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Das Dublin Racing Festival 2019

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 554 vom Freitag, 08.02.2019

Den Rennsport zu lieben, ist immer auch ein Pakt mit dem Teufel einzugehen. Leopardstowns zweite Austragung des Dublin Racing Festival, 15 Rennen über zwei Tage, davon acht Gruppe1-Rennen, bot rasanten Sport, wird aber auch aus einem tragischen Grund für immer in Erinnerung bleiben. Apple´s Jade, sicherlich eines der beliebtesten Rennpferde im Training, verzauberte die Zuschauer mit einem Sieg voller Eleganz, Klasse und Überlegenheit, sie ließ Fans und ihr Team atemlos zurück. Mit ihrem vierten Sieg in der aktuellen Saison, in der sie ungeschlagen ist, errang sie nicht nur ihren zehnten (!) Gr.1-Erfolg, sie stellte einen anderen, ganz eigenen Rekord auf: es gelang ihr, auf höchster Ebene über drei  unterschiedliche Distanzen (2 Meilen - 2m4f - 3m) zu gewinnen, eine außergewöhnliche Bandbreite auf jeder Ebene, noch dazu in der Premier League der Gruppe-Rennen; und in nur einer Saison.

Die dunkelbraune Saddler Maker - Tochter, „natürlich“ französisch gezogen, vereint so viele Talente in sich, dass es schwer ist, neue Superlative zu finden, „is she the new Dawn Run?“ rief einer der Fotografen Jockey Jack Kennedy begeistert entgegen. Eine Anspielung auf die legendäre irische Stute, welche in den achziger Jahren den Hindernissport beherrschte: sie ist bis heute das einzige Pferd, dem es gelang, ihrem Sieg in der Champion Hurdle einen Sieg im Cheltenham Gold Cup folgen zu lassen. Ihr tragischer Tod im nächsten Rennen zementierte ihre Legende, ihren Mythos; ihre Statue - oberhalb des Führrings - ziert bis heute die Rennbahn Cheltenham. 

Trotz ihrer zehn Erfolge auf höchster Ebene hat Apple´s Jade diese Meriten (noch) nicht vorzuweisen: drei Starts beim Festival brachten zwei Niederlagen, ihr Sieg „nur“ in der Mares´ Hurdle. Die Diskussion, in welchem Rennen sie im März an den Start kommen soll, wird die Fachpresse für die nächsten Wochen beschäftigen: aktuell scheint man geneigt, in der Champion Hurdle zu starten, oder wird sie - sie ist schließlich eine Stute, wie Racing Manager Eddie O`Leary mehrfach betonte-  erneute in der Mares´ Hurdle antreten? Luxusprobleme, muss das Team um Trainer Henry de Bromhead denken.

Auf Boden, der offiziell mit gut bis weich („yielding“ nicht „soft“) angegeben wurde, verlor der Stall am ersten Meetingstag zwei Starter; auf der Flachen noch dazu. Doch war der Unfall von Malinas Jack ein trauriger Verlust, der zunächst zudem eher unbemerkt blieb, so war der Tod des inzwischen 12j.  Special Tiara eine absolute Tragödie, für den Stall, seinen Pfleger Stephen Dunphy, für den Rennsport allgemein. Special by name und Special by nature, war Special Tiara ein Star des Sports, ein alter Haudegen, den die Massen liebten. Drei Gruppe1-Siege hatte er in acht Rennjahren im Rennstall errungen, darunter als absolute Krönung die Queen Mother Champion Chase 2017. Zehn Jahre war er damals, immer wieder hatte er sich mit den Besten der Besten gemessen, und sich mit seiner eifrigen Art, immer voraus, immer ehrlich- das Herz am rechten Fleck („he wore his heart on his sleeve“ würde de Bromhead später sagen) - unzählige Fans gemacht. So kannte und liebte man Special Tiara, er musste führen, immer, und das tat er in 36 Rennen, solange er konnte (sieben glorreiche Siege und insgesamt 17 Platzierungen werden bleiben) und dies tat er am diesem fatalen Samstag in Leopardstown, all guns blazing auf dem Weg zum ersten Hindernis, als sein rechtes Hinterbein - noch bevor das Feld auch nur in der Nähe eines Hindernisses war-  plötzlich nachgab.

Ein kollektives Stöhnen ging durch die Menge, der Sieg es heissen Favoriten Min (Willie Mullins-Ruby Walsh) wurde gleichsam Nebensache. Bereits vor dem Rennen hatte Nicky Richards - einer der wenigen Trainer, die sich aus England in den Höhle der (irischen) Löwen gewagt hatte - seinen alten Kämpe Simply Ned auf Anraten der Tierärzte streichen müssen, er (das Pferd) hatte sich in der Box das Knie gestossen. Nach dem tragischen Ausfall von Special Tiara fiel ein weiterer Starter zu allem Überfluss gleich am ersten Sprung, so dass nur drei Pferde das Ziel erreichen, hinter Min Henry de Bromheads zweiter Starter Ordinary World, dann erst Harry Whittingtons mit so vielen Hoffnungen gesattelter Saint Calvados. Auch Whittington hatte den sprichwörtlichen Sprung über die irische See gewagt, der letzte Platz war mehr als eine Ernüchterung.

Die anderen Rennen des ersten Tages blieben - selbstredend - fest in irischer Hand, bei den „gemeinten“ Trainern“ noch dazu. Die Auftaktprüfung des Tages, ein Gr.1. Rennen über 2m6f, sicherte sich Gigginstown Studs Commander of Fleet, nach einem langgezogenen Kampf gegen Rhinestone. Besonders gefiel im diesem Rennen allerdings Willie Mullins´ Relegate,  Cheltenham Festival Siegerin 2018, damals auf der Flachen. Am Samstag kam sie einfach zu spät in Schwung und flog dann dem Ziel entgegen, für das diesjährige Festival hat sie diverse Optionen.

Cheveley Parks Envoi Allen wurde seiner Favoritenrolle im Gr.2-Bumper des Meetings mehr als gerecht, auch wenn der mächtige Wallach, trainiert von Gordon Elliott und geritten von der Amateur-Geheimwaffe Jamie Codd, sich zum Schluss noch strecken musste. Der Arkle-Trial (Gr.1, 2m1f) schließlich ging an den von Joseph O´Brien für JP McManus trainierten Le Richebourg, der letztendlich sicher nach Hause kam, aber vom (zum Glück glimpflich ablaufenden) Sturz eines Gegners am letzten Sprung profitierte. Mit Us and Them stellte sein junger Trainer gar die beiden Erstplatzierten, in sehr kurzer Zeit hat sich O´Brien fest in der Spitze der Top-Trainer Irlands etabliert, wo er ja auch auf der Flachen bereits so spektakuläre Erfolge gefeiert hat. Gute Gene eben nicht nur bei den Pferden.

Machte am ersten Tag des Festivals die Sonne den Startern das Leben schwer - wegen der niedrigen Sonne musste der letzte Sprung in fast allen Rennen ausgelassen werden - so brachten steigende Temperaturen am zweiten Tag eine ganz neue Herausforderung, die leider auch insgesamt einen Schatten über das Meeting warf: der stark abgetrocknete Boden - man hatte kaum Regen erhalten und aufgrund der niedrigen Temperaturen in der Woche vor dem Meeting nicht wässern können - zog Massen von Nichtstartern nach sich, insgesamt 26 am Sonntag, dem zweiten und letzen Tag des DRF. 

Im Irish Gold Cup traten somit schlußendlich nur vier Starter an, und auch die Flogas Novices´ Chase (Gr.1, 2m5f) verlor mit dem Ausfall von  Gordon Elliotts Starter Delta Work, einem der Favoriten für Cheltenhams RSA Chase, eine ihrer Hauptattraktionen. Pech füt die Zuschauer war Glück für den einzigen englischen Starter an Tag Zwei: Der Weg war frei für Warren Greatrex´ famose La Bague Au Roi, und die Doctor Dino -Tochter enttäuschte nicht. Champion-Jockey Richard Johnson, nur für diesen einen Ritt eingeflogen, ließ auf der  braunen Stute nichts anbrennen, bestimmte von der Spitze aus das Tempo und stand dieses schlußendlich sicher nach Hause, auch wenn P M Doyles Kaiser Black, der größte Außenseiter des Rennens, noch einmal recht nahe kam. Doch drin ist drin und draußen ist es kalt; dies war ein Riesen-Erfolg für Greatrex, einem der zahlreichen Trainer in der vermeidlich „zweiten Reihe“ der englischen Trainer-Riege, dem die Star-Pferde nicht eben in den Schoß fallen, der aber über die Jahre mehr als einmal bewiesen hat, wie gut er auch ein Klasse-Pferd trainieren kann, man erinnere sich nur an Cole Harden.  La Bague Au Roi ist seit Jahren sein Liebling, „ ich hätte mich morgens beinahe in mein Porridge übergeben, so aufgeregt war ich.“ bekannte Greatrex nach dem Rennen; „dies war schon so lange mein Plan“. Cheltenham wird die Stute nun vermutlich auslassen.

Seine Ambitionen auf Cheltenham untermauerte hingegen Sir Erec, in den Farben von JP McManus ebenfalls von Joseph O´Brien trainiert, der den Triumph Hurdle Trial (Tattersallls Ireland Spring Juvenile Hurdle, Gr.1, 2m) gewann und seine Stellung an der Spitze des Wettmarktes für die „echte“ Triumph Hurdle mehr als zementierte. Am letzten Wochenende hatte O´Brien bereits (Turf-Times berichtete) das englische Äquivalent am Trials Day in Cheltenham mit Fakir D´Oudairies gewonnen, dieses Rennen scheint wirklich fest in seiner Hand. Erneut stellte O' Brien die beiden Erstplatzierten, die nicht nur zudem Stallgefährten sind, beide stammen von Camelot ab, wurden zuvor von Vater Aidan für „the lads“ Tabor, Magnier & Co auf der Flachen trainiert. Hier waren sie gar einmal gegeneinander gelaufen, letztendlich war Sir Erec, der im Übrigen noch ein Hengst ist, in dieser Sphere recht talentiert und immerhin Listen-Sieger. Auch diesem Paar, im Führring stattliche Erscheinungen, wird der Boden nicht sonderlich behagt haben, umso beeindruckender der Sieg von Sir Erec.

Deutsch gezogene Pferde schaffen es immer wieder, auch in dem starken irischen Umfeld ihren Kopf über Wasser zu halten. Bereits am ersten Tag hatte der vom Gestüt Paschberg gezogene Lord of England-Sohn Quamino das Abschlußrennen, ein Class B Handicap, gewonnen; am Sonntag konnte der Ex-Henk Grewe Schützling Tiger Tap Tap (Jukebox Jury-Tomato Finish, gezogen von Volker Käufling) hinter eben Sir Erec einen guten vierten Platz belegen. In der Chanelle Pharma Novices´ Hurdle (Gr.1, 2m) - Sponsor ist somit niemand anderes als Sir AP McCoys´ Ehefrau - musste sich der Monsun-Sohn Aramon, aus Röttgener Zucht und einstmals u.a. für den GCD unterwegs, nur seinem Trainingsgefährten Klassical Dream geschlagen geben, auf dem ein wie entfesselt reitender Ruby Walsh alle Register sein Könnens zog.

Viel Kritik hatte der irische Star-Jockey in den sozialen Netzwerken zuletzt einstecken müssen; dieses Wochenende war auch sein Befreiungsschlag. Besagtes Rennen wurde ebenso Beute seines überlegenen Endkampfes wie der Irish Gold (Gr.1, 3m) selber. Wie bereits erwähnt, litt dieses Rennen besonders unter der Flut der Nichtstarter, aus zehn macht vier, doch für einen spannenden Endkampf braucht es nur zwei Pferde, und diesen bekamen die Zuschauer wahrlich geboten. Ruby Walsh gegen Sean Flanagan, Willie Mullins vs. Noel Meade, aber vor allem Bellshill (Besitzer: Graham Wylie) gegen Road to Respect (Gigginstown Stud). Wer weiß, wie das Rennen ausgegangen wäre, hatte Road to Respect nicht seine beinahe schon charakteristischen Fehler gemacht; trotzdem schien er am letzten Sprung mit einigen Metern Vorsprung die besseren Karten zu haben, doch sobald Walsh seinen Partner sicher über den letzten Sprung bugsierte hatte, gab es kein Halten mehr, fast schien es, als wäre es vor allem die geballte Willenskraft des heute schon als legendär zu bezeichnenden Jockeys, der schlußendlich den Kopf seines Pferdes auf der Ziellinie nach vorne presste. Ein standesgemäßes Ergebnis, möchte man sagen, zum zehnten (!) Mal gewann Willie Mullins diese Prestige-Prüfung des Irischen Sports; erstmals im Jahr 1999 mit dem legendären Florida Pearl, der diese Prüfung dann viermal gewann, darunter auch zweimal unter Richard Johnson. Auch im Rennsport schließen sich Kreise.

Bellshill wird nun sicherlich den Cheltenham Gold Cup ansteuern, ein Rennen, das in diesem Jahr bislang seltsam offen erscheint; und das Willlie Mullins, man mag es kaum glauben, noch nie gewonnen hat.

Statistisch war das Dublin Racing Festival nur ein kleiner Erfolg. Mit rund 24.200 Zuschauern kamen weniger als im letzten Jahr, der Wettumsatz sank (am Toto) auf deutlich unter eine Million, nicht verwunderlich, wenn man die Anzahl der Nichtstarter bedenkt. Auch die Buchmacher verzeichneten einen Umsatzrückgang, rund 1.9 Millionen Euro weniger flossen durch ihre Kassen, erstaunlich, wie traditionell nach wie vor das Wettverhalten der Zuschauer ist. Leopardstown hat sich auch in 2019 erneut bemüht, vor allem ein junges Publikum anzusprechen, mit Disko- und Beauty-Zelt und allem Drumherum. Ein langsamer demagogischer Wandel wird  tatsächlich sichtbar, noch vor zehn Jahren waren irische Rennbahnbesucher zumeist jenseits der 60 und schienen selber direkt auf dem Pferdestall zu kommen, heute ist das Publikum, wie es sich für eine Rennbahn nahe der Hauptstadt gehört, durchaus urban geprägt;  der Puls der Rennbahn wird schneller - und jünger.

Catrin Nack

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