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Enable und das Rennen für die Ewigkeit

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 579 vom Freitag, 02.08.2019

Ein Rennen für die Ewigkeit: Rund 400 Meter vor dem Ziel schritt Enable zum Angriff, doch hatte Dettori auf einen leichten Sieg gehofft, so wurde er eines Besseren belehrt. Erneut zeigte Crystal Ocean, warum er ein absoluter Top-Galopper und Stolz des Stoute-Stalles ist: Nie gab er nach, seine Zunge – sein „Markenzeichen“- flog im Wind seiner großen Anstrengungen („Er gab mir jeden Zentimeter seines Herzens“ sollte James Doyle nach dem Rennen sagen), zwei Pferde, geboren um zu laufen, gaben ihr Möglichstes; die Menge tobte, der Kommentator verlor seine Stimme; die Bahn kochte, als Enable im Schatten des Pfostens langsam, aber sicher die Oberhand gewann. She did it! Text: Catrin Nack. Foto: www.galoppfoto.de - John James ClarkEin Rennen für die Ewigkeit: Rund 400 Meter vor dem Ziel schritt Enable zum Angriff, doch hatte Dettori auf einen leichten Sieg gehofft, so wurde er eines Besseren belehrt. Erneut zeigte Crystal Ocean, warum er ein absoluter Top-Galopper und Stolz des Stoute-Stalles ist: Nie gab er nach, seine Zunge – sein „Markenzeichen“- flog im Wind seiner großen Anstrengungen („Er gab mir jeden Zentimeter seines Herzens“ sollte James Doyle nach dem Rennen sagen), zwei Pferde, geboren um zu laufen, gaben ihr Möglichstes; die Menge tobte, der Kommentator verlor seine Stimme; die Bahn kochte, als Enable im Schatten des Pfostens langsam, aber sicher die Oberhand gewann. She did it! Text: Catrin Nack. Foto: www.galoppfoto.de - John James ClarkGroße Rennen machen große Pferde, und das Finish zweier absoluter Spitzenpferde machte aus einem „Klassiker“ ein Rennen für die Ewigkeit. Vor einigen Jahren von diversen Fachblättern als „Auslaufmodell“ betitelt, ließ die jüngste Austragung des altehrwürdigen "King George" keine Wünsche offen. Ascot rief, und alle kamen. Allen voran der Liebling des britischen Turfs, und zahlreichen Fans weltweit, Enable. Die inzwischen fünfjährige Nathaniel-Tochter hat sich zu einem wahren Publikumsmagneten entwickelt. Sie ist „Box Office material“, sorgt für erhöhte Einschaltquoten im TV, nach nun 11 Siegen in Folge ist ihr Ruhm in schwindelerregende Höhen gestiegen. Selbstredend hat sie eine eigene, fan-betriebene Facebookseite, ihr Name war am Samstag auf Twitter allgegenwärtig. 

Ein Pferd für die Ewigkeit: Enable schrieb Turf-Geschichte. www.galoppfoto.de - John James ClarkEin Pferd für die Ewigkeit: Enable schrieb Turf-Geschichte. www.galoppfoto.de - John James ClarkEs sind diverse Faktoren, die die Faszination „Enable“ ausmachen: Eine Stute mit außergewöhnlichem Leistungsvermögen hat immer einen besonderen Platz in den Herzen der Rennbahnbesucher. Auch wenn das „schwache Geschlecht“ in Gruppe-Rennen durch die kleine, aber bedeutsame Gewichtserlaubnis einen gewissen Vorteil hat, sind außergewöhnliche Rennstuten einfach etwas Besonderes. Denken Sie an Lochsong, Triptych, Miesque, Bosra Sham, Dahlia, Urban Sea, Pebbles, Time Charter, Salsabil, Indian Skimmer, natürlich an Danedream. Und selbst in diesem erlesenen Feld sind Enables Leistungen ungewöhnlich; man betrachte nur ihre sagenhafte Gewinnsumme von momentan über 9 Millionen Pfund.  Neben Dahlia und Swain ist sie nun das dritte Pferd, das zwei Mal den "King George" gewinnen konnte. Ihr Reiter: Lanfranco „Frankie“ Dettori, der in seiner Zusammenarbeit mit Trainer John Gosden eine Renaissance sondergleichen erlebt.

Im Herbst seiner Karriere reitet der inzwischen 48jährige auf dem Höhepunkt seines Könnens, auf einigen der besten Pferde seiner gesamten Laufbahn. Es sind seine Erfahrung, sein untrüglicher Instinkt, ganz zu schweigen von seinem nie versiegten Talent, welches vor allem Pferde in Gosdens Obhut formte und formt. Beide geben eine ungewöhnliche Partnerschaft ab: hier der trockene Analytiker John Gosden, ein Meister seiner Profession, eloquent, unnahbar fast (folgende Beschreibung eines seiner Besitzer hat sich festgebrannt: „Er mag nicht angesprochen werden, aber er wird manchmal mit Dir sprechen.“) –  dort der immer überschäumende Dettori, dessen legendärer Dettori-jump vom Pferderücken nach wie vor sein Markenzeichen ist; der nach wie vor mit seiner lebhaften Art die Massen anspricht wie kaum ein anderer Jockey. Der tiefe Respekt vor dem Können des anderen vereint Beide, zum ultimativen Vorteil der betreuten Pferde. Bei 13 Starts trug Enable nur zweimal, ganz zu Beginn ihrer Rennkarriere, einen anderen Jockey.

Am vergangenen Samstag trat dieses Dreamteam also (erneut) in den King George VI and Queen Elizabeth Stakes an; lange Jahre hatte durch den Sponsor De Beers der Zusatz „Diamond“ im Titel gestanden. Ein Rennen mit einem legendären Touch: mit der jüngsten Austragung hat es seinen Ruf als wichtigste altersoffene Prüfung des englischen Rennjahres mit Nachdruck untermauert. Endlich trat wieder einmal der amtierende Derby-Sieger in Ascot an; nur drei hatten dies seit dem Jahr 2000 gewagt, und nur Galileo hatte 2001 nach Epsom hier siegen können.

In den 80iger Jahre hatte es diese Aufeinandertreffen mit schöner Regelmäßigkeit gegeben. Neben Anthony Van Dyck (Jockey: Ryan Moore) hatte Aidan O'Brien drei weitere Starter, alle nicht die Crème de la Crème seines kraftvollen Rennstalls, gesattelt; sein Pacemaker Norway hatte auf den Verlauf des Rennens allerdings einen nicht zu unterschätzenden Einfluss. Internationales Flair kam in Form des Japaners Cheval Grand (Oisin Murphy) und des in deutschem Besitz für einen französischen Trainer startenden Waldgeist (Pierre-Charles  Boudot). Letzterer hatte schon mehrfach (erfolglos) die Klingen mit Enable gekreuzt. Ein weiterer Star des Rennens war natürlich Crystal Ocean (James Doyle), seines Zeichens der zurzeit höchsteingeschätzte Galopper der Insel, und, ebenfalls fünfjährig, auf dem Höhepunkt seines Könnens. Im Training bei Sir Michael Stoute, mit sechs Siegen gewinnreichster Trainer des King George, und zuletzt dreimal in Folge ungeschlagen, ist Crystal Ocean ein Muster an Einsatzwillen, Kampfesgeist und Beständigkeit. Die Bühne war bereit.

Was für ein Finish ....: Enable (vone mit Frankie Dettori) und Crystal Ocean (James Doyle) in den King George. www.galoppfoto.de - John James ClarkWas für ein Finish ....: Enable (vone mit Frankie Dettori) und Crystal Ocean (James Doyle) in den King George. www.galoppfoto.de - John James ClarkSpannende Endkämpfe sind das Sahnehäubchen eines jeden Rennens. So gerne wir überlegene Champions dem Feld davoneilen sehen, so unglaublich aufregend, dramatisch sind die Rennen, bei denen der Sieger eben nicht schon hunderte von Metern vor dem Ziel feststeht. Hier hat der King George ein Wörtchen mitzureden. Der legendären 1975er Edition, der der Endkampf zwischen Peter Walwyns amtierendem Derby-Sieger Grundy und Dick Herns Top-Vierjährigem Bustino seinen Stempel aufdrückte, ist sogar ein eigenes Buch gewidmet. Bei der Umfrage einer überregionalen Tageszeitung kam dieser King George auf Platz Zwei der besten Rennen aller Zeiten. Youtube sei Dank sind solche Schätze heute jederzeit und jedermann zugänglich; der Schreiber dieser Zeilen kann sich noch lebhaft daran erinnern, als eine Video(!)- Kassette beide Pferde erstmals auf dem Fernseher zum Laufen brachte!  

Immer wieder hatten seitdem Spitzengalopper hier hart für ihren Hafer arbeiten müssen, MtotoNashwanSwain, nicht zu vergessen Danedreams knappe Ankunft gegen keinen Geringeren als Enables Vater Nathaniel. Bereits im letzten Jahr hatte Crystal Ocean hier einen harten Kampf liefern müssen; er unterlag seinem Stallgefährten Poet's Word nur um „Halsesbreite“. Und für Vergleiche mit den ganz Großen braucht es ganz große, vorzugsweise englische, Galopper; Grundy und Bustino waren daher nach Enables hartumkämpften Sieg in aller Munde.

Fanartikel zum Mitwinken: Die Enable-Fans bei den King George ... www.galoppfoto.de - John-James ClarkFanartikel zum Mitwinken: Die Enable-Fans bei den King George ... www.galoppfoto.de - John-James ClarkDas Rennen hatte für Enable nicht eben glücklich begonnen, eine schlechte Startbox bedeutete eine schwierige Position nach dem Start; doch wer einen Spitzenjockey im Sattel hat, muss solche Kleinigkeiten nicht fürchten. Erneut spielte Dettori, der zurzeit selbst für seine Verhältnisse aus einer bemerkenswerten Welle der großen Erfolge reitet, seine ganze Erfahrung und sein ganzes Können aus. Kurz schien Enable an der Außenseite des Feldes, das in strammer Fahrt von Aidan O'Briens Pacemaker angeführt wurde, nicht glücklich, dann hatte Dettori sie in eine gute Position bugsiert. Im Fahrwasser eines immer bestechend gehenden Crystal Ocean segelte sie in die Zielgerade, und das Duell war da!

Rund 400 Meter vor dem Ziel schritt Enable zum Angriff, doch hatte Dettori auf einen leichten Sieg gehofft, so wurde er eines Besseren belehrt. Erneut zeigte Crystal Ocean, warum er ein absoluter Top-Galopper und Stolz des Stoute-Stalles ist: Nie gab er nach, seine Zunge – sein „Markenzeichen“- flog im Wind seiner großen Anstrengungen („Er gab mir jeden Zentimeter seines Herzens“ sollte James Doyle nach dem Rennen sagen), zwei Pferde, geboren um zu laufen, gaben ihr Möglichstes; die Menge tobte, der Kommentator verlor seine Stimme; die Bahn kochte, als Enable im Schatten des Pfostens langsam, aber sicher die Oberhand gewann. She did it! Waldgeist lief auf Platz Drei ein famoses Rennen, während der klassische Jahrgang völlig ausspannte, Anthony Van Dyck belegte gar einen indiskutablen vorletzten Platz, noch hinter seinem Pacemaker.

Der Tag danach: Jockey Frankie Dettori besucht Enable nach ihrem 2. Sieg in den King George VI and Queen Elizabeth Stakes. www.galoppfoto.de - John James ClarkDer Tag danach: Jockey Frankie Dettori besucht Enable nach ihrem 2. Sieg in den King George VI and Queen Elizabeth Stakes. www.galoppfoto.de - John James ClarkAscots Führring ist groß, ein gestrecktes Oval, tief gelegen und vollständig von Stufen umrahmt. Hier fährt während Royal Ascot Queen Elizabeth II (die am Samstag nicht anwesend war) ein, hier präsentieren sich die Pferde vor dem Rennen, hierher kehren Sieger und Platzierte nach dem Rennen zurück. Einem Amphitheater gleich, welches den Applaus widerzuhallen scheint, ist er ein zuverlässiger Gradmesser für die Popularität der Sieger.  Und WIE populär Enable war, ließ sich in Dezibel kaum messen. Bereits der tapfere Crystal Ocean wurde mit dröhnendem Applaus bedacht, die Zuschauer hatten vollkommen richtig erkannt, dass hier ZWEI Pferde alles gegeben hatten. Rund 26.000 Zuschauer zählte man am Samstag, ca. 10.000 davon zwängten sich nach dem Rennen auf die Stufen des Führrings, normalerweise ist hier Platz für maximal 8.000.  

Umjubelt: Enable und Frankie Dettori auf dem Weg in den Führring nach ihrem 2. Sieg in den King George VI and Queen Elizabeth Stakes. www.galoppfoto.de - John James ClarkUmjubelt: Enable und Frankie Dettori auf dem Weg in den Führring nach ihrem 2. Sieg in den King George VI and Queen Elizabeth Stakes. www.galoppfoto.de - John James ClarkAls dann die vierbeinige Queen von Ascot langsam ihren Weg in den Siegerzirkel fand, gab es kein Halten mehr. Tosender Applaus, Pfiffe und „three cheers“, wie man sie sonst nur auf der Hindernisbahn kennt, überflossen das siegreiche Team und alle, die das Glück hatten, diese Momente teilen zu dürfen. Selbst ein so rationaler John Gosden, dessen Sache ausgelassene Jubelszenen nicht sind, verriet sich durch seine emotionale Stimme: „Das beste ältere Pferd und die beste ältere Stute liefen gegen Pferde solcher Qualität und deklassierten sie alle, was will man mehr?  Sie war so tapfer da draußen. Crystal Ocean sagte:“ Ich gewinne“ und sie sagte „Nein, ich“ und beide haben so viel mentale Stärke gezeigt.“

„Great British Racing“, der Marketing- Arm des englischen Rennsports, hatte stimmige Papp-Fächer zur optischen Unterstützung des jeweiligen Favoriten produziert, von denen leider viel zu wenige verteilt wurden. Doch schwenkten viele Fans enthusiastisch ihre Enable-Schilder, Abgeküsst: Frankie Dettori und seine Queen Enable ... www.galoppfoto.de - John James ClarkAbgeküsst: Frankie Dettori und seine Queen Enable ... www.galoppfoto.de - John James Clarkdie Stute musste Küsse von Dettori über sich ergehen lassen, ehe Gosdens rechte Hand Tony Procter die Stute zu einer laut unterstützen Ehrenrunde führte. Ganz großer Sport.

Maximal zwei Rennen wird Enable noch laufen. Ein Start in York, wo Juddmonte seit Jahrzehnten das Hauptereignis sponsort, wird debattiert; „Enable ist sehr ausdrucksstark und wird uns sagen, was wir zu tun haben.“ Erklärte Gosden, wer im Stall das Sagen hat. Dann natürlich Paris, dieser erste Sonntag im Oktober. Hier soll sich Enable endgültig in den Pantheon der Unsterblichen galoppieren; sie wäre die erste dreifache Siegerin des Rennens. Die Buchmacher sind skeptisch. Aber für ihre Fans kann der Tag gar nicht schnell genug kommen.  

Catrin Nack

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