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British Champion's Day - die Bilanz

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 741 vom Freitag, 21.10.2022

Er kam, er sah – er verlor. Bereits die bloße Teilnahme von Englands Stargalopper Baaeed hatte im Vorfeld des British Champions Day die Schlagzeilen der Fachpresse bestimmt, seine Niederlage tat es natürlich erst recht. Beim elften und letzten Karrierestart, der die Krönung seiner Laufbahn hätte sein sollen, erlitt der in den Farben von Shadwell Estate Company Ltd. laufende Sea The Stars-Sohn seine erste Niederlage; als Vierter endete er gar ganz außerhalb der Platzierung. Neben dem Wetter ein echter Stimmungskiller, zumal auch dieser Renntag dem englischen Saisontrend schwindender Zuschauerzahlen (ca. 23.800 zu rund 29.000 in 2019 vor Corona) folgte und unter mangelnden großen Namen aus Irland gelitten hatte.

Den British Champions Day auf Ascots Rennbahn Mitte Oktober gibt es in dieser Form seit dem Jahr 2011. Der große Frankel, als Athlet ungeschlagener Superstar, und nun echtes Schwergewicht der Deckhengstriege, hatte zweijährig im Jahr 2010 letztmalig auf der Rennbahn von Newmarket – und somit im alten „Format“ – punkten können. Die umfassende Restrukturierung als Versuch, einen Super-Renntag á la Breeder´s Cup oder Dubai World Cup zu schaffen, ist nach wie vor unausgegoren. Die sechs Rennen umfassende Karte (ein Gr.II-, vier Gr.1-Rennen und ein Handicap) enthält keine Zweijährigen-Rennen; der eigens geschaffene „Future Champions Day“ wurde einige Male modifiziert und ist vielen Fachleuten und auch Trainern nach wie vor ein Dorn im Auge. Vom Preisgeld einmal ganz zu schweigen.

Der offizielle Pressetext verschweigt Zahlen vornehm; und wenn die Dotierungen der einzelnen Rennen im Vergleich zu Deutschland natürlich exorbitant erscheinen – international mischt britisches Preisgeld, auch und gerade in den obersten Regionen, schon lange nicht mehr mit. Erneut litt der Tag zudem unter den Kapriolen des Wetters; der Boden war weich und bevorzugt zu dieser Jahreszeit entsprechende Spezialisten. Keinen mehr als den bemerkenswerten Publikumsliebling Trueshan, im Training bei Hindernistrainer Alan King. Zum ersten Mal gelang es einem Pferd, die Steherprüfung der Karte (Champion Long Distance Cup, Gr. II, 3200m) dreimal in Folge zu gewinnen; mit seiner ständigen Reiterin Hollie Doyle wurde der Wallach, der es im heißen und trockenen Sommer nicht immer passend vorgefunden hatte, frenetisch gefeiert und sorgte mit seiner verbissenen Kampfpartie gegen den Zweitplatzierten Coltrane für einen furiosen Auftakt des Renntages. Ein Signal: alle Rennen wurden von britischen Trainern gewonnen. Nach Alan King trug sich Ralph Beckett mit Kinross in die Siegerliste ein. Der Kingman-Sohn gewann im Champions Sprint (1200m) sein zweites Gr.1- (und sein insgesamt viertes) Rennen in Folge.

Wie schon angedeutet, war vor allem die Konkurrenz aus Irland jedoch mehr als überschaubar. Star-Trainer Aidan O´Brien, der am vergangenen Sonntag seinen 53. Geburtstag feierte, reiste mit gerade einmal fünf Startern an, die am Wettmarkt 33/1, 6.5/1, 16/1, 33/ 1 und 40/1 notierten und auch entsprechend liefen. Auch der mächtige Godolphin-Stall hatte insgesamt „nur“ sechs Starter, und keinen Sieger, auch wenn dies natürlich für Team GB gezählt hätte. Großer Gewinner des Tages war ein irisches Gestüt mit seinem dort aufgestellten Deckhengst. New Bay, ein Dubawi-Sohn (Dubawi dem Vernehmen nach im nächsten Jahr der erste Partner der frischen Arc-Siegerin Alpinista) aus einer Zamindar-Mutter mit bestem Juddmonte-Blut, stellte zwei der vier Gr.1 -Sieger, Bayside Boy (Queen Elizabeth II Stakes, 1600m - Trainer Roger Varian, Jockey Tom Marquand) und eben Bay Bridge (Sir Michael Stoute, Richard Kingscote). In beiden Fällen zeichnete das Gestüt, im Besitz des amerikanischen Ehepaars Malone im County Kilkenny beheimatet, zudem als Mitbesitzer. Spannender Deckhengst-Nachwuchs ist für das Gestüt also garantiert; mit Lope de Vega, Waldgeist, Make Belive und eben New Bay ist man allerdings auch in Irland, und somit „Coolmore-Country“, ohnehin sehr gut aufgestellt.

Auch an der Siegerin der Fillies & Mares Stakes (Gr.1, 2400m), Emily Upjohn, hat sich zwischenzeitlich ein Gestüt beteiligt: Lord und Lady Lloyd Webber sind unter dem Namen Watership Down Stud seit Jahren fester Bestandteil der britischen Züchterschaft und Auktionsszene: hier wurden u.a. Too Darn Hot, Dar Re Mi, Stradivarius oder The Fugue geboren. Mitte Juni und somit nach ihrem Sieg im Englischen Stutenderby hat man sich in die Sea The Stars -Tochter eingekauft; zunächst lief es nicht rund für die neue Besitzergemeinschaft: eine Reise zu den irischen Oaks musste wegen Reiseschwierigkeiten kurzfristig abgesagt sagen, der „Ersatz-Start“ im King George geriet zum Desaster; hier galoppierte Emily Upjohn schwer regulierbar und belegte hinter Pyledriver und natürlich Torquator Tasso einen enttäuschenden letzten Platz.

Frisch aus einer Pause zeigte sich Emily Upjohn nun wieder von ihrer besten Seite. Es mag nicht das stärkste Gr.1-Rennen der Karte gewesen sein – die platzierten Pferde standen 50 bzw. 80/1 am Wettmarkt – aber „she is back“ und ihre Besitzer träumen vom Arc-Sieg 2023. Kinross und Emily Upjohn bildeten zudem ein schnelles Doppel für Jockey Frankie Dettori, der Mitte vergangener Woche in der Presse seinen Ruhestand nach der Saison 2023 angedeutet hatte. Nach diesen beiden Siegen war der charismatische Jockey verständlicherweise in anderer Stimmung.

Doch das Herzstück des Tages, die Champion Stakes (Gr.1, 2000m) und damit die Hauptrolle des Tages, gehörte dem im Besitz von James Wigan & Ballyinch stehenden Bay Bridge, trainiert von Sir Michael Stoute. Wie schon zu Beginn des Jahres, als sein Sieg in den Brigadier Gerald Stakes (Gr. III, 2000m) Ende Mai für tiefen Eindruck gesorgt hatte, besiegte der vierjährige Hengst einen heißen Favoriten. Die spektakuläre Niederlage Baaeeds ließ den Sieger etwas im Schatten sehen; auf dem Papier sah Bay Bridge´ 2022 Saison zudem durchwachsen aus.
Dem überlegenen Sieg in Sandown folgten zwei Niederlagen. Doch der Hengst, dessen unkonventionelles Pedigree nicht nur über New Bay von Juddmonte-Elementen durchsetzt ist (sein Mutter-Vater Multiplex stammt über die 2.Mutter Slightly Dangerous aus der direkten Familie von Warning, Commander in Chief und Dushyantor), steht für all die Eigenschaften, die Sir Michael Stoute zu einem der prägendsten Trainer der vergangenen Jahrzehnte gemacht haben. Unendliche Geduld, großes Können und ein feines Gespür für Klasse und Timing, auch mit stark reduzierten Schützlingen.
Die 76 Jahre alte Trainerlegende hatte in den vergangenen Jahren zunächst seine Lebensgefährtin, und dann die Unterstützung großer Besitzer, allen voran Shadwell, verloren. Seine Karriere stand durchaus an einem Scheideweg, doch wie bei Pferden gilt auch bei Trainern: „Form is temporary, class is permanent“ („Form ist vorübergehend, Klasse ist dauerhaft”). Mit dem Derby-Sieg von Desert Crown und nun den Champion Stakes, seinen dritten nach Pilsudski und Kalanisi, hat Sir Michael ein deutliches Signal gesetzt, dass noch viel Leben in dem „alten“ Trainer steckt. James Wigan, seit 45 Jahren Besitzer in Freemason Lodge, der historischen Trainingsanlage Stoutes in Newmarket, reflektierte nach dem Sieg am vergangenen Wochenende, wie Stoute darauf bestand, Bay Bridge eine lange Pause zu geben. „Ballyilnch wäre gerne in den Irischen Champion Stakes [Mitte September] gelaufen, doch Michael hat darauf bestanden, dass es die Englischen sein müssen“. Geduld, die sich auszahlen wird. Für Bay Bridge, Desert Crown, und Sir Michael Stoute. 

Catrin Nack

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