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Dennis Schiergen im Porträt: "Die Uni geht vor!"

Autor: 

Karina Strübbe

TurfTimes: 

Ausgabe 304 vom Donnerstag, 20.02.2014

Dennis Schiergen in der Dresdener Jockeystube. Foto: www,galoppfoto.de - Frank SorgeDennis Schiergen in der Dresdener Jockeystube. Foto: www,galoppfoto.de - Frank Sorge

Ein paar Wochen hat sich Dennis Schiergen rar gemacht. Drei Renntage zwischen Januar und Februar in Neuss und Dortmund fanden ohne Ritte des amtierenden Champions der Amateure statt. Wer vermutet, Dennis Schiergen habe Urlaub gemacht, liegt jedoch falsch. Seine Abwesenheit hatte andere Gründe, wie er im Interview mit Turf-Times erzählt. „Ich hatte Klausurphase und habe viel gelernt und konnte auch nicht viel laufen gehen, deswegen habe ich ein paar Renntage ausgelassen. Die Uni geht momentan vor, weil ich einen guten Abschluss haben will.“

Auf zur Morgenarbeit: Dennis Schiergen trenst den dreijährigen Nadelwald. Foto: Karina StrübbeAuf zur Morgenarbeit: Dennis Schiergen trenst den dreijährigen Nadelwald. Foto: Karina StrübbeNachdem er im letzten Jahr das Abitur gemacht hatte, entschied sich Dennis Schiergen für ein Studium und damit bewusst gegen den Wechsel ins Profilager. Wäre er Profi, könnte sich Dennis Schiergen schon lange Jockey nennen, bisher bringt er es auf 112 Siege im Rennsattel, errungen in knapp vier Jahren. Gegen den Beruf Rennreiter sprach vor allem ein pragmatischer Grund: „Vom Gewicht her werde mein Geld wohl nicht als Jockey verdienen können, deswegen will ich mir noch etwas anderes aufbauen.“ Dennis Schiergen macht sich diesbezüglich keinerlei Illusionen. Nachdem er mit 15 Jahren 53 Kilo reiten konnte, sind nun 56 die absolute Untergrenze. „Ich habe gemerkt, dass es mit dem Gewicht ein immer größerer Kampf wurde. Da muss man realistisch sein und es nicht krampfhaft versuchen.“ Dabei wäre der Schritt in die Professionalität bei allem Realismus wohl doch ein Wunschtraum für ihn gewesen. Eine gewisse Wehmut ist Dennis Schiergen diesbezüglich anzumerken, wenn er sagt: „Die sechs Monate zwischen Schulabschluss und Beginn des Studiums war ich so gut wie jeden Tag am Stall, das war schon toll. Da hatte ich quasi das Leben der Jockeys: Morgens fünf Lots reiten und wenn ein Renntag ist,  Frankreich, Belgien, Schweiz, Deutschland, überall einfach hinzufahren und reiten, so viel es geht. Das macht unheimlich viel Spaß. Es ist zwar anstrengend, aber wenn man an einem Hobby so viel Freude hat, ist es natürlich schön, wenn man es zum Beruf machen kann.“

Prinz mit Dennis Schiergen beim Aufgalopp in Hamburg 2010. Foto: www.galoppfoto.de - Sabine Brose/SorgePrinz mit Dennis Schiergen beim Aufgalopp in Hamburg 2010. Foto: www.galoppfoto.de - Sabine Brose/SorgeWenn auch formal kein Berufsrennreiter, ist Dennis Schiergens Einstellung umso professioneller. Erst kommt das Studium, erst danach, trotz aller Leidenschaft, die Rennreiterei. Umso mehr genießt er nun nach Abschluss der Prüfungen für das laufende Semester die freie Zeit, die er natürlich am heimischen Stall verbringt. Bis zum erneuten Beginn der Vorlesungszeit kann er nahezu jeden Tag die Morgenarbeit reiten. Beim Turf-Times-Besuch steigt er fünfmal in den Sattel. Ein Lieblingspferd habe er nicht, dafür ist der Wechsel im Stall wohl auch einfach zu groß. Nach kurzem Überlegen nennt Dennis Schiergen Prinz als sein letztes Lieblingspferd. Der hat mittlerweile die Rennkarriere beendet und genießt im Stall seiner Besitzerin Carde Ostermann-Richter „ein gutes Leben". Prinz begleitete Dennis Schiergen einen großen Teil seiner ersten Zeit als Amateur. 21 Rennen bestritten die beiden gemeinsam, drei davon gewannen sie. Dennis Schiergen konnte und kann ohnehin auf die Unterstützung Ostermann-Richters bauen, gerade zu Beginn war das wichtig. Schließlich ist die reiterliche Konkurrenz im heimischen Quartier groß.

Bis dato der sportlich größte Erfolg, Gr. I-Sieg mit Nymphea. Foto: www.galoppfoto.de  - Joerg SorgeBis dato der sportlich größte Erfolg, Gr. I-Sieg mit Nymphea. Foto: www.galoppfoto.de - Joerg SorgeAber auch abgesehen von den Pferden in den blauweißen Farben Ostermann-Richters hat sich Dennis Schiergen eine gute Position im Stall erarbeitet. Dies beweist auch die Tatsache, dass er das Vertrauen der Besitzer auch in höherdotierten Rennen bekommt, wenn die Jockeys des Stalls verhindert sind Dennis Schiergen freut über den  3. Tagestreffer mit Oggetta. Foto: www.galoppfoto.de - Frank SorgeDennis Schiergen freut über den 3. Tagestreffer mit Oggetta. Foto: www.galoppfoto.de - Frank Sorgeoder an anderen Orten reiten. Dieses Vertrauen bescherte ihm den viel gelobten Ritt auf Nymphea im Großen Preis von Berlin (beim Klick auf den Renntitel gibt es alle Infos inkl. Video und Fotos), Dennis Schiergens erster Gruppesieg und das gleich auf höchster Ebene.

Die komplette Schiergen-Familie nach Dennis' Nymphea Coup in Hoppegarten: Trainer Peter Schiergen mit Ehefrau Gisela und den Söhnen (v.l.n.r.) Laurenz, Dennis und Vinzenz. www.galoppfoto.de - Jörg SorgeDie komplette Schiergen-Familie nach Dennis' Nymphea Coup in Hoppegarten: Trainer Peter Schiergen mit Ehefrau Gisela und den Söhnen (v.l.n.r.) Laurenz, Dennis und Vinzenz. www.galoppfoto.de - Jörg SorgeÜberhaupt ist Hoppegarten ein gutes Pflaster für ihn. Im letzten Jahr gelang ihm neben dem Gr. I-Sieg im August mit Oggetta, Herreshoff und Run on Fire sogar ein Hatttrick. „Berlin ist schon was Spezielles. Zum einen wegen Nymphea, zum anderen wegen des Triples am nächsten Renntag. Dann war da noch der World Cup of Nations, also schon einige tolle Momente. Und mittlerweile habe ich auch einen kleinen Bonus bei den Zuschauern, es kommen immer viele und wollen Autogramme haben. Das fühlt sich nicht so schlecht an.“

Fast hätte es 2013 geklappt mit dem Derbyritt. Dennis Schiergen und Orsello in Köln. Foto: www.galoppfoto.de - Sandra ScheringFast hätte es 2013 geklappt mit dem Derbyritt. Dennis Schiergen und Orsello in Köln. Foto: www.galoppfoto.de - Sandra ScheringEinen Derbyritt zu bekommen, ist jedoch bisher ein unerfüllter Traum geblieben. Dabei war er im letzten Jahr nah dran. Dennis Schiergen war für Orsello vorgesehen, mit dem er u.a. Dritter im Union-Rennen wurde. Doch dann verletzte sich der Hengst und musste später eingeschläfert werden. Aus dem Derbyritt wurde nichts.

Den ersten Listensieg schaffte Dennis Schiergen 2011 im Sattel von Jardina. Foto: www.galoppfoto.de - Frank SorgeDen ersten Listensieg schaffte Dennis Schiergen 2011 im Sattel von Jardina. Foto: www.galoppfoto.de - Frank SorgeDass Dennis Schiergen überhaupt einmal realistischerweise an den Derbyritt denken kann, ist trotz „familiärer Vorbelastung“ keine logische Folge. Dass aller Anfang schwer ist, erlebte auch er. „Ich habe die Bahn beim letzten Rennen noch nie so voll gesehen“, sagt Dennis Schiergen, als er sich an seinen ersten Rennritt am 28.03.2010 in Düsseldorf auf Precioso erinnert. Er wurde als 19:10-Favorit Dritter. Nach seinem zweiten Ritt wenige Tage später in Köln auf Duellant (4. Platz) erhielt von Zaungästen sogar die spöttische Empfehlung, doch lieber wieder Ponyrennen zu reiten. Das tat Dennis Schiergen nicht. „Die ersten Rennen kann man nicht perfekt reiten, es geht alles einfach viel zu schnell.“ Er biss sich durch und konnte ein paar Ritte später mit Nicety den ersten Sieg feiern. Nach vier Siegen 2010 ging es 2011 so richtig los. Die damals erreichte Anzahl von 41 Siegen konnte Dennis Schiergen nach Verlust der Erlaubnis zwar nicht mehr erreichen, dafür kamen Ritte und Erfolge in besseren Rennen. Neben Nymphea gelang ihm mit der ebenfalls Stall Nizza gehörenden Stute Jardina ein Listensieg. Und auch wenn es mit dem Derbyritt bisher noch nicht geklappt hat, auf einen Ritt in der Diana kann seit dem August vergangenen Jahres (16. Platz mit Next Green) immerhin zurückblicken.

Mittlerweile hat Dennis Schiergen mit Bruder Vinzenz familiäre Konkorrenz bekommen. Foto: www.galoppfoto.de - Frank  SorgeMittlerweile hat Dennis Schiergen mit Bruder Vinzenz familiäre Konkorrenz bekommen. Foto: www.galoppfoto.de - Frank Sorge„Letztes Jahr bin ich noch Champion geworden, dieses Mal könnte es schon schwer werden“ Das liegt daran, dass sich die Konkurrenz aus der eigenen Familie bereits in Position gebracht hat. Mit Dennis‘ jüngerem Bruder Vinzenz sitzt bereits der zweite Schiergen im Rennsattel. Einen harten Konkurrenzkampf innerhalb der Familie gibt es jedoch nicht: „Das ist ein Geben und Nehmen. Wenn ich zum Beispiel nicht reiten kann, dann versuche ich, Ritte an ihn weiterzuvermitteln. Nadelwald mit Dennis Schiergen und Allano in Köln bei der Morgenarbeit. Foto: Karina StrübbeNadelwald mit Dennis Schiergen und Allano in Köln bei der Morgenarbeit. Foto: Karina StrübbeMan versucht sich gegenseitig weiterzubringen und zu pushen. Natürlich freut man sich auch, wenn man gegen den anderen gewinnt, keine Frage.“ Vielleicht wird es 2014 nach drei unangefochten gewonnenen Championaten von Dennis Schiergen ja einen Zweikampf zwischen Brüdern geben. Momentan steht es 4:1 für Vinzenz Schiergen.

 

Steckbrief Dennis Schiergen
Geboren:28.12.1994
Erster Sieg:Am 30.06.2010 mit Nicety in Köln
Siege:112 (Stand: 18.02.2014)
Größte Erfolge:Drei Championate (Amateurrennreiter, Sieg im Großen Preis von Berlin, Gr. I, mit Nymphea,  zwei Siege in Katar und jeweils einer in Russland, Frankreich und der Schweiz auf Reisen mit der Fegentri
Dennis Schiergen über...
die Fegentri:

„Es ist etwas Besonderes, wenn man eine schwarz-rot-goldene Armbinde trägt und weiß, man reitet für Deutschland. Beim World Cup, dem Teamwettbewerb, reitet man im Deutschland-Dress. Das ist noch besser. Vor drei Jahren habe ich in Berlin im Deutschland-Dress gewonnen. Das war noch mal was ganz anderes, vor allem wenn dann noch die Nationalhymne gespielt wurde. Die Leute waren auch ganz aus dem Häuschen, auch wenn das Rennen nur ein schwacher Ausgleich IV war.“

Mit Atlantis siegt Dennis Schiergen 2011 im Fegentri Cup of Nations. Foto: www.galoppfoto.de - Marius Schwarz/SorgeMit Atlantis siegt Dennis Schiergen 2011 im Fegentri Cup of Nations. Foto: www.galoppfoto.de - Marius Schwarz/Sorge

Rennen in arabischen Ländern:

„Katar ist zwar kleiner als Meydan, aber die Leute versuchen, alles zu zeigen, wenn man da ist. Wir wohnen fünf Tage in einem Fünf Sterne-Hotel für nur ein einziges Rennen. Dann ist auch alles vom Allerfeinsten inklusive Galadinner usw.“

das erste Mal auf einem Rennpferd:

Auf der Rennbahn groß geworden: Dennis 1996 mit seinem Vater Peter Schiergen in Bad Doberan. www.galoppfoto.de - Frank SorgeAuf der Rennbahn groß geworden: Dennis 1996 mit seinem Vater Peter Schiergen in Bad Doberan. www.galoppfoto.de - Frank Sorge„Ich weiß es nicht mehr, aber laufen konnte ich noch nicht. Es gibt Fotos, da war mein Vater noch bei Heinz Jentzsch und alle haben mich festgehalten, dass ich bloß nicht runterfalle. Das ist schon ein paar Jahre her.“

die freie Entscheidung:

Die Anfänge: Dennis Schiergen mit Millenium beim Ponyrennen 2008 in Hamburg. Foto: www.galoppfoto.de - Frank SorgeDie Anfänge: Dennis Schiergen mit Millenium beim Ponyrennen 2008 in Hamburg. Foto: www.galoppfoto.de - Frank Sorge„Mein Vater hat sich das sicher gewünscht, aber er hat da keinen Druck gemacht. Er hat meinen Brüdern und mir irgendwann ein Pony gekauft, als wir etwa im Kindergartenalter waren. Wir hatten freie Wahl.“

Vereinbarkeit von Studium und Reiterei:

„Ich bin flexibler als zu Schulzeiten, weil die Zeiten anders liegen, sodass ich auch mal abends an der Uni bin und dadurch morgens im Stall sein kann. Dafür ist der Lernaufwand viel höher als in der Schule. Da konnte ich auch mal ein paar Tage fehlen. Die Uni ist mir jetzt aber auch sehr wichtig. Denn vom Gewicht her werde mein Geld wohl nicht als Jockey verdienen können, deswegen will ich mir noch etwas anderes aufbauen.“

eine Zukunft im Rennsport:

„Kann ich mir schon vorstellen, wenn sich das mit meinem Studium verbinden lässt und sich der passende Job anbietet und sich zum Beispiel Aufstiegschancen ergeben, klar. Ich glaube auch nicht, dass mein Vater trainieren will, bis er 80 ist. Aber man weiß natürlich nicht, was sich da für Optionen ergeben.“

Ziele im Rennsattel:„Das Ausland ist relativ eingeschränkt, weil man oftmals nur in Amateurrennen starten darf. In Deutschland ist natürlich das Derby ein Traum für so gut wie jeden, ansonsten allgemein die Gr. I-Rennen. Wäre schön, wenn noch ein Sieg dazukäme.“
das beste Pferd:

Das letzte Lot des Tages macht sich auf, mit dabei: Dennis Schiergen und Xenophanes. Foto: Karina StrübbeDas letzte Lot des Tages macht sich auf, mit dabei: Dennis Schiergen und Xenophanes. Foto: Karina Strübbe„Im Training oder im Rennen? Im Training wäre es ja einfach, Danedream. Im Rennen, hm, Nymphea ist ja meine Gruppe I-Siegerin, da ranzukommen, ist natürlich schwierig. Ansonsten würde ich noch Orsello nennen, der ein sehr gutes Pferd geworden wäre. Der hätte aber auch noch Zeit gebraucht.“

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