körper des Pferdes bleiben, diese Erkrankung nicht behandelt werden kann und akut erkrankte Tiere in der Regel daran sterben würden. Auch wenn an der Influenza-Erkrankung Pferde ebenso stark erkranken können, ist aber mit dem Abklingen der Erkrankung kein Risiko mehr für die Nachbarpferde vorhanden. Dem entsprechend unterliegt die Bekämpfung der infektiösen Anämie dem Seuchenrecht und die Influenzaerkrankung nicht. International besteht das Ziel, die EIA auszulöschen bzw. einzudämmen. Dies geht nur durch die Tötung der betroffenen Tiere. Die zusätzliche Sperre von 90 Tagen und der Schutzbereich von einem Kilometer sind zusätzliche Maßnahmen, um die Ausbreitung zu verhindern. Insbesondere eine relativ lange Inkubationszeit – die Zeit von der Infektion des Pferdes bis zum Ausbruch einer tatsächlichen Erkrankung – bedingt, dass man nicht ausschließen kann, dass gesunde Pferde in der Umgebung eines erkrankten Pferdes noch erkranken. Zusätzlich müssen im Körper des infizierten Pferdes erst einige Reaktionen zwischen Virus und Körperzellen eintreten, bevor die Infektion über Labortests nachgewiesen werden kann. Man geht dabei von rund 40 Tagen Inkubationszeit aus. Gleichzeitig glaubt die Wissenschaft, dass Insekten, die den Erreger weitertragen können, maximal 100 m Entfernung überwinden können. Insofern sind die 90 Tage und der eine Kilometer Sicherheitsbereich gesetzlich festgelegte Werte mit hohen Sicherheitsfaktoren.

Welche Symptome zeigt ein akut erkranktes Pferd?

Die Symptome sind grundsätzlich eher unspezifisch und können daher auch häufig falsch interpretiert werden. So zählen zu den Symptomen Fieberschübe bis zu 41°C, Unterbauchschwellungen, geschwollene Beine, veränderte Schleimhäute, Kraftlosigkeit, Futterverweigerung und veränderte Blutwerte. Bei chronisch erkrankten Pferden kann es sein, dass man kaum Symptome erkennen kann.

Wie wird die Erkrankung nachgewiesen?

Hierzu stehen zwei Labormethoden zur Verfügung. Es gibt einen sogenannten Schnelltest mit dem ein Hinweis auf eine Auseinandersetzung des Körpers mit dem Virus innerhalb von 24 Stunden nachgewiesen werden kann. Dieser Test kann manchmal sogenannte falsch positive Ergebnisse zeigen, so dass bei Verdacht und zur endgültigen Absicherung noch ein spezieller Test, der „Coggins-Test“ durchgeführt wird. Dieser dauert in der Regel vier Tage. Die Tests können in staatlichen, universitären und privaten Laboren durchgeführt werden. Der positive Nachweis wird auf Grund der seuchenrechtlichen Bestimmungen direkt an die Behörden gemeldet.

Wie kann eine Infektion vermieden werden?

Es ist bekannt, dass der lange Zeit in Westeuropa kaum aufgetretene EIA-Erreger durch den Transport von Pferden aus den osteuropäischen Ländern wieder vermehrt eingeführt wurde. Im Jahre 2010 erkrankten in Deutschland 19 Pferde an der ansteckenden Blutarmut (EIA). Davon waren 18 unkontrolliert aus Rumänien eingeführte Pferde und ein dabei stehender Esel. Diese Zahl verwundert nicht, da in Rumänien die Durchseuchung der Pferde bei ca. 30% liegt. Solche unkontrollierten Importe und zusätzlich der immer stärker werdende internationale Transport von Turnier-, Sport- und Schlachtpferden erhöhen das Risiko, dass in Deutschland nicht oder nicht mehr vorkommende Erkrankungen wieder verbreitet werden. Daher ist der größte Schutz, dass man die Pferde kontrolliert, die neu in den Bestand kommen. Dabei sind es die Transporte von Pferden im Allgemeinen oder zum Beispiel auch im Rahmen von Pferdekäufen. Hier wird es in Zukunft sicher vernünftig sein, im Vorfeld den kostengünstigen Schnelltest durchzuführen, um zumindest das Risiko deutlich zu verringern. In vielen Ländern ist der negative Erreger-Nachweis schon lange Pflicht. Die USA, Japan, Hongkong etc. lassen kein Pferd ins Land – auch nicht nur zu einem Rennen – wenn nicht das negative Laborergebnis vorher vorliegt. Es ist aber bei solchen Vorabtests zu beachten, dass das Testergebnis schon vor dem Eintreffen des Pferdes vorliegt, da sonst das Seuchenrecht an dem Ort greift an dem sich das Pferd befindet. Wie gesagt, die Wahrscheinlichkeit für das Einschleppen eines infizierten Pferdes ist sehr gering aber wie man sieht leider nie völlig ausgeschlossen.
Darüber hinaus gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse, dass zur Vorbeugung einer Übertragung des Erregers grundsätzlich die Hygiene im Stall beachtet werden soll und das Aufkommen stechender Insekten möglichst reduziert wird.

Was ist mit den Startern?

Die Pferde, die sich während der Entdeckung des erkrankten Pferdes außerhalb der Rennbahn aufhielten und auf den Trainingslisten stehen – also auch die Starter in Mailand, werden gemäß der Informationen zur Rennbahn Köln-Weidenpesch zurückkehren und dort untersucht werden. Das Risiko, dass sich Mitstarter aus Pferderennen durch Pferde aus Köln-Weidenpesch angesteckt haben, ist grundsätzlich extrem gering. Wenn alle Rennpferde aus Köln im Erregernachweis negativ sind und dies auch in den nächsten 90 Tagen bleiben, ist eine Ansteckung weiterer Pferde eigentlich ausgeschlossen. Das betroffene und schon getötete Pferd wurde auf Grund einer Erkrankung an den Beinen seit vielen Monaten nicht mehr auf der Rennbahn trainiert. Daher war der direkte Kontakt zu Rennpferden von außerhalb eher unwahrscheinlich. Insofern ist der erstmalige Nachweis des EIA Erregers bei einem Rennpferd und auf der Rennpferd tragisch für das betroffene Pferd und ebenso aus wirtschaftlicher Sicht für alle Betroffenen.

Wie ist das Ansteckungsrisiko zu bewerten, wie sollte weiter verfahren werden?

Grund zur Panik, dass diese Erkrankung den Rennsport in Köln-Weidenpesch dauerhaft beeinträchtigt oder sogar außerhalb des Areals weitere Pferde angesteckt werden können, besteht nicht. Alle Beteiligten erwarten, dass Anfang kommender Woche die genommenen Blutproben von allen Rennpferden auf der Kölner Rennbahn negativ ausfallen werden. Danach muss man den Ablauf der seuchenrechtlichen Fristen abwarten und kann dann zuversichtlich in die nächste Saison starten. Versucht man der gesamten Situation etwas Positives abzugewinnen so kann man froh sein, dass der Nachweis nicht Anfang April erfolgt ist…….

Aus tierärztlicher Sicht wird die Wahrscheinlichkeit für eine Neuansteckung von Pferden als so gering angesehen, dass sogar einer baldigen Aufstellung der Jährlinge bei den Trainern in Köln-Weidenpesch nichts entgegen stehen sollte. Es ist zu hoffen, dass die Amtstierärzte dies nach dem Eingang negativer Testergebnisse auch so sehen, damit die Trainer Ihrer Arbeit weiter nachgehen können.

Weiterer Link zum Thema: Ein tragischer Fall und die weitreichenden Folgen

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