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Der Champion mit der weichen Hand

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Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 527 vom Freitag, 20.07.2018

Über mehrere Monate beherrschte der Zweikampf um das Jockeychampionat in Hongkong nicht nur die Berichterstattung der lokalen Medien, auch international hatte das Duell zwischen Titelverteidiger Joao Moreira und Herausforderer Zac Purton die Aufmerksamkeit der Turf-Fans auf sich gezogen, auch Turf Times hatte nahezu im Wochenrhythmus über die Endphase berichtet. Die Dominanz des aus Brasilien stammenden „Magic Man“ Joao Moreira, der in den letzten Jahren die Jockeyszene in Hongkong beherrscht und dreimal hintereinander mit klarem Vorsprung das Championat gewonnen hatte, war in seiner vierten kompletten Hongkong-Saison nie so groß wie in den Jahren zuvor. Der Australier Zac Purton ließ sich nicht völlig abhängen, auch wenn seine Chancen auf den Titel lange Zeit gering schienen. Noch Anfang Mai führte Moreira mit immerhin 15 Punkten vor Purton, auch wenn er in früheren Jahren deutlicher vorne lag, galt das vierte Championat als nahezu sicher.

Doch dann startete Purton eine Aufholjagd, wobei ihm zugutekam, dass Moreira mehrfach zum Zusehen verdammt war, da er eine Sperre absitzen musste. Im Juni zog er erstmals seit Saisonbeginn an Moreira vorbei und setzte sich gleich mit mehreren Punkten Vorsprung an die Spitze. Doch in der Endphase erwachte bei Moreira, der schon seinen Wechsel nach Japan angekündigt hatte und für den es somit die letzte Saison in Hongkong war, offenbar noch einmal der Kampfeswille, Hongkong als Champion und nicht als Vize-Champion Good Bye zu sagen. Moreira kam wieder näher, doch konnte er die Partie nicht mehr zu seinen Gunsten drehen.

Am letzten Sonntag, dem Finaltag der Saison 2017/18 in Hongkong, schaffte er auf der Rennbahn Sha Tin zwar noch einmal ein Triple, doch in der Endabrechnung musste er sich mit zwei Siegen Rückstand geschlagen geben. Für ihn bedeuteten die 134 Siege in dieser Saison nach 145 Erfolgen in 2014/15, 168 Siegen in 2015/16 und der Rekordmarke von 170 Siegen in 2016/17 ein unterdurchschnittliches Ergebnis, doch hätte die Siegzahl in jedem anderen Jahr zu einem erneuten Championatsgewinn gereicht. Doch nicht in dieser Saison, in der ihm durch Zac Purton ein ebenbürtiger Widersacher erwachsen war. Mit 136 Siegen stelle der 35jährige Australier eine neue persönliche Bestmarke auf und sicherte sich nach 2013/14 sein zweites Jockeychampionat in Hongkong (bei seinem ersten Championat hatten 112 Erfolge zum Titel gereicht).

In Deutschland ist Zac Purton selbst unter Turf-Fans weitgehend unbekannt, man verbindet hierzulande weder einen schlagzeilenträchtigen Skandal noch einen spektakulären Triumph auf der Rennbahn mit ihm. Eine deutsche Rennbahn hat er bislang auch noch nie betreten, so dass auch seine Reitweise nur auf dem Bildschirm zu beobachten ist. Verdient hat er es jedoch, auch hierzulande bekannter zu sein, widerspricht sein Erfolg doch vielen traditionellen Weisheiten des Turfs und zeigt, dass auch Quereinsteiger ohne familiären Stallgeruch und Jockeys mit einer „weichen Hand“ zu Champions werden können.

Zac Purton wurde 1983  in der australischen Kleinstadt Lismore geboren. Die Familie zog mehrfach um, lebte dabei auch fünf Jahre in der Kleinstadt Motueka am Nordzipfel der neuseeländischen Südinsel, ein familiärer Kontakt zu Vollblütern und der Galopperszene existierte weder in Australien noch in Neuseeland. Die Rückkehr nach Australien führte die Familie nach Coffs Harbour, einer Stadt an der australischen Ostküste mit einer kleinen Galopprennbahn knapp 400 Kilometer südlich von Brisbane. In Coffs Harbour hatte der australische Trainerveteran Trevor Hardy sein Quartier, bei dem sich Purton als Vierzehnjähriger um eine Ausbildungsstelle bewarb. Hardy nahm ihn, auch wenn er anfangs nicht einmal auf ein Pferd steigen konnte, da er zu klein war und auch kaum Reiterfahrung hatte. „Der Junge hatte einen Draht zu Pferden und schien einen unbändigen Willen zu haben, etwas zu erreichen“, erklärte Hardy später seine Entscheidung, dem damals nur 27 Kilogramm wiegenden schmächtigen Zac eine Chance zu geben. Purton bekannte später, dass er von Hardy alles gelernt hätte, was man als Jockey bräuchte, der Rest wäre dann durch die Erfahrung gekommen. Mit 17 Jahren ritt er seinen ersten Sieger auf der Provinzrennbahn in Armidale. Auf der heimischen Rennbahn in Coffs Harbour folgten schnell weitere Erfolge. Mit den besseren Pferden des Hardy-Stalles ging es zu Rennen auf den Großbahnen in Brisbane, wo sein Talent schnell auch anderen auffiel. Mit ihm im Sattel liefen die Pferde einfach schneller, ohne dass Purton mit der Peitsche Leistung aus den Pferden herausprügelte.

Im Jahr 2003 gewann er trotz einer Verletzungspause nach einem Sturz und einer Sperre, was ihn insgesamt drei Monate lang zum Zuschauer machte, die lokale Jockeywertung in Brisbane, die alle Rennen auf den beiden Bahnen in Doomben und Eagle Farm umfasst. Dieses erste Championat war gleich ein Doppelchampionat, denn er gewann sowohl das Championat der Nachwuchsreiter als auch das Championat der Berufsrennreiter. Nach diesen Erfolgen zog es ihn in die Metropole Sydney, wo er an das Quartier von Gai Waterhouse wechselte. An diesem großen Quartier der erfolgreichsten Trainerin Australiens (mehr als 100 Gr I Erfolge, wobei der für australische Verhältnisse so wichtige Triumph im Melbourne Cup erst nach Purtons Zeit am Stall 2013 durch Fiorente gelang) konnte sich der junge Purton weiterentwickeln, ohne den Erfolgsdruck des Stalljockeys zu verspüren. Purton sagte später in einem Interview: „Dort wurde ich professioneller.“ In diese Zeit, in der er 33 Sieger für Waterhouse ritt, fiel auch im Jahr 2006 sein erster Gr I Triumph, den er allerdings nicht für Waterhouse, sondern für Trainer Guy Walter auf Excite feiern konnte.

Trotz dieser für einen jungen Jockey positiven Entwicklung entschloss sich Purton in 2007, die Chance eines Wechsels nach Hongkong zu ergreifen. Auch dort setzte er sich durch, wobei sein Aufstieg in der lokalen Jockeyszene nicht so kometenhaft von statten ging wie es einige Jahre später Joao Moreira nach seinem Wechsel aus Singapur vorführte. Purton kam nicht als umjubelter Championjockey wie Moreira nach Hongkong, sondern als junges Talent mit Potenzial. Er musste sich das Vertrauen der lokalen Trainer und Besitzer erst verdienen, große Vorschusslorbeeren gab es nicht. Doch gelang dies von Jahr zu Jahr besser. In der Saison 2013/14 löste Purton den Dauerchampion Douglas Whyte, der zuvor dreizehnmal in Serie das Jockeychampionat in der ehemaligen britischen Kronkolonie gewonnen hatte, mit einer neuen Rekordsiegzahl von 112 Saisonerfolgen in Hongkong ab. Wäre nicht „Magic Man“ Joao Moreira auf den Plan getreten, so hätte Purton wohl auch in den folgenden Jahren seinen Championatstitel verteidigen können, doch so musste er dreimal den Brasilianer vor sich dulden bevor ihm in diesem Jahr die Revanche gelang.

Internationale Gr I Triumphe feierte Purton in seiner Karriere nicht nur in der alten Heimat Australien, wo er gelegentlich als Gastjockey in großen Rennen eingesetzt wird und z.B. in 2014 den Caulfield Cup mit Admire Rakti gewann, und seiner neuen Heimat Hongkong, wo er in nahezu allen wichtigen Rennen schon siegreich war, sondern auch in Japan und Singapur. Einen besonderen Stellenwert für ihn hat jedoch der einzige Gr I Erfolg außerhalb Asiens und Australiens, der ihm 2012 glückte, als in der Royal Ascot Woche mit dem aus Hongkong angereisten Sprinter Little Bridge in den King’s Stand Stakes triumphierte. Wenn sich der Name Zac Purton durch die mediale Aufmerksamkeit seines zweiten Championatsgewinns in Hongkong weiter herumspricht, dürfte es nicht bei diesem einen Erfolg in Europa bleiben. Vielleicht kommen in der Zukunft auch einmal deutsche Turf-Fans in den Genuss, ihn live auf einer Rennbahn reiten (und siegen) zu sehen.

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