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Andreas Putsch: "Es war Liebe auf den ersten Blick!"

Autor: 

Frauke Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 433 vom Donnerstag, 01.09.2016

Das Haras de Saint Pair mit seinen historischen Gebäuden und seiner traumhaften Lage: Die Fotografin Zuzanna Lupa ist eine Mitarbeiterin im Gestüt, betreut die Pferde - noch. Denn mittlerweile hat sie ihr Hobby zum Beruf gemacht und arbeitet unter anderem auch für Arqana. Mehr Bilder gibt es hier: zuzannalupa.comDas Haras de Saint Pair mit seinen historischen Gebäuden und seiner traumhaften Lage: Die Fotografin Zuzanna Lupa ist eine Mitarbeiterin im Gestüt, betreut die Pferde - noch. Denn mittlerweile hat sie ihr Hobby zum Beruf gemacht und arbeitet unter anderem auch für Arqana. Mehr Bilder gibt es hier: zuzannalupa.comEs gibt Momente, in denen man versteht, warum Menschen anfangen, Landschaftsbilder zu malen. Der Blick ist einfach überwältigend schön. 35 Kilometer Sicht von einen Hochplateau aus in die Region Pay D'Auge in eine pittoreske Landschaft mit grünen Wiesen, gelben Feldern, Baumalleen, hohen Hecken, kleinen Ortschaften und keinem einzigen Industrieschornstein. Fast genauso weit entfernt in unserem Rücken liegt das Meer. Das perfekte Klima und das perfekte Umfeld, um Pferde zu züchten. Wir sind in der Normandie, wo es auf 50 Quadratkilometer mehr Vollblutgestüte gibt als in ganz Deutschland. Und eines davon ist das Haras de Saint Pair von Andreas Putsch, der aus Deutschland stammt und mittlerweile in Pontresina in der Schweiz lebt. Sein Gestüt, das er 2007 gekauft hat, liegt 30 Kilometer entfernt von Deauville in der Nähe von Cambremer. Es ist eines der wenigen, das noch im 19. Jahrhundert gegründet wurde – als Saint Pair du Mont – und heute noch existiert. Das Gestüt vom Aga Khan liegt direkt nebenan. Das Ecurie Des Monceaux, Top-Verkäufer der Arqana Jährlings-Auktion, in Sichtweite. Eine gute Adresse. 

Ein Fünf-Längen-Sieg: Der Monsun- Aohn Vadamos gewinnt mit Vincent Cheminaud sein erstes Gruppe-Rennen für das Haras de St. Pair in Baden-Baden. Fotos (2) www.galoppfoto.deEin Fünf-Längen-Sieg: Der Monsun- Aohn Vadamos gewinnt mit Vincent Cheminaud sein erstes Gruppe-Rennen für das Haras de St. Pair in Baden-Baden. Fotos (2) www.galoppfoto.deSeltene Gäste auf deutschen Rennbahnen: Vadamos mit Vincent Cheminaud, Trainer Andre Fabre und Besitzer Andreas Putsch mit Tiny nach dem Darley Oettingen-Rennen 2015.Seltene Gäste auf deutschen Rennbahnen: Vadamos mit Vincent Cheminaud, Trainer Andre Fabre und Besitzer Andreas Putsch mit Tiny nach dem Darley Oettingen-Rennen 2015.Hier wurde auch Vadamos groß, das aktuell beste Pferd aus der Putsch-Zucht. Der Stern des Monsun-Sohnes ging im letzten Jahr in Baden-Baden auf. Mit fünf Längen gewann der Schützling von Startrainer Andre Fabre das Darley-Oettingen-Rennen Gr. II,  das an diesem Donnerstag ohne ausländische Beteiligung in die Neuauflage ging. Zwei weitere Siege im Prix du Muguet, Gr. II, und Prix Messidor, Gr. III, folgten in diesem Jahr in Frankreich. Und es gab große Hoffnung, dass ihm beim Meeting in Deauville der erste Gr. I-Erfolg für die Zucht des Haras de Saint Pair gelingen sollte. Doch im mit 700.000 Euro dotierten Prix du Haras de Fresnay-Le-Buffard − Jacques le Marois lag Godolphins Ribchester am Ende eine knappe halbe Länge vor Vadamos, „aber ich ärgere mich nicht darüber, weil ich Rennen genießen kann, wenn ich sehe, dass sich ein Pferd gut verkauft und das hat Vadamos“, begeistert sich Putsch. Das Schlimmste für ihn sei es, „No-Hoper“ ins Rennen zu schicken. "Es nervt mich, wenn meine Pferde hinterherlaufen!" Aber das passiert selten. 

Gestütsansichten in Saint Pair - die historischen Gebäude anno 1899: Das alte Wohnhaus, Blick auf die Stallungen, die derzeit als Abfohlboxen genutzt werden, die alte Deckhalle (rechts unten). www.dequia.deGestütsansichten in Saint Pair - die historischen Gebäude anno 1899: Das alte Wohnhaus, Blick auf die Stallungen, die derzeit als Abfohlboxen genutzt werden, die alte Deckhalle (rechts unten). www.dequia.deVor einem Jahr hat Andreas Putsch, ein seltener Gast auf deutschen Rennbahnen, den Sieg seines Vadamos live in Baden-Baden miterlebt, dort, wo eigentlich alles anfing. Mit Rennsport hatte in der Familie eigentlich niemand etwas zu tun, aber die Pferde-Gene gab es schon. Angefangen vom Urgroßvater, der auch das Familienunternehmen gegründet hat, ursprünglich unter dem Namen „Stuttgarter Carosserie- und Radfabrik“ aus der später nach einer Liaison mit Porsche die REutter CAROsserie wurde, kurz „Recaro“, der „Sitz-Riese“ für Automobil und Flugzeugsitze. Eigentlich aber war dieser Urgroßvater Hufschmied und im 1. Weltkrieg in der Kavallerie. „Als der Tierarzt starb wurde mein Urgroßvater kurzerhand an dessen Stelle befördert“, so ein Auszug aus der Famiiliengeschichte, „und hat wahrscheinlich nur deshalb überlebt.“ Auch die Großmutter war pferdebegeistert, schenkte ihrem Enkel ihr Reitpferd, „aber anstatt zu reiten, bin ich damit zu einem Hengst in der Nachbarschaft und habe angefangen Hannoveraner zu züchten“, erinnert sich Putsch. Die Großmutter wohnte in Baden-Baden und so kam der damals Zwölfjährige zu seinem ersten Rennbahnbesuch, der tiefen Eindruck hinterlassen sollte. „Großer Preis von Baden 1978, John Reid gewinnt auf Valour und ich war hin und weg“, heißt es, „das hat mich schon damals fasziniert!“ Bis zum eigenen Gestüt und erfolgreichen Züchter war der Weg jedoch alles andere als gradlinig. Aber das Gefühl ist das gleiche geblieben: „Der Rennsport – mit allem, was dazu gehört, die Zucht, die Rennen und die Auktionen - ist das Einzige, was mir wirklich Spaß macht!“ 

„Die BBAG-Auktion ist gut und professionell vorbereitet, mit einem interessanten Angebot. Da bin ich immer.“

Gestüt mit Aussicht: Andreas Putsch mit seinen Töchtern Katarina und Stephanie und den beiden Familienhunden Tiny und Neuzugang Skie (rechts), ein Geschenk von David Redvers. www.dequia.deGestüt mit Aussicht: Andreas Putsch mit seinen Töchtern Katarina und Stephanie und den beiden Familienhunden Tiny und Neuzugang Skie (rechts), ein Geschenk von David Redvers. www.dequia.deNatürlich ist Andreas Putsch auch in diesem Jahr in Baden-Baden dabei, bei der BBAG-Jährlingsauktion. "Es wird international immer schwieriger Steherblut zu verkaufen, aber in Baden-Baden klappt das gut", heißt es. Sowohl als Käufer als auch Verkäufer ist Putsch dort schon aktiv gewesen, bislang allerdings nicht unter eigenem Namen. So liefen seine bisherigen Verkäufe bei der BBAG, unter anderem 310.000 Euro für Via Firenze und eine Dansili-Stute aus der Via Medici für 260.000 Euro, genauso wie einige Verkäufe in teilweise noch höheren Regionen bei Tattersalls über Stauffenberg Bloodstock. Bei der Jährlingsauktion von Arqana tauchte Andreas Putsch auf der Verkäuferliste auch nicht offiziell auf, ist aber bei der für 600.000 Euro zugschlagenen Frankel-Stute aus der ehemaligen Karlshoferin Sasuela Co-Züchter gemeinsam mit dem Anbieter Ecurie des Monceaux, wo Sasuela derzeit auch steht. Wer international mitmischen will, schafft das nicht im Alleingang. Man muss Allianzen schmieden, Kooperation eingehen, das hat Putsch verstanden. Auch am Maxios-Syndikat ist er beteiligt, auch wenn er bislang noch keine Stute zum Fährhof geschickt hat, und erstmal abwarten will, wie sich der Hengst macht. Er kann es sich leisten. 

Die drei Jährlingsstuten bleiben im Haras Saint Pair: Andreas Putsch mit der Motivator-Tochter aus der Waldjagd, Gr. II-platziert im Diana-Trial, dahinter eine Invincible Spirit aus der Pearl Banks, die unter anderem den Oberbürgermeister Dirk Elbers-Preis, Gr. III, in Düsseldorf gewonnen hat, im Hintergrund eine Dansili aus der Glorious Sight, Gr. I-platziert und Listensiegerin. www.dequia.deDie drei Jährlingsstuten bleiben im Haras Saint Pair: Andreas Putsch mit der Motivator-Tochter aus der Waldjagd, Gr. II-platziert im Diana-Trial, dahinter eine Invincible Spirit aus der Pearl Banks, die unter anderem den Oberbürgermeister Dirk Elbers-Preis, Gr. III, in Düsseldorf gewonnen hat, im Hintergrund eine Dansili aus der Glorious Sight, Gr. I-platziert und Listensiegerin. www.dequia.de„Seine“ wichtigste Auktion in diesem Jahr folgt noch, die Herbst-Auktion von Arqana am 1. Oktober in Deauville, zu der er sechs seiner neun Jährlinge schickt, „drei Stuten behalte ich selbst“. Die Frage, warum er nicht zur großen Auktion geht, stellt sich natürlich und wird so beantwortet: „Wir sind im Herbst der große Fisch im kleinen Teich und bisher habe ich immer gut im Oktober verkauft!“ Zusätzlich Plus: „Wir haben mehr Zeit die Jährlinge vorzubereiten.“ Was aber nicht heißt, dass das immer so bleiben soll. Es sei nun an der Zeit, die Marke weiter zu stützen. Denn das Haras de Saint Pair macht von sich reden. Liegt 2015 in der französischen Züchterstatistik mit seinen aktuell 18 Mutterstuten gemessen nach der Gewinnsumme immerhin auf Platz 13 der Statistik. Aber in der Statistik im Verhältnis von Startern zu Siegern der in Frankreich gelaufenen Pferde ist man sogar Spitzenreiter, liegt mit einer Quote 21 % auf Platz 1 – und damit vor dem Nachbarn auf der linken Seite, dem Aga Khan. Black Type-Pferde wie die Gr. II-Siegerin und Gr. I-platzierte Ampere inklusive. Dabei liefen wegen diverser Partnerschaften noch einmal nicht alle Pferde unter dem eigenen Label und auch Vadamos' Gr. II-Sieg in Baden-Baden sowie Via Pisas Gr. I-Platzierung in Rom tauchen in diesen Statistiken gar nicht auf. 2016 wird noch besser werden, denn dann gehen die Vadamos-Erfolge auch in die französische Statistik ein. Und bei der Besitzerstatistik mischt noch der 3-jährige Jimmy Two Times kräftig mit, der ist zwar nicht selbst gezogen, läuft aber in Haras de Saint Pair-Farben, wobei es mit Wilhelm Jenckel („den kenne ich schon aus aus meinen Hamburger Zeiten“) und Friedrich von Lenthe zwei deutsche Mitbesitzer gibt In diesem Jahr hat der Kendargent-Sohn schon ein Gr. II- und ein Listenrennen gewonnen, war zudem noch Gr. I-platziert, das alles in Deauville, direkt vor der „Haustür“ des Haras de Saint Pair also, „die Nähe zur Rennbahn war mir bei der Entscheidung, das Gestüt zu kaufen, sehr wichtig“. Aber die Putsch-Pferde gewinnen auch in Deutschland, ganz aktuell im Westminster Fliegerpreis die Pivotal-Tochter Porthilly, auch sie stammt aus der Zucht des Haras de Saint Pair. 

„30 % Genetik, 30 % Aufzucht, 30 % Training und 10 % Glück!“

Viele deutsche Elemente: Angeführt wird dieses Stutentrio von Waldjagd (aus der Ravensburger W-Linie) mit einem Le Havre-Hengstfohlen (tragend von Muhaarar), gefolgt von der Vadamos-Mutter Celebre Vadala mit einem Stutfohlen von Olympic Glory (tragend von Gleneagles) und La Banderilla (aus der Fährhofer L-Linie) mit ihrem Erstling von Oasis Dream  (hat leider absorbiert von Frankel). www.dequia.deViele deutsche Elemente: Angeführt wird dieses Stutentrio von Waldjagd (aus der Ravensburger W-Linie) mit einem Le Havre-Hengstfohlen (tragend von Muhaarar), gefolgt von der Vadamos-Mutter Celebre Vadala mit einem Stutfohlen von Olympic Glory (tragend von Gleneagles) und La Banderilla (aus der Fährhofer L-Linie) mit ihrem Erstling von Oasis Dream (hat leider absorbiert von Frankel). www.dequia.dePutsch bringt die Frage, wie man ein gutes Rennpferd züchtet, zwar auf diese griffige Formel, aber jeder einzelne Punkt birgt unendlich viele verschiedene Möglichkeiten, es richtig zu machen - oder eben auch falsch. "Man kann das Beste versuchen, und weiß trotzdem nicht, was rauskommt", resümiert Putsch, "man kann nur die Chancen verbessern, aber am Ende sind 10 % Black Type schon gut, d.h. heißt aber auch, dass nur ein Pferd von zehn ein wirklich gutes Pferd ist.“ Putsch nutzt seine Chancen, hat mit seinen letzten drei Jahrgängen auf der Bahn die Quote von Gruppe- und Stakes-Pferden im Verhältnis zu der Zahl der Fohlen mit 20 % sogar mehr als erfüllt. Was die Genetik angeht, „mache ich es mir einfach“, bekennt er „ich kaufe Top-Stuten und schicke die zu Top-Hengsten.“ Dabei sei er als Züchter nicht im Sinne von „kommerziell“ erfolgreich, weil er nicht in erster Linie Hengste suche, die sich gut verkaufen, sondern die, die zu der Stute und ihrer Familie passen.„Es gibt viele Wege, gute Pferde zu züchten“, meint Putsch, und ich bewundere jeden, der sich das mit geringen Mitteln erarbeitet hat.“ Er hat viele Elemente aus der deutschen Vollblutzucht übernommen, inklusive einiger Stuten aus den deutschen Erfolgslinien wie Waldjagd (Ravensberger W-Linie der Waldrun, eine Schwester des Derbysiegers Waldpark), La Banderilla (Fährhofer L-Linie von La Colorada, der Familie von Lomitas) oder eben Sasuela (Karlshofer S-Linie der Sacarina, Schwester der Gr. I-Sieger Samum, Salve Regina und Schiaparelli - in Kooperation mit dem Ecurie des Monceaux) . "Ich hole mir überall Anregungen, habe mir vieles angeschaut, reise viel herum und unterhalte mich mit anderen Züchtern", so Putsch, "aus den Gesprächen mit den Kredels in Etzean, Gebhard Apelt in Schlenderhan oder Karl Jörg in Wittekindshof habe ich viel mitgenommen." 

Für die Aufzucht bietet das Gestüt beste Bedingungen: Das Klima, das vom Golfstrom beeinflusst wird, d.h. nicht so heiße Sommer und nicht so kalte Winter, aber trotzdem viel Feuchtigkeit und auch Wind. Daher die vielen Hecken, „die braucht man hier.“ Auf dem Gestüt gibt es sogar eine eigene Quelle und vor allem Platz, viel Platz: 120 Hektar, dazu kommen noch 30 Hektar Wald, das schafft viele Möglichkeiten. "Zwei Hektar pro Pferd, sonst braucht man gar nicht erst anzufangen", lautet die Ansage, und das klingt, gemessen am Pferd-zu-Fläche-Verhältnis der meisten - wenn nicht gar aller in Deutschland beheimateten - Gestüte, ziemlich vermessen. Doch, so wie Andreas Putsch das sagt, kommt es sehr gelassen daher, nicht angeberisch. Auch wenn er sich, nicht ohne ein Schmunzeln, daran erinnert, wie Karl Jörg bei einem Besuch in seiner typischen Art geraunzt hätte, wer denn bitte schön, diese vielen Koppeln leer fressen solle. Aber die Verhältnisse in der Normandiie seien eben andere und er habe die Möglichkeiten, es so zu machen. Bei den Koppeln wird nichts dem Zufall überlassen. Monatliche Bodenproben werden genommen, der Weideplan ist ausgeklügelt. Es gibt Koppeln für die Mutterstuten und Fohlen, sowie für die Absetzer und Jährlinge, jeweils getrennt in Winter- und Sommerkoppeln, Koppeln für schlechtes Wetter und Koppeln für gutes Wetter, „das habe ich von Etzean kopiert“, genauso wie die Düngung der Weiden mit dem Material, was reichlich vorhanden ist und entsprechend verarbeitet wird: Pferdekompost! Und natürlich gibt es hier auch Rinderherden, die die Koppeln anders und gleichmäßiger als Pferde beweiden und so für einen stetigen Ausgleich sorgen. 

Ein Plan für das Gestüt, weil man sonst bei der Größe schnell die Übersicht verliert: Alle Koppeln haben, wie in Frankreich üblich, Namen. Die von Andreas Putsch neu dazu gekauften Winterkoppeln für die Jährlinge, links oben im Bild zu sehen, waren früher mal eine Baumschule. Sie heißen Les Chênes und Les Pommieres, eine Koppel für die Hengste, eine für die Stuten. www.dequia.deEin Plan für das Gestüt, weil man sonst bei der Größe schnell die Übersicht verliert: Alle Koppeln haben, wie in Frankreich üblich, Namen. Die von Andreas Putsch neu dazu gekauften Winterkoppeln für die Jährlinge, links oben im Bild zu sehen, waren früher mal eine Baumschule. Sie heißen Les Chênes und Les Pommieres, eine Koppel für die Hengste, eine für die Stuten. www.dequia.deDie alten Stallungen, die noch aus dem 19. Jahrhundert datiert und top- saniert sind, werden vornehmlich als Abfohlboxen genutzt, die alte Deckhalle mit großen Fenstern und einer wunderschönen Dachholz-Konstruktion wird höchsten im Winter mit Leben gefüllt, „wenn es ganz kalt ist, lassen wir da die Fohlen rein. Wir sind kein Hengstgestüt und wollen das auch nicht werden." Passend zu den Koppeln gibt es jeweils eigene Winter- und Sommerställe, einen großen Horse-Walker, dazu kommt ein Quarantänestall, „denn wenn die Stuten mit ihren Fohlen aus dem Ausland von den großen Deckstationen zurückkommen, dann muss das sein.“ Putschs neuestes Projekt sind die Winterställe für die Jährlinge, getrennt nach Hengsten und Stuten. Das Gelände dafür hat er neu angekauft. „Das war früher eine Baumschule, drei Jahre haben wir gebraucht, um die ganzen Bäume zu verkaufen, immerhin die Hälfte des Kaufpreises kam dadurch wieder herein!“ Mit den übrigen Bäumen hat er einen kleinen Hain in einer Senke angelegt, denn "mir geht es nicht nur um die Pferde, es geht mir auch um die Landschaft, ich bin kein Stadtmensch und liebe die Natur. Ich habe das Gestüt auch wegen der landschaftlichen Gegebenheiten gekauft."

Die neuen Stallungen im Haras Saint Pair: Großzügige Boxen für die Mutterstuten und Fohlen (oben), für Absetzer und Jährlinge gibt es einen neuen Winterstall, an dem derzeit noch gebaut wird, an der Südseite befindet sich Offenstall mit Kameraüberwachung sowie zwei Koppeln je nach Wetterlage - und das in doppelter Ausführung für Hengste und Stuten. www.dequia.deDie neuen Stallungen im Haras Saint Pair: Großzügige Boxen für die Mutterstuten und Fohlen (oben), für Absetzer und Jährlinge gibt es einen neuen Winterstall, an dem derzeit noch gebaut wird, an der Südseite befindet sich Offenstall mit Kameraüberwachung sowie zwei Koppeln je nach Wetterlage - und das in doppelter Ausführung für Hengste und Stuten. www.dequia.deWichtig ist natürlich auch die Ernährung. Die Pferde werden jeden Morgen in den Stall geholt und nach einem individuellen Ernährungsplan gefüttert, "damit wir genau wissen, was sie fressen". Wöchentlichen Wiegen gehört dazu. Auch der regelmäßige Umgang mit den Menschen wird trainiert und was sonst noch so alles dazu gehört, um als Rennpferd einen guten Start zu haben. Die restlichen 23 Stunden am Tag sind die Absetzer und Jährlinge draußen, auch im Winter. Dafür gibt es auf der Südseite des Stalles einen große überdachte Fläche, die mit Stroh aufgefüllt wird, damit die Pferde einen Unterstand haben. "Da gibt es eine Kamera und ich kann auf meinem Handy überall auf der Welt sehen, wie sich meine Jährlinge abends auf den Weg in den Offenstall machen", freut sich Putsch über die neuen technischen Möglichkeiten." Das Ganze ist mit Baggern und Treckern befahrbar, um den Mitarbeitern das Leben einfacher zu machen. Die wichtigsten Mitarbeiter wohnen mit ihren Familien auf dem Gestüt. Momentan wird gerade vor dem Offenstall bei der Drainage nachgebessert, wenn Andreas Putsch etwas auf seinem Gestüt macht, dann soll es perfekt sein. Dabei sehen die Ställe vor allem solide und zweckmässig aus, der Innenausbau von Röwer & Rüb, kein Glanz und Glamour. Die  Stallungen fügen sich in die Landschaft ein. Alles wirkt stimmig. 

"Ich glaube nicht, dass es auf der Welt einen Menschen gibt, der ein gutes Rennpferd nur vom Ansehen erkennt!"

Das ist kurz gesagt, die Erklärung dafür, warum Andreas Putsch Pferde züchtet: "Dann weiß ich genau, was hinter einem Pferd steckt!" Auf seiner Webseite  führt er die Beispiele der Pferde an, die den Auktionsring unverkauft verlassen haben, von den "Experten" unerkannt: Die zweimalige Arc-Siegerin Treve oder die mehrmalige Gruppesiegerin Tres Blue. Von den Top-Sellern, die auf der Rennbahn floppten, will er gar nicht reden. Dann schon eher von den 9.000-Euro-"Schnäppchen", die von den Top-Agenten "übersehen" worden sind, Putsch nennt die Gr. I-Siegerin Vorda als Beispiel, weil er dort nur über die französische Pferde schreibt. "In Deutschland verfolge ich das Renngeschehen aufmerksam, bin aber nicht in der Szene und verfolge das Geschehen dahinter nicht", heißt es, "ich bin bewusst nach Frankreich gegangen, natürlich auch wegen des Prämiensystems und den besseren Möglichkeiten. Ich finde es erstaunlich, dass es in Deutschland überhaupt noch gelingt, mit einer Population von 800 Fohlen so ein Rennsystem noch aufrecht zu erhalten."

Hier hat auch schon Queen Elizabeth II gestanden: Denkmal für Sicambre, Prix du Jockey-Club-Sieger von 1951, der viele Jahr in Saint Pair als Deckhengst stationiert war und 1975 auch dort verstorben ist. Die britische Königin war mit den Vorbesitzern von Saint Pair persönlich befreundet. www.dequia.deHier hat auch schon Queen Elizabeth II gestanden: Denkmal für Sicambre, Prix du Jockey-Club-Sieger von 1951, der viele Jahr in Saint Pair als Deckhengst stationiert war und 1975 auch dort verstorben ist. Die britische Königin war mit den Vorbesitzern von Saint Pair persönlich befreundet. www.dequia.deAndreas Putsch ist Kosmopolit in Sachen Rennsport und das, was man "finanziell unabhängig" nennen kann. Er hat sich die Firmenanteile auszahlen lassen. 1996 ist er aus Deutschland weggezogen, zunächst nach Monaco, "aus steuerlichen Gründen", wie er ohne Umschweife einräumt. Er ist entwaffnend ehrlich, was seine Vita angeht. Eine Banklehre bei der Deutschen Bank in Düsseldorf, die er auf Wunsch des Vaters begonnen hatte, scheiterte. „Schon beim Einstellungstest gab es Bedenken, aber weil mein Vater ein guter Kunde war, haben sie mich trotzdem genommen“, erinnert sich Andreas Putsch, „aber nach einem halben Jahr nahm mich der Ausbilder zur Seite und meinte, so einen wie mich habe er in seiner 20jährigen Zeit als Ausbilder noch nicht erlebt." Kein Widerspruch, sondern der knappe Kommentar: "Dann lassen wir das doch einfach!" beendete das erste Düsseldorf-Gastspiel. Stattdessen machte Putsch, der im rheinland-pfälzischen Rockenhausen groß geworden ist, ein zweijähriges Praktikum beim St. Georg in Hamburg. Anschließend wurde auf Wunsch des Vaters ein neuer Versuch unternommen, sich für die Firmennachfolge fit zu machen, ein Wirtschaftsstudium in der Schweiz. Ein weiterer Fehlversuch. Nächste Station: Eine Assistenz beim Düsseldorfer Foto-Designer Ulricht Pracht, gefolgt von einem Praktikum bei einer Hamburger Werbeagentur. „Mein Vater hat sehr gelitten“, gibt Putsch zu, was ihn aber nicht daran hinderte, seinen Lebenslauf bunt zu halten. 

„Und dann habe ich eine Frau kennengelernt“, so geht die launig erzählte Biographie weiter. Halb-Engländerin, Halb-Inderin, einige Jahre älter als der damals 29-jährige, wohnhaft in Miami. Sie wurde die Mutter seiner beiden Töchter, Katarina (18) und Stephanie (20), die nach der Trennung der Eltern englischsprachig aufgewachsen sind und heute in New York beziehungsweise London studieren. Aber auch einen guten Kontakt zum Vater und dessen Familie haben, einen deutschen Satz können sie: „Großvater, ich liebe Dich!“, denn auch das Vater-Sohn-Verhältnis hat das alles gut überstanden. Im Sommer sind seine Töchter immer im Gestüt, haben sogar bei der Arqana-Auktion beim Haras des Capucines mit gearbeitet und Andreas Putsch ist unübersehbar sichtlich stolz auf die Beiden, die ihren Vater gerne damit aufziehen, dass er doch ein echter „Rookie“ also „Frischling oder Anfänger“ gewesen sei, als er ihre Mutter kennengelernt habe. Ein nette, unkomplizierte Atmosphäre am großen Esstisch auf der Terrasse mit dem zauberhaften Ausblick, dem eigentlich nur ein paar Pferde fehlen auf der Koppel direkt von uns, aber der ausgeklügelte Weideplan nimmt darauf keine Rücksicht. 

Die alten Hengstboxen und die Deckhalle im Haras de Saint Pair: www.zuzannalupa.comDie alten Hengstboxen und die Deckhalle im Haras de Saint Pair: www.zuzannalupa.comAber bis Andreas Putsch das Haras de Saint Pair sein eigen nennen konnte, vergingen noch einige Jahre. Die Aufmunterung seiner Frau, dass es ja wohl mal Zeit wäre, „irgendwas zu arbeiten“, führte ihn, und man ahnt schon, was danach  kommt, ausgerechnet nach Keeneland, zur Auktion. Book I, 1995. Das nächste Projekt hieß „Pinhooking“, denn damit lässt sich richtig Geld verdienen, dachte sich der junge Putsch, „das Start-Kapital dafür habe ich von der Familie geliehen, einfach war das nicht, denn die waren von meinen Plänen nicht begeistert.“ Mit drei Fohlen ging es los und gegen die eigentlichen Pläne auch mit einer Mutterstute. Mit den Fohlen war er im Minus, aber die Green Dancer-Stute, die Putsch für 60.000 gekauft hatte, brachte 230.000 Dollar, weil ihre Schwester in der Zwischenzeit ein Gr. I-Rennen gewonnen hatte."Hey, das funktioniert ja leicht, habe ich mir da gedacht", kommentiert Putsch das Geschehen auf seine humorig-trockene Art in der Nachschau, "aber  solche Fehler sitzen". Andreas Putsch hat viel gelernt in dieser Zeit, auch über die Tücken des Auktionsgeschäftes, im Pferdehandel herrschten schon immer rauhe Sitten. Eigentlich kaufe er deshalb am liebsten Stuten aus dem Training heraus, gibt Putsch zu Protokoll, und keine Jährlinge auf der Auktion. Aber Ersteres würde immer schwieriger werden, und auch bei Jährlingsauktionen passiert es gelegentlich, dass er seinen Prinzipien untreu wird: "Never say never!", meint er dazu, denn der Reiz der Auktionen ist unwiderstehlich, denn hinter jedem Lot könnte der Derbysieger stecken ... Stationen in Irland folgten, bis die Entscheidung zum Kauf des Haras de Saint Pair fiel, nach dem er zehn Jahre lang gesucht hat. "Das war Liebe auf den ersten Blick,gekauft habe ich es auf den zweiten", auf der Dezember-Auktion 2006 kam der Anruf vom Makler, dass der Vorbesitzer aus gesundheitlichen Gründen nun doch verkaufen wollte, "da bin am Sonntag den ganzen Tag lang über das Gestüt gelaufen und am Montag direkt nach Basel geflogen, um den Deal perfekt zu machen."

Da klingen die weiteren Ziele schon sehr besonnen: "Das, was ich jetzt mache, kontinuierlich weitermachen. Den Bestand erweitern, aber das nicht unbedingt im Sinne von Quantität, sondern Qualität. Das Gestüt gesund zu halten, wenn möglich sogar noch weitere Flächen dazu kaufen, um eine Überpopulation vermeiden." Dann würden immer wieder gute Pferde dabei herauskommen.  Dabei dürfe man die Frühreife nicht aus den Augen verlieren. Sein Traum ist das Pferd, das zwei- bis vierjährig gut läuft. Denn nicht nur der "Prix du Jockey Club" oder der "Arc" sind das Ziel, sondern auch der "Prix Morny". Andreas Putsch ist angekommen. Zwar betreibt er auch noch einen Kunsthandel in der Schweiz, liebt auch die Alpen, aber: "Wenn ich in meinem Gestüt bin, bin ich glücklich!"

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