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Der Aufstieg des George Boughey

James Doyle und George Boughey nach den 1000 Guineas. www.galoppfoto.de - JJ Clark

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 717 vom Freitag, 06.05.2022

Traditionsgemäß stehen Ende April/Anfang Mai die ersten beiden Klassiker der britischen Insel an: zuerst die Qipco 2000 Guineas, offen für Hengste und Stuten; am Tag danach die Qipco 1000 Guineas nur für die Ladys. Der Name der Rennen, seit den frühen 1800er Jahren gelaufen, gibt Rückschlüsse auf das ursprüngliche Preisgeld; erst seit 2001 sind beide Rennen identisch dotiert. Wie es sich für einen Klassiker gehört, lesen sich beide Siegerlisten wie das "Who is Who" des Britischen Rennsports; die Sieger vor allem Klasse-Pferde und nicht unbedingt Meilen-Spezialisten. Als letzte Bastion großer Rennsport-Nationen wird das Englische St. Leger noch unter klassischen Bedingungen gelaufen; die Guineas somit nach wie vor der erste Schritt Richtung Triple Crown, auch wenn dies in den letzten Jahren kaum versucht wurde.

Die unterschiedlichen Wege zur klassischen Siegerschleife der beiden vierbeinigen Hauptprotagonisten des vergangenen Wochenendes werden an anderer Stelle eingehender beleuchtet. Hier Coroebus als zweite Farbe des Godolphin-Imperiums und wenig geprüfter Jahresdebütant, dort die schon recht fleißige Stute Cachet, die wohlmöglich von ihrem Konditionsvorteil lebte und deren Sieg man im Hause Cheveley Park sicher mit gemischten Gefühlen betrachtet haben wird. Deren Frankel-Tochter Inspiral hatte sich in der letzten Saison mehrfach mit den beiden Erstplatzierten der 1000 Guineas gemessen und war ein jedes Mal siegreich geblieben. Tatsächlich war Inspiral über den Winter die heiße Favoritin des Rennens gewesen, bis sie nur eine Woche vorher nach gemischten Trainingsleistungen abgemeldet werden musste. Nach dem Rennen war klar, dass vor allem die Gr.1-Fillies Mile, Anfang Oktober auf der Rowley Mile  im Rahmen des Future Champions Day gelaufen, das Schlüsselrennen für die Guineas war.

So wurde es ein Wochenende der „Firsts“:  beide Trainer gewannen jeweils ihre ersten Guineas, auch hier könnten die Hintergründe nicht größer sein. Dort Charlie Appleby, stets Trainer des Godolphin-Imperiums, hier George Boughey, ein Selfmade-Trainer, der mit gerade einmal vier Pferden begonnen hatte.

Nur ein Name auf der Jockey-Seite: James Doyle gewann beide Klassiker. Zum ersten Mal, selbstredend. Und dass, obwohl er – ähnlich Coroebus – hinter William Buick „nur“ Nummer Zwei der Stalljockeys ist. Doch an diesem glorreichen Wochenende stand er im Mittelpunkt, als erst fünftem Jockey überhaupt – nach George Moore (1967), Lester Piggott (1970), Kieran Fallon (2005) und Ryan Moore (2015) – gelang ihm das Kunststück, beide Guineas im selben Jahr zu gewinnen; eine mehr als illustre Liste.

Trainer Charlie Appleby, der selber zum ersten Mal als Trainer eines 2000 Guineas-Sieger verantwortlich zeichnete (es war der vierte Erfolg für Godolphin, die bisherigen Sieger wurden jedoch von Saeed bin Suroor, für den Doyle tatsächlich bis 2016 als Stalljockey geritten hatte, bzw. Jim Bolger trainiert) hob nach dem Rennen dann auch vor allem Doyles Teamgeist und Fair Play als Sportsmann hervor: “James ist ein tolles Mitglied unseres Teams und er muss immer aussitzen, wenn William [Buick] die großen Ritte bekommt. Er zuckt nie zurück, er drückt sich nie, und ist einfach ein großer Sportsmann. Er hat dies alles so sehr verdient.“ So Appleby nach dem Rennen, in dem er – endlich – nicht nur den Sieger, sondern zudem auch den Zweitplatzierten gestellt hatte. „Natürlich, es ist vor allem eine Erleichterung. Wir waren Dritter mit Pinatubo, Zweiter mit Master of the Seas, wir kamen also immer näher […]“ Auch Doyle war den 2000 Guineas schon sehr nahegekommen, nie näher als im Jahr 2014, als er auf dem heißen Favoriten Kingman auf den letzten Metern vom 40/1 Außenseiter Night of Thunder geschlagen wurde; auch mit Barney Roy, auf dem Doyle im Jahr 2020 den Großen Preis von Baden-Baden gewann, hatte er in Newmarket als Zweiter zu Churchill sein Waterloo erlebt.

Und dann war da noch George Boughey. 30 Jahre jung und optisch eher in den unteren 20iger Jahren angesiedelt, gewann der Nachwuchs-Trainer drei Jahre, nachdem er Mitte 2019 seine Lizenz erhalten hatte, seinen ersten Klassiker. Mit der Epsom Oaks-Zweiten, der 50/1 Außenseiterin Mystery Angel hatte er im letzten Jahr seine erste klassische Platzierung erreicht, nun der volle Erfolg in der Prestige-Klasse. Wie Mystery Angel steht auch Cachet im Besitz einer großen Besitzergemeinschaft; es waren solche Syndikate, die Boughey vor allen anderen großen Besitzern das Vertrauen schenkten.

Auch wenn Boughey nach eigenen Angaben zeitweise von großen Zweifeln geplagt war; sein Aufstieg ist kometenhaft und eine der Erfolgsgeschichten des englischen Rennsports. Zudem: Boughey wuchs als Sohn eines Landwirts ohne wirkliche Verbindung zum Rennsport auf, ist weder Sohn eines Trainers, noch konnte er auf große Geldgeber zurückgreifen. Seine Erfolge somit hand- und hausgemacht, über den Umweg der Auktions-Szene. „Ich musste meinen Weg finden, und so wie ich es sah, musste ich die richtigen Leute treffen. Die Blooodstock-Szene bot mir genau das, man trifft die Züchter, Besitzer und Trainer bei den Auktionen. Es ist ein toller Weg, die Leute kennenzulernen, mit denen man wohlmöglich sein ganzes weiteres Leben zu tun hat.“ Erklärte Boughey im letzten Monat einem englischen Rennsportmagazin.

Eine solcher Begegnungen führte zu einer Assistenzzeit an der Seite der legendären australischen Trainerin Gai Waterhouse, die Boughey als eine seiner großen Inspirationen bezeichnet. Zurück in England, war er mehrere Jahre Assistenztrainer von Hugo Palmer, wie Boughey jung und ambitioniert, aber mit großem Familienvermögen ausgestattet. Bei Palmer, der im Jahr 2016 die 2000 Guineas mit Galileo Gold gewann, bekam Boughey alle Chancen und war zuletzt für einen ganzen Stalltrakt eigenverantwortlich. Im Jahr 2019 dann der Weg in die Selbstständigkeit. Basis ist Saffron House Stables in Newmarkets Hamilton Road, noch auf der „günstigeren“ Seite der Stadt. Der erste Sieger, in einem Handicap in Lingfield, kam am 13. August 2019. Bereits 2020 operierte sein Stall mit einer 20%igen Siegrate; auffällig, wie er günstige Auktionskäufe in Seriensieger verwandelte und hier den Besitzern saubere Profite erlief.   

„Es ist unglaublich, wie sein Lot von Monat zu Monat gewachsen ist“ erklärte uns ein Newmarket-Insider auf den weitläufigen Galopps der Stadt, auf denen das Training eine ganz und gar öffentliche Angelegenheit ist. „Er hat tatsächlich mit vier Pferden angefangen, eines hat er selber geritten. Nach den ersten Siegen konnte man zugucken, wie es beinahe täglich mehr und mehr Pferde wurden.“ Oscula, Corazon und eben Mystery Angel, alle im Besitz einer großen englischen Besitzergemeinschaft, waren die Pferde, die Bougheys Namen in die Welt hinaus galoppierten. Zweijährige, mit „Budget“ gekauft; und sie alle mussten fleißig sein in der ersten Saison.  Dies schnell eine Art Markenzeichen Bougheys, hier spricht wohl der „Bloodstock man“ in ihm.

Seine 1000 Guineas Heldin Cachet folgt diesem Muster in vielerlei Hinsicht. Als 60.000gns Breeze-Up-Kauf  „günstig“ im großen Ganzen der Rennsportwelt, kam die Stute zweijährig achtmal an den Ablauf. Nach einem Sieg direkt beim Lebensdebut scheute sich Boughey nicht, die Stute wieder und wieder in großen Prüfungen – zuletzt gar im Breeders´ Cup -  an den Start zu bringen, tatsächlich waren alle sieben weiteren Starts im letzten Jahr auf Pattern-Ebene. Auch dies eine Art Markenzeichen der bisherigen Karriere Bougheys:  er scheut sich nicht, seine „Pfeile“ auf ganz große Ziele zu schießen.

Und last und least steht auch Cachet im Besitz einer großen englischen Besitzergemeinschaft; Highclere Thoroughbred Racing – Wild Flower, um ganz genau zu sein. Highclere Racing um Frontmann Harry Herbert, bestens vernetzt und über Schwager John Warren zumindest auf der Pferdeseite eng mit der englischen Queen verbunden (tatsächlich gewannen beide, Harry Herbert und John Warren, mit dem Royal Ascot Racing Club – und Motivator – das Englische Derby im Jahr 2005), ist wohlmöglich das Edelste aller englischen Syndikate; unter diesem Banner ist es allerdings auch Herberts erster britischer Klassischer Sieger. „Ich hatte ihn [Boughey] bei Hugo Palmer getroffen, und war sehr beeindruckt. Ich hätte ihn gerne sofort unterstützt, aber mit einem solchen Syndikat kommen natürlich andere Verantwortungen“ erklärte Herbert sinngemäß der englischen Presse. 138 Sieger hat Boughey – Stand 5. Mai – insgesamt trainiert, nach Cachet punktete der Stall am Montag im südenglischen Bath. 26 Siege und eine Strike-Rate von 16% stehen in der aktuellen Saison auf der Haben-Seite. Der nächste Big-Point ist sicher keine Frage von Jahren mehr.

Catrin Nack

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