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Aintree - das Beste am Norden Englands

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 310 vom Donnerstag, 03.04.2014

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: Das Grand National wird am Samstag in Aintree gelaufen. ©miro-cartoonGroße Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: Das Grand National wird am Samstag in Aintree gelaufen. ©miro-cartoon

Der Klimawandel macht auch vor Aintree nicht halt - wenn auch das Wetter in diesem Jahr gemäßigte Temperaturen und sogar Regen vorhersagt, so steigt doch die Betriebstemperatur auf der Bahn von Jahr zu Jahr. Aintree ist einfach en vogue - wie natürlich die Zuschauerzahlen bei den Rennsport- Großereignissen auf der Insel dank aggressivem Marketing, Konzerten und anderen Attraktionen allgemein immer weiter in die Höhe klettern. So etwas hat Aintree nicht nötig - es ist die Attraktion. Es mag sein, dass Südengland mit Cheltenham das wichtigste Hindernis-Meeting des Jahres hat, aber der Norden weiß es besser. Aintree boomt, bricht jedes Jahr seine Zuschauerrekorde, ist bunt, schrill, laut - auf der Insel hat man erkannt, dass reines Pferderennen schon lange nicht mehr ausreicht, die Massen auf die Bahn zu bekommen. Neben den allgegenwärtigen Bars - nachdem jahrelang der Bier-Brauer John Smith das Meeting sponserte, hat man seit diesem Jahr mit Crabbie's, einen Hersteller von alkoholischem Ingwer-Bier in verschiedenen Geschmacksrichtungen einen neuen Sponsor gefunden - einer Shopping "Mall", den so beliebten "Kleider-Wettbewerben" ("Best Dressed Lady & Gentleman") wird der wirklich hochklassige Sport beinahe Nebensache.

Aintree, das sich trotz seines wohl vor hierzulande nicht sehr positivem Ruf wie kaum eine Rennbahn für das Wohlergehen der vierbeinigen Athleten einsetzt, will in diesem Jahr zusammen mit Pferdeschutz-Organisationen vor allem auf das Leid der "ganz normalen" Pferde in England aufmerksam machen; die Finanzkrise hat auch vor der Insel nicht halt gemacht, vernachlässigte und sogar ausgesetzte Pferde - nicht nur Vollblüter - sind leider kein Einzelfall mehr, nach Expertenmeinung suchen rund 7000 Pferde ein neues Zuhause und leben derzeit unter unwürdigen Bedingungen. Ist der Hindernissport auch in Deutschland umstritten, so will Aintree das größere Bild in Szene setzen, Möglichkeiten für Ex-Rennpferde aufzeigen, und seinen Teil für ein verstärktes Bewusstsein zum Wohlergehen des Pferdes beitragen.

Guitar Pete gewann unter Paul Carberry das Juvenile Hurdle. Foto: John James ClarkGuitar Pete gewann unter Paul Carberry das Juvenile Hurdle. Foto: John James Clark

Die drei einleitenden Rennen des diesjährigen Grand National Meetings - allesamt Grade 1-Rennen - brachten neben absolut hochklassigem Sport hochkarätige Finishes, wobei jedes für sich auch eine Art Revanche für Niederlagen in Cheltenham war. In der 4-Y-O-Hurdle waren diverse Pferde am letzen Sprung noch mit Chancen, dann schien sich Giggingstown House Studs Clarcam (Gordon Elliot/ Davy Russell) durchzusetzen, aber wer den Rennverlauf genau beobachtet hatte, mochte gesehen haben, dass Dessie Hughes' Schimmel Guitar Pete, sicherlich eines der fleißigsten Pferde im Feld, vom letzten Platz unbarmherzig Boden gut machte, am letzen Sprung mit Clarcam gleichzog und so nicht nur seinen dritten Platz aus der Triumph Hurdle verbesserte, sondern die Form des Rennens allgemein deutlich aufwertete. Der vom Gestüt Westerberg gezogene Broughton wurde unter AP McCoy nur Elfter.

Silviniaco Conti springt vorne, im Windschatten der spätere Zweitplatzierte, der Schimmel Dynaste.  Foto John James ClarkSilviniaco Conti springt vorne, im Windschatten der spätere Zweitplatzierte, der Schimmel Dynaste. Foto John James Clark

In der Bowl - sozusagen der "Gold Cup" von Aintree - sah Trainer Paul Nicholls seinen King George Triumphator Silviniaco Conti triumphieren; in Cheltenham in Gold Cup selber Vierter und vielleicht am Stehvermögen gescheitert, ging die Taktik des resoluten Gehens von der Spitze aus hier voll auf, der große, französisch gezogene Fuchs zeigte nach Kempton, dass ihm flache Bahnen scheinbar besonders liegen. So ließ er Dynaste (David Pipe/Tom Scudamore) keine Chance, auch wenn die beiden an zweiter Stelle natürlich nicht enttäuschten.

Silviniaco Conti unter Neil Fehily. Foto: John James ClarkSilviniaco Conti unter Neil Fehily. Foto: John James Clark

Ein Thriller wurde der Einlauf der Aintree Hurdle, bei dem letztendlich drei Pferde Kopf an Kopf der Linie entgegenstürmten. The New One hatte sich unter seinem jungen Piloten Sam Twiston-Davies lange im Hintertreffen aufgehalten, schien dann wie Butter durch das Feld zu schneiden, in dem Noel Fehily zuvor eine stramme Pace gesetzt hatte. Zwei Sprünge vor dem Ziel  hatte The New One die Führung übernommen, doch Rock on Ruby fand neue Reserven und kämpfte zurück, dann kam von weit hinten noch Willie Mullins' Starter Diakali ins Rennen; nicht einmal eine halbe Länge trennte die drei Pferde im Ziel, und während Sam Twiston-Davies direkt nach dem Ziel einen Ordner zu fragen schein, ob sein Pferd im Ziel vorne war, so schien dies auch Noel Fehily zu glauben, der Rock on Ruby direkt nach der Linie dankbar den Hals klopfte. Doch das Finish ging diesmal zugunsten Vater und Sohn Twiston-Davies aus, ein verdienter Erfolg und Kompensation nach der bitteren und in so unglücklichen Umständen erlittenen Niederlage in der Champion Hurdle.

In der abschließenden Novices' Chase über 4000m gab es einen Sieg für das Team McManus/McCoy, als sich der von Alan King trainierte Uxizandre, der mit einem zweiten Platz aus der JLT Novices' Chase in Cheltenham im Gepäck gegen Oscar Whisky durchsetzte, der aktuelle Cheltenham-Sieger Westerm Warhorse hatte im nur fünfköpfigen Feld früh keine echte Siegchance.

Vierzig Pferde, die zugelassene Höchstzahl, werden sich dann am Samstag um 4:15 Ortszeit in der Grand National an den Startbändern einfinden, ein Feld mit selten gesehener Tiefe an Qualität. Höchstgewicht Tidal Bay versucht gleich verschiedene Statistiken zu widerlegen, indem er gleichsam einen Alters- und Gewichts-Rekord einstellen würde, muss aber eine große Chance haben. Long Run, Hunt Ball, Triole 'dAlene  und Teaforthree sind die gemeinten Pferde, The Rainbow Hunter und Chance du Roy könnten chancenreiche Außenseiter sein, aber dies ist ein Rennen der Unwägbarkeiten, trotz - oder gerade wegen? - all der Modifizierungen und Erleichterungen, die die Bahn vor allem in den letzten Jahren nach einigen tragischen Todesfällen unter dem Druck der Öffentlichkeit erfahren hat. Man könnte 30 Namen nennen, und der Sieger könnte fehlten, und so soll es sein, ein echtes Wettrennen, ein Handicap voller Möglichkeiten, ein Rennen, dass sich in die Folklore des Ortes  - und des ganzen Rennsports - gewoben hat. Solange alle Pferde und Reiter gesund, wenn auch ein wenig müder als am Morgen, nach Hause kommen, ist jeder ein Gewinner.

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