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Der Coup des Lando-Sohnes und Geschichten um die Nunthorpe Stakes

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 432 vom Donnerstag, 25.08.2016

Seit dem vergangenen Samstag ist das 2016 Ebor Festival schon wieder „Geschichte“, aber nicht, ohne vorher einige neue Geschichten seiner Historie zu schreiben. Hochklassiger Sport wurde an den beiden letzten Tagen des Meetings in Hülle und Fülle geboten; in den Gimcrack Stakes, immer ein Pointer für „horses to follow“, die allerdings meistens  Sprinter sind und bleiben, machte Godolphins Blue Point mächtig Eindruck. Jockey William Buick, für den es an diesem letzen Tag des Meetings ganz besonders gut lief, ließ sich im Überschwang der Gefühle sogar zu der Aussage hinreißen, Blue Point sei einer der besten Zweijährigen, auf denen er je gesessen habe. Sein in diesem Jahr in den Ruhestand versetzter Vater Shamardal könnte hier wirklich etwas ganz Besonders hinterlassen haben, auch wenn, wie von Trainer Charlie Appleby geäußert, Zweifel am Stehvermögen mehr als angebracht sind.

Das Highlight des Abschlußtages ist aber das Ebor Handicap, seines Zeichens das höchstdotierte Handicap Europas, und wenn ein Rennen über lange 2816m führt, so können deutsch gezogenen Pferde nicht weit sein: mit Oriental Fox, Seismos, Fun Mac und eben dem Sieger Heartbreak City, einem Lando-Sohn, kamen vier Pferd mit deutschen Wurzeln an den Start. Handicaps sind im ursprünglichen Sinn Rennen, in denen man eine knappe Ankunft mit hart kämpfenden Pferden erwartet, selten jedoch hat man ein Pferd – hier in York oder anderswo – ein so bedeutendes Ausgleichsrennen mit solch spielerischer Leichtigkeit gewinnen sehen; nicht, dass sein junger Pilot Adam McNamara aufmerksame Zuschauer der Fernsehsendung Morning Line nicht gewarnt hätte. Bereits Mitte der Geraden konnte es nur einen möglichen Sieger geben, und McNamara hatte eher Schwierigkeiten, seinen Partner lange genug zu verstecken, denn in dem sich auflösenden Feld eine Lücke zu finden; kaum auf freier Bahn, zog der sechsjährige Wallach unwiderstehlich an und löste sich nach Belieben.

Ein typischer Tony Martin–Coup seines mit allen Wassern gewaschenen irischen Trainers (der sich erst im letzten Monat den Vorwürfen der Rennmanipulation erwehren musste)  könnte man da vermuten, doch mitnichten: Heartbreak City hat nun von seinen letzten fünf Starts vier Rennen gewonnen, wenn auch z.T. über Hürden, so doch beim renommierten Galway Festival, und war von seinem Trainer für gut genug befunden worden, im diesjährigen Chester Cup an den Start zu gehen. Zudem hatte der Wallach bereits im Vorjahr sehr erfolgreich seine Visitenkarte in York abgebeben, auch wenn er 2015 noch in anderem Besitz stand.

Apropos Besitzer: Man kann sich natürlich immer darauf verlassen, dass irische Besitzer bei der Siegerehrung eine besonders ausgelassene Stimmung verbreiten, und die „Here for the craic“ Partnerschaft machten ihrem Namen alle Ehre: sie feierten ihren bahnbrechenden Sieg mit ohrenbetäubender Lautstärkte, der arme Heartbreak City musste sich zum allem Überfluß sogar einen Hut aufsetzten lassen. Heartbreak City, in Frankreich geboren, wo er auch seine Rennlaufbahn begann, wechselte erst im August 2013 in irischen Besitz und hat nun bei 22 Starts sechs Rennen auf der Flachen und über Hürden gewonnen. Martin, ein Urgestein der irischen Trainerszene, der allerdings seit  Anfang des Jahres den Verlust des Besitzers Gigginstown Stud verkraften muss, feiert seine größten Erfolge normalerweise im Winterhalbjahr (im National Hunt Sport) und hat auf der Flachen noch keinen bedeutenderen Sieger trainiert. Mit Adam McNamara (5 Pfund Erlaubnis), Clifford Lee (7) und Oisin Orr (7) wurden die drei Erstplatzierten Pferde allesamt von Auszubildenden geritten, Tony Martin stellte mit Quick Jack auch das drittplatzierte Pferd.

Am Tage zuvor waren mit den Nunthorpe Stakes (Gr. 1, 5f) eines der renommiertesten Sprintrennen der Insel über die Bühne gegangen. Leichte Beute für die Vorjahressiegerin Mecca's Angel (Trainer: Michael Dods), für die der nächtliche Regen genau zur rechten Zeit kam, und die sich damit als eine absolute Spezialistin für die Minimaldistanz auswies. Bei 18 Starts hat die gefällige Schimmelstute, Tochter des hocherfolgreichen Beschälers Dark Angel, nun 10mal gewonnen (ausschließlich über 1000m), ist fünffache Gruppe-Siegerin (davon zweifache Gruppe1 Siegerin), über 650.000 GBP stehen an Gewinnsumme auf dem Habenkonto ihres Besitzers David Metcalfe, dessen Pferde immer den Namenszusatz „Mecca“ tragen.

Nach Borderlescott in 2008/9 ist Mecca´s Angel eine weiterer Doppelsieger des Rennens, die erste Stute, der dies gelang, und eine der wenigen Mehrfach-Sieger seit den fünfziger Jahren, von denen der brillante Sharpo zu Beginn der 80iger Jahre als Dreifach-Sieger natürlich ganz besonders hervorsticht. Aber es sind Namen wie Deep Diver, Lochnager (der das Rennen 1976 gewann, sein immer noch aktiver Trainer Mick Easterby bezeichnete den Hengst kürzlich als das mit Abstand schnellste Pferd, das er je trainiert habe), oder der großartige Ahonoora, die die große Klasse dieses Rennen verdeutlichen. Michael Stoute, damals noch ohne „Sir“ gewann seine ersten Nunthorpe im Jahr 1974 mit Blue Cashmere, nach dem Ayr Gold Cup, den eben dieses Pferd im Jahr zuvor gewonnen hatte, war dies der zweite große Treffer seiner damals gerade zwei Jahre alten Trainerlaufbahn. Anschließend führte er den so früh verunglückten Ajdal hier im Jahr 1987 zum Sieg, der Hengst war tatsächlich Anfang Juni im Epsom Derby an den Start gekommen, ehe man sich distanzmäßig eines Besseren besann. Einflussreiche Deckhengste haben dieses Rennen gewonnen, so finden sich Namen wie Last Tycoon, Cadeaux Genereux, Dayjur, Pivotal, Stravinsky, Mozart (der sehr früh starb) oder Oasis Dream  unter den Siegern, und dies berücksichtigt nur die letzten dreißig Jahre. 

Die Nunthorpe Stakes sind das einzige Gruppe- Rennen Englands, in dem Zweijährige gegen ältere Pferde antreten dürfen, dies gelangen bisher drei Pferden: High Treason (1953), der pfeilschnellen Lyric Fantasy im Jahr 1992 und natürlich Kingsgate Native, der das Rennen im Jahr 2007 gewann und auch 2016 immer noch aktiv am Renngeschehen teilnimmt. 1997 sah das einzige tote Rennen der  Geschichte des Rennens, als Costal Bluff und Ya Malak auch durch das Zielfoto nicht zu trennen waren, es war dies zugleich der erste Gruppe 1 Erfolg eines weiblichen Jockeys in England, da Alex Greaves auf dem letztgenannten Pferd für ihren Ehemann David (Dandy) Nicholls in den Sattel gestiegen war. (Hayley Turner gelang dies im Jahr 2011 dann zweimal, sie gewann den July Cup mit Dream Ahead und die Nunthrope Stakes mit Margot Did).

Die legendäre Lochsong trug sich 1993 fünfährig in die Siegerlisten ein (ihr Reiter ein blutjunger Frankie Dettori, der mit der Kult-Stute eines seiner ersten „großen“ Pferde ritt), und sie hätte wohlmöglich die erste weibliche Doppelsiegerin des Rennens werden können, wären ihr im darauffolgenden Jahr nicht bei der Parade die Nerven durchgegangen. Nachdem sie unkontrollierbar um die halbe Bahn galoppiert war, fehlte – sie war schließlich ein Sprinter – im Rennen dann „natürlich“ die Luft, aber damit war das Drama des Rennens, und das des Jeff Smith, an diesem Tag noch nicht beendet. Als Lochsong den Rückzug antrat, schickte sich ihre Stallgefährtin Blue Siren an, das Rennen trotz allem für Smith´ violette Rennfarben zu gewinnen, eine kleine Behinderung, nach der nach heutigen Regeln in England kein Hahn krähen würde, kostet sie dann aber auch den Sieg, da man sie auf Platz zwei hinter Piccolo zurück setzte. Lochsong konnte später im Jahr dann unter dem frenetischen Jubel ihrer zahllosen Fans einen zweiten Prix de l'Abbaye (Gr. I) in Longchamp gewinnen,  sie ist bis heute eine wahre Legende des englischen Rennsports. Ihre Halbschwester Lochangel gewann das Rennen für das gleiche Team Dettori-Smith – (Ian) Balding im Jahr 1998, und kaum ein Sieg rief auf der Insel in diesem Jahr größere Emotionen hervor als der Erfolg von Dancing Star im Stewards Cup in Goodwood. Lochangel ist ihre 2. Mutter, und auch die „Großtante“ Lochsong hatte dieses Rennen statte 24 Jahren zuvor gewonnen, es war, als hätte man ein kleines bisschen die Zeit zurück gedreht.

Seit 2011 erhält der Sieger der Nunthorpe Stakes ein kostenloses Startrecht im Breeders Cup Sprint (soweit das Pferd im Rennen über seinen Vater startberechtigt ist), aber bereits im Jahr 1991 gewann mit Sheikh Albadou ein späterer BC Sprintsieger auf dem Knavesmire. Trainer Alex Scott gewann nach dem bereits erwähnten Cadeaux Genereux das Rennen somit zum zweiten Mal, nur drei Jahre später wurde er im Alter von 34 Jahren von einem verärgerten Stallangestellen erschossen.

Sehr zum Leidwesen des Rennbahnmanagers William Derby fehlt dem Rennen eigentlich nur eines: eine größere internationale Beteiligung, wie sie z.B. während Royal Ascot inzwischen zum Alltag gehört. In diesem Jahr hatte man sehr auf einen Start der amerikanisch trainierten, zweijährigen Lady Aurelia gehofft, die in Ascot die Queen Mary Stakes wie ein Pferd vom anderen Stern gewonnen hatte, dann aber doch gegen Altersgenossen in Deauville an den Start kam. So sind – abgesehen von der Vielzahl der irischen Siege - eben Last Tycoon (Trainer Robert Collet, Frankreich),  Nuclear Debate (John Hammond/Frankreich) und Ortensia (Paul Messara/Australien) die einzigen „ausländischen“ Sieger der letzten Jahrzehnte, was der Klasse des Rennens als solches aber natürlich keinen Abbruch tut. Dem Vernehmen nach wird Mecca´s Angel nicht die Chance bekommen, es im Jahr 2017 einem Sharpo nachzutun, aber die Art und Weise, mit der die Stute in diesem Jahr ein wahrhaft hochklassiges Feld zu Statisten degradierte, wird noch lange in der Erinnerung der Rennbahnbesucher lebendig bleiben.

Last and least noch ein Name, den man sich merken sollte: Rivet. Der Fastnet Rock-Sohn in der Obhut von William Haggas gewann unter Frankie Dettori zwar „nur“ ein Maidenrennen für 2jährige Pferde, aber eines, das mit saftigen 60.000GBP gesamtdotiert war. Außerdem machte der Ton die Musik, und der Hengst beeindruckte schon im Führring sehr. Er hält für mehrere Gruppe-Prüfungen und sollte – Gesundheit vorausgesetzt - auch weiterhin von sich reden machen. 

Catrin Nack

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