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Cheltenham - das Festival 2023

So wie im März 2022 dürfte es auch in der kommenden Woche in Cheltenham aussehen. www.galoppfoto.de - JJ Clark

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 758 vom Freitag, 10.03.2023

Wie zu Weihnachten, ist plötzlich schon wieder ein Jahr rum, und das Cheltenham Festival steht vor der Tür. Weder der britische noch der irische Flachrennsport kennen eine Veranstaltung, die die gesamte Saison im gleichen Ausmaß definiert (und dominiert) wie diese vier Tage auf der Rennbahn im Prestbury Park, einem Stadtteil des Kurortes Cheltenham. Eine Lage, die die Urväter gut gewählt haben. Auf einer Seite von Hügeln (Cleeve Hill) sanft umrahmt, scheint die Rennbahn gleichsam ihr eigenes Tal zu belegen. Verwirrenderweise werden die Rennen auf dem „alten“ bzw. dem „neuen“ Kurs gelaufen, sowohl auf der Hürden- als auch auf der Jagdbahn. Zudem gibt es den nur einmal genutzten Cross-Country-Kurs, jenes Rennen, welches in den letzten Jahren Anlaufstelle für den legendären Tiger Roll war.

Als Publikumsmagnet ist das Cheltenham Festival eine Gelddruckmaschine für seiner Eigner, die Jockey Club Racecourses. Seit 2006 seinen administrativen Aufgaben, die der Jockey Club über Jahrhunderte innehatte, entbunden, ist „The Jockey Club“ heute die größte kommerzielle Organisation in englischen Rennsport. Sie verwaltet Ländereien, darunter die Trainingsanlagen von Newmarket und Lambourn, das englische Nationalgestüt steht unter ihrer Verwaltung. Zudem gehören ihr insgesamt 15 Rennbahnen, mit Epsom, Newmarket, Cheltenham und Aintree einige der klangvollsten Namen des Sports. Profite darf der Jockey Club nicht machen, alle Überschüsse werden in den Rennsport re-investiert.

Ein Event wie das Cheltenham Festival unterliegt natürlich einem steten Wandel. Einstmals auf drei Renntage ausgelegt, wurde im Zuge der fortschreitenden Kommerzialisierung ein vierter Tag angefügt. Gerne würde der Jockey Club gar einen fünften Tag anhängen; doch zu groß ist der Widerstand aus allen Reihen. Trainer, Besitzer und auch Fans fürchten um den Nimbus des „Besonderen“, eine Verwässerung der Qualität. Erstmals hat man in diesem Jahr die Zuschauerzahlen begrenzt; dies wurde mit einigem Erfolg auch schon in Royal Ascot praktiziert. Tatsächlich setzt der Veranstaltung auf Qualität, Luxus gar. Und dass bei Ticketpreisen, die gesalzen sind. Scheint es auf den ersten Blick, also würde das günstigste Ticket 20 Pfund kosten, so ist dies nur der Parkplatz. Pro Tag, versteht sich. Bei Einzelbezug muss man für eine Eintrittskarte mindestens 60 Pfund berappen, mit wenigen Grenzen nach oben. Für einen Bereich, der weder Zugang zu den Tribünen noch zum Führring hat; die „Best Mate“ Enclosure befindet sich im Innenraum. Standard-Tickets mit Stehplatzgarantie auf Zielhöhe kosten 108 Pfund, der Bereich weit vor bzw. hinter dem Zielpfosten immerhin 77 Pfund, pro Tag. Tatsächlich kann man zum Zeitpunkt des Schreibens ein Restaurant-Paket für 580 Pfund, und einen „Luxustag“ mit Champagner-Empfang, Wein-Tasting und Promi-Gast für 1350 Pfund buchen. Standard-Tickets für den Gold Cup-Tag sind ausverkauft.

Hauptakteure sind natürlich die Pferde, aber eine Vorschau soll dieser Artikel nicht werden. Fachzeitungen sind seit Monaten damit beschäftigt, die 28 Rennen von jedem nur denkbaren Winkel zu beleuchten. Die Nennungsergebnisse gerade der tragenden Rennen, immerhin 14 Rennen gehören zur höchsten Kategorie, sind dabei rückläufig. Die Konzentration der Spitzenpferde in der Hand weniger Trainer nimmt zu. Vor allem in Irland, welches den Sport sehr Jahren zunehmend dominiert. „Them versus Us“ („Die gegen uns“) ist das inoffizielle Motto des Festivals, tatsächlich gibt es über die Rivalität Irlands und Englands auf dem grünen Rasen mehr als nur ein Buch.

Allerdings ändern sich auch hier die Zeiten: „Es ist aber gar nicht mehr „them vs us“, sondern Mullins gegen den Rest.“ Textete die Racing Post Mitte der Woche. Seine (Mullins´) Nennungsliste, einschließlich doppelter Nennungen, umfasst 8 ½ Din A4 Seiten. Hochgerechnet sind dies rund 180 Nennungen, nur von einem Trainer. Ähnlich ist die Lage bei Gordon Elliott; und mit diesen beiden Supermächten der Trainerzunft kann auch kein weiterer irischer Trainer mithalten. Was nicht heisst, dass es Henry de Bromhead, Emmet Mullins, Gavin Cromwell & Co es nicht versuchen werden. Ein Name, der wieder in der Reihe irischer Trainer zu finden ist, und der mit einem sehr hoffnungsvollen Schützling im Gepäck anreist, ist Colm Murphy.

Ganz zu schweigen von englischen Trainern, hier ist nach wie vor die „alte Garde“ um Paul Nicholls und Nicky Henderson das Maß der Dinge. Aber auch Namen wie Olly Murphy, Ben Pauling, Charlie Longsdon oder Venetia Williams wollen mitmischen, aus Schottland werden u.a. Lucinda Russell und Sandy Thomson anreisen. Letzterer hatte am vergangenen Samstag einen famosen Tag in Kelso, also mehr oder weniger vor der Haustür. Spitzenrennen sind so kurz vor dem Festival natürlich Mangelware; Kelso hat sich mit einem soliden Programm für grundehrliche Handicapper, die sich bei einem Sieg mit nachfolgendem Start in Cheltenham für einen Bonus qualifizieren, seine eigene Nische geschaffen. Auch wenn man etwas graben muss, so gibt es sie auch in Cheltenham: die kleinen Ställe (und „kleinen“ Besitzer), die in einer großen Prüfung nach den Sternen greifen. Ruth Jefferson wird Sounds Russian im Gold Cup satteln, John „Shark“ Hanlon hat mit Hewick, der für dieses Rennen noch unter Order steht, diesen Traum bereits gelebt. Gewann doch der Wallach, einstmals für 800€ gekauft, zu Beginn der laufenden Saison das amerikanische Grand National und dort alleine mehr als 100.000 Pfund an Preisgeld. In den sozialen Medien kursierte anschließend ein Video, dass Hewick in einem Pub zeigte. So feiert man seine Sieger in Irland. Die alte Turf-Weisheit, dass es keine „Unverlierbaren“ gibt, gilt natürlich auch im Hindernissport. Gerade in den Handicaps schlummern einige Pferde, die auch für Teams jenseits der „gemeinten“ Ställe große Träume wahrwerden lassen können. Es gibt keine „kleinen“ Rennen in Cheltenham.

Wenig hat die britische Fachpresse im Vorfeld so beschäftigt wie die neuen Peitschenregeln, die auch Turf-Times an unterschiedlichen Stellen bereits beleuchtet hat. Selbstredend aus Reihen der Jockeys stark kritisiert, hatte die British Horseracing Authority nachgebessert, dann aber die Einführung trotz weiterer Proteste vor dem Cheltenham Festival durchgesetzt. Ein weiterer Beweis für den Stellenwert des Meetings, vom führenden Rennsport-Journalisten Nick Luck in seinem täglichen Podcast gar als „wichtigstes Meeting irgendwo auf der Welt“ bezeichnet. Direkt nach Einführung der neuen Regeln hagelte es Sperren; selten hat man seitdem einen so sparsamen Peitscheneinsatz gesehen wie in den vergangenen ca. 14 Tagen.

Und noch ein Wort zu einem eigenartigen Thema, den Farben der Hindernisse. Nach eingehenden, hochwissenschaftlichen Untersuchungen wurde herausgefunden, dass Pferde die Farbe weiß besser erkennen können. Nach einigen Probeläufen sind nun – Adleraugen unter den Fans mag es aufgefallen sein – alle Hürden und Jagdsprünge in England in eben diese Farbe gestrichen worden. Auch hier kam gönnerhafte Kritik, vor allem aus den Reihen der Ex-Jockeys, die sich als Moderatoren verdingen. Noch liegen naturgemäß keine Langzeitstudien vor, ganz subjektiv erscheint es aber, als würden die Pferde tatsächlich sauberer springen; auch wenn Hindernisfarben die Stürze als Ganzes natürlich nicht verhindern können. Ausgerechnet Willie Mullins hatte im Übrigen vor einigen Wochen die weiße Farbe der Sprünge als Entschuldigung für eine hochkarätige Niederlage angeführt.

Die vier Tage von Cheltenham sind ein Erlebnis wie kaum ein anderes, atemberaubend, intensiv, pulsierend, voller Adrenalin, mutigen Pferden und Jockeys. Wird Honeysuckle die Rennbahn ein letztes Mal zum Beben bringen, ist Consitution Hill der neue Superstar, wer wird Champion Chaser und wird Paisley Park den Rennbahnbesuchern Tränen der Freude in die Augen treiben? Kann A Plus Tard zum Doppelsieger des Gold Cups aufsteigen, oder gar Bravemansgame seinem Namen alle Ehre machen? Die Antwort gibt es auf dem grünen Rasen. 

Catrin Nack

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