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Altior abgetreten

Altior bei seinem Sieg in der Champion Chase 2019. www.galoppfoto.de - JJ Clark

Autor: 

Daniel Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 686 vom Freitag, 17.09.2021

Seine Auftritte waren zuletzt  sporadisch, und nicht immer vom Erfolg gekrönt. Die Nachricht, dass er nun, im Alter von 11 Jahren, in den Ruhestand verabschiedet wurde, kam daher nicht wirklich überraschend. Und doch - mit dem High Chaparral–Sohn Altior hat ein ganz Großer des anglo-irischen Hindernissports die Bühne verlassen. Begriffe wie „Superstar“ sind in unserer heutigen, schnelllebigen Welt überstrapaziert; er war einer.

Der Zufall wollte es, dass er nur vier Jahre nach einem Pferd geboren wurde, der in den Jahren zuvor aus demselben Stall heraus dieselbe Nische des Hindernissports beherrscht hatte: die Rede ist natürlich von Sprinter Sacre. Auch er ein Zwei-Meilen-Chaser, dessen Rennlaufbahn im Jahr 2010 begonnen hatte, und rasch schwindelerregende Höhen erreicht hatte. Wie wahrscheinlich war es da, dass der nächste Champion bereits im Stall wartete? Nicht eben sehr wahrscheinlich, aber im Fall von Altior kam es wie die berüchtigten Londoner Busse: Erst wartet man ewig, dann kommen sie in schneller Folge. 60.000€ hatte der drei Jahre alte Altior auf einer irischen Auktion gekostet; für diese Summe wechselte er in den Besitz der Historikerin Patricia Pugh, in deren grün-schwarzen Farben Altior Zeit seines Rennlebens laufen sollte. Im Mai 2014 – Sprinter Sacre hatte im Jahr zuvor mit seinem Sieg in der Queen Mother Champion Chase den Zenit seiner Rennlaufbahn erklommen – setzte der optisch so unterschiedliche Braune erstmals einen Huf auf die Rennbahn; sein Sieg in einem Bumper [Flachrennen für Hindernispferde] war Formsache. Es war Zeichen der hohen Wertschätzung, dass Trainer Nicky Henderson, selber natürlich eine Legende seiner Zunft, Altior trotz einer unerwarteten Niederlage beim zweiten Start zurück in das Land seiner Geburt brachte. Altiors sechster Platz in einem Gr.1-Bumper beim renommierten Punchestown-Festival, gegen das Beste, was die irischen Toptrainer zu bieten hatten, sollte zeitlebens die mit Abstand schlechteste Platzierung bleiben.

In der Saison 2014-15 begann sein Aufstieg, mit einer Siegesserie, die Rekorde brach und Rekorde aufstellte. 19(!) Rennen gewann Altior bei seinen nun folgenden 19 Starts, er brach damit die 18fache Siegesserie keines Geringeren als Big Buck´s. Altior machte Dinge auf seine Weise. Bereits beim dritten Start in ebenjener Saison gelang der Durchbruch in die Graded-Klasse, und direkt bei seinem ersten Auftritt beim Cheltenham-Festival reichte es zum vollen Erfolg. Wie es sich für einen zukünftigen Champion Chaser gehörte, war er in der Supreme Novice Hurdle (2m, Gr.1) nicht zu schlagen; sein Sieg gegen Min gar eine der Sternstunden des Festivals.  Zwischen 2016-2019 trat Altior viermal beim Cheltenham Festival an – es wurden vier Siege, „klassisch“ über die Arkle Novices´ Chase (2m, Gr.1) zu seinen zwei Siegen in der Queen Mother Champion Chase (2m, Gr.1) . Im Jahr 2016, Altiors Arkle-Jahr, gewann Sprinter Sacre seine letzte Queen Mother Champion Chase; das Doppel der beiden Pferde an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Teil der Cheltenham Folklore. Menschlich gesprochen war Sprinter Sacre der Sunnyboy, ein Playboy gar, dessen optische Präsenz – er war ein fast nachtschwarzer „Bulle“ von Pferd, der zudem mit seinen Reizen nicht geizte – sofort alle Blicke auf sich zog. Neben ihm wirkte Altior wie der „Junge von nebenan“, unauffällig beinahe; und während Sprinter Sacre durch seine Rennen „brummte“ und mit exorbitanten Sprüngen seine Fans in Atem hielt, ließ Altior es immer etwas gemächlicher zugehen, um erst auf Nachfrage seines Reiters – Stalljockey Nico de Boinville, der ab 2015 auch Sprinter Sacre ritt – auf den letzten Metern zuzuschnappen.

Es war im Rückblick die verhängnisvolle Entscheidung seines Trainers Nicky Henderson, die die so wunderbare Karriere von Altior ins Schlingern brachte. Die Niederlage in Ascots Christy 1965 Chase (Gr.2, 2m5f = ca. 4220m), bei seinem ersten Versuch jenseits der zwei Meilen, stoppte nicht nur seine so beeindruckende Siegesserie. In einem Rennen auf Biegen und Brechen auf viel zu schwerem Boden – Trainer Nicky Henderson sollte sich lange schwerste Vorwürfe machen, Altiors Start überhaupt zugelassen zu haben und sprach vom Druck der Publikumserwartungen - verausgabten sich Altior und sein Gegner Cyrname beim ersten Start der Saison völlig. Tatsächlich war dieses Rennen am 23.November 2019 der Todesstoß für die Karriere beider Pferde. Nur noch drei Starts konnte Altior zwischen November 2019 und seinem letzten Start im April 2021 absolvieren; und musste beide Cheltenham Festivals in diesem Zeitraum durch kleinere Probleme auslassen.

Nach 26 Rennen, 21 Siegen, darunter 10 Grade1-Siegen und einer Gewinnsumme von über 1,3 Mio GBP, ist nun Schloss. 11jährig, und wie Nicky Henderson betonte, „gesund und munter“, verlässt Altior Hendersons Seven Barrows-Trainingsanlage; ein weiter Umzug wird es jedoch nicht. Kein geringerer als Hendersons ehemaliger Stalljockey Mick Fitzgerald wird Altior auf seinem nächsten Lebensabschnitt betreuen. Es gäbe keine Erwartungen an ihn, so Fitzgerald sinngemäß. Doch sowohl seine Frau als auch seine Töchter seien begeisterte Reiter, die mit Altior durchaus an der einen oder anderen Show würden teilnehmen können. „Er wird sich nicht langweilen, wenn er es nicht will. Er sagt uns, was wir mit ihm machen dürfen“. Ein Ruhestand nach Maß, für ein Pferd, das für unser Vergnügen bis zum Schluss immer sein Bestes gab. Ein Ruhestand, den Altior hoffentlich viele Jahre geniessen wird.

Catrin Nack

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