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Aintree 2011

Lystra Adams gewann am Ladies Day den Style Contest. Foto J. J. Clark

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 160 vom Donnerstag, 14.04.2011

Aintree rief und alle kamen – so oder ähnlich muss man das 3-tägige Aintree-Grand National Meeting auf jeden Fall überschreiben. Nicht nur die Zuschauer strömten in nicht dagewesener Anzahl auf die in Liverpool gelegene Bahn (zum ersten Mal seit 1984 war das Meeting am Grand-National-Tag ausverkauft!), auch prominente Trainer kamen mit ihren besten Schützlingen in großer Zahl – die Qualität des rund drei Wochen nach dem Cheltenham-Festival gelaufenen Meetings steigt eindeutig von Jahr zu Jahr an. Auch wenn die Saison vieler Top-Hindernis-Pferde vielfach auf Cheltenham ausgerichtet ist – das Grand National ist das Rennen, das jeder kennt, und nach wie vor das Rennen, das jeder Jockey  und Trainer gewinnen wollen.

12 Starts in Folge über Hürden ungeschlagen: Big Bucks (links). Foto: J. J. Clark12 Starts in Folge über Hürden ungeschlagen: Big Bucks (links). Foto: J. J. ClarkDas Meeting begann am Donnerstag mit einem wahren Paukenschlag, als der amtierenden World Hurdle–Sieger Big Buck´s, in der Obhut von Champion-Trainer Paul Nicholls, erneut von seinem neuen Rivalen Grands Crus herausgefordert wurde. In Cheltenham hatte Ruby Walsh auf Big Buck´s durchaus einige Register ziehen müssen,  um den Schimmel Grands Crus in Schach zu halten, und nicht wenige Zuschauer hielten eine Formumkehr für möglich. Sie hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der so ungeheuer eindrucksvolle, fast schwarze Big Buck´s, nun in insgesamt zwölf Rennen in Folge über Hürden ungeschlagen, lag in lockerer Haltung immer im Mittelfeld, sprang wie ein Uhrwerk, rückte im letzten Bogen am Gebiss an die Spitze auf – Grands Crus selber machte hier mühelos Boden gut und schien für einen kurzen Moment eine wirkliche Gefahr darzustellen, doch dann begannen sich langsam, aber unerbittlich die Machtverhältnisse zugunsten des dunklen Pferdes zu verschieben: tiefer und tiefer legte sich Tom Scudamore in den Sattel, und immer verzweifelter wurden seine Aufforderungen, aus Grands Crus alles herauszuholen, während Ruby Walsh nach wie vor regungslos saß, sein Brille sortierte und nach dem letzten Sprung sogar Zeit hatte, durch die Beine nach einer anderen Gefahr, die natürlich nicht vorhanden war, zu schauen. Nach kurzer Aufforderung löste sich Big Buck´s nach Belieben von seinem Gegner – hier lief wirklich der Superstar der Szene. Im Stall Nicholls´ist man schon lange der Meinung, dass Big Buck´s das mit Abstand talentierteste Pferd im Stall ist (und man hat immerhin einen Kauto Star und einen Denman zum Vergleich) – aber im Gegensatz zu diesen Beiden ist er eben „nur“ ein Hürdler -  so dass ihm anders als den Chasern über die großen Jagd-Sprünge  die Kronen des Hindernis-Sports wie der Gold Cup, das Hennessy etc. auf immer verwehrt bleiben. Nichtsdestrotz ist es beinahe ein Privileg, diesem atemberaubenden Pferd zuschauen zu dürfen.

Auch nach diesem furiosen Start hielt der Einführungstag sein Niveau; der Triumph-Hurdle–Sieger Zarkandar, immerhin ein Halbbruder der Arc-Siegerin Zarkava, gewann auch das Äquivalent in Aintree gegen einen sich tapfer wehrenden Kumbeshwar (Doyen), der auch in Cheltenham, allerdings in einem anderen Rennen, den Ehrenplatz belegt hatte. In der Aintree-Bowl, einem Grade-I-Rennen für die Staying Chaser, trat unter anderem der fast schon legendäre Denman,  aktuell mit elf Jahren gerade wieder Zweiter im Cheltenham Gold Cup geworden, ein Pferd mit eigener Facebook-Gruppe und Fan-Artikeln wie Schal und T-Shirts, gegen fünf Gegner an, konnte aber auf dem ihm unbequemen engen Kurs erneut keine Akzente setzten. Es gewann der Schimmel Nacarat, ein Front-Renner, den diesmal niemand überlaufen konnte.

Ein weiterer Höhepunkt des ersten Tages war dann auch der Sieg von Baby Run in der Foxhunter´s Chase für Amateure – eine reine Familienangelegenheit für die Familie Twiston-Davies: Vater Nigel besitzt und trainiert diesen wohl besten Hunter-Chaser im Lande, und seine Söhne Sam, inzwischen Profi-Jockey, und nun der erst 16-jährige Willie reiten in schöner Regelmäßigkeit den Gegnern davon – bis auf Cheltenham, wo sich der junge Willie nach einem schweren Fehler am vorletzten Sprung nicht mehr im Sattel halten konnte und die Zuschauer am Fernsehbildschirm und auf der Bahn mit seinen bitteren Tränen direkt auch zu Tränen rührte. In Aintree lief nun alles nach Plan, und eine freudestrahlende Familie incl. Mutter Cathy  nahm die Trophäen entgegen. Willie wurde damit der jüngste Jockey, der je über die schweren Grand National-Sprünge gewonnen hat, und zeigte sich bei der Siegerehrung sichtlich gereift: „Nach Cheltenham dachte ich, die Welt geht unter. Cheltenham ist ganz wichtig, aber ich gewinne eh viel lieber hier über die schweren Sprünge“ (Die Bahn von Aintree besteht aus zwei Jagdbahnen, dem  sog. Mildmay-Course, einer ovalen, recht engen Bahn, und eben dem Grand National-Kurs mit seinen 16 einzigartigen Hindernissen; diese werden an den ersten Tagen des Meetings in jeweils einem Rennen benutzt, das auch „nur“ einmal um die Bahn führt. Lediglich im Grand National wird der Kurs zweimal umrundet.)

Auch der zweite Tag brachte eine Reihe eindrucksvoller Leistungen; der über Hürden immer noch ungeschlagene Topolski  aus dem Stall von David Arbuthnot brachte seinem Trainer, der mit Pferden wie Prince of Denial (2.zu Caitano im Grossen Hansa-Preis) und Monkston Point (2.zu El Gran Lode in der Holsten Trophy) auch auf deutschen Bahnen bereits vor Jahren seine Visitenkarte abgegeben hatte, einen dringend benötigten Graded-Erfolg;  der ehemalige Champion-Chaser Master Minded meldete sich in Kauto-Star-Farben in der Melling Chase eindrucksvoll zu Form zurück, und die tapfere Sparky May, aus dem kleinen Quartier von Pat Rodford, konnte in einem Grade1-Rennen gegen das „starke“ Geschlecht einen hervorragenden dritten Platz erlaufen.

Der Samstag stand natürlich ganz im Zeichen des Grand National, dem Rennen, das auch beinahe eine Nation anhält; auch wenn die „Einstimmungs-Rennen“ des Tages sportlich sehr wertvoll waren. In einem Grade1-Rennen für Nachwuchs-Chaser musste sich Tiger Hill´s Sohn Ghizao, der in dieser Saison  bereits zweifacher Sieger war, dem äußerst talentierten und im Führring bestechend aussehenden Finian´s Rainbow geschlagen geben; in der nachfolgenden Aintree-Hurdle, ebenfalls ein Grade 1-Rennen,  belegte der deutsch gezogene Salden Licht (Fantastic Light-Salde, v. Alkalde)  einen hervorragenden dritten Platz hinter Oscar Whiskey. Salden Licht war 2005 in Baden Baden für 220.000€ vom Gestüt Wittekindshof in den Besitz der BBA Germany gewechselt, und danach noch einige Male im Ring gewesen, bis er Anfang letzten Jahres für 80.000 GPB von Trainer Alan King für einen Besitzer erworben wurde.

Dann war es Zeit für das Grand National; das Rennen, welches 1839 zum ersten Mal ausgetragen wurde, wurde auch in diesem Jahr seinem durchaus kontroversen Charakter mehr als gerecht. Als zu harter Test für Pferd und Reiter immer wieder in die Kritik geraten, hatte die Rennbahnverwaltung den Kurs über die Jahre immer weiter entschärft und auch vereinfacht; das berüchtigte Becher´s Brook wurde überarbeitet und abgeflacht, so dass die Pferd nicht mehr ganz so tief landen würden; auch kann man nun im Notfall um alle Hindernisse herumreiten, was beim alten Layout der Bahn nicht möglich war. Bei schwelenden 20°, die man Anfang April ja wirklich selten antrifft, traten die 40 zugelassenen Starter um 4.15 Uhr Ortszeit  an die Startbänder, und eine der kontroversesten Austragungen der letzten Jahre nahm ihren Lauf. Der durch die warmen Temperaturen natürlich gute Boden verleitete viele Jockeys zu einem Höllen-Tempo, so dass das Rennen gleich mit einigen Stürzen begann. Bereits an der vierten Hürde verletzte sich Ornais, einer von Trainer Paul Nicholls´ vier Startern, tödlich, am Becher´s Brook fiel Dooney´s Gate (Trainer: Willie Mullins) und konnte nicht gerettet werden. Daraufhin wurden die entsprechenden Hindernisse auf der nächsten Runde ausgelassen, zum ersten Mal in der Geschichte des Rennens wurde also nicht der volle Kurs geritten, und auch die letzten Zuschauer am Bildschirm (rund 8 Millionen verfolgten das Rennen bei der BBC)  begriffen diese tragischen Bilder. Zudem mussten viele der 19 Pferde, die das Rennen beendeten, unmittelbar nach dem Rennen wegen Kreislaufproblemen behandelt werden, alle Jockeys waren lt. BHA angewiesen, sofort nach dem Rennen abzusitzen, um die natürlich stark überhitzten Pferde besser behandeln zu können; dies war aber natürlich nicht schön anzusehen. Unfälle mit Todesfolge möchte niemand sehen und eine Diskussion darüber würde sicherlich den Rahmen dieses Artikels sprengen; das Grand National ist unbestritten ein hartes Rennen, welches Höchstleistungen verlangt.

Ballabriggs gewinnt das Grand National 2011 unter Jason Maguire. Foto: J. J. ClarkBallabriggs gewinnt das Grand National 2011 unter Jason Maguire. Foto: J. J. ClarkAber es ist auch ein einmaliges Rennen, welches einmalige Sieger, Helden zwei- und vierbeinig, hervorgebracht hat und –bringt. Wie auch den 2011-Sieger Ballabriggs, mit einer Quote von 150:10 durchaus zum erweiterten Favoritenkreis zählend, aus der Talent-Schmiede der mit dem Grand National in so einmaliger Weise verbundenen Familie McCain (Vater „Ginger“ trainierte „natürlich“ den legendären Red Rum, der einzige 3-fache Sieger des Rennens, und mit Amberleigh House sogar Sieger Nr.4). Nun machte Sohn Donald es ihm nach, als sein Schützling, von Jason Maguire aggressiv von vorne geritten (der harte Gebrauch seiner Peitsche brachte Maguire neben einer fünftägigen Sperre auch viele negative Kommentare in Foren und Chat´s ein),  nach etwas mehr als 9 Minuten die Ziellinie rund zwei Längen vor seinem nächsten Gegner überquerte. Bei einem Rennen wie dem National darf man die Platzierten natürlich auf keinen Fall unerwähnt lassen; jeder für sich stand für eine wunderbare Erfolgsstory: der zweitplatzierte Oscar Time, dessen Jockey Sam Waley-Cohen vor drei Wochen als Amateur, der er ist, den Gold Cup gewann und nun nach diesem ultra-raren Doppel griff („Es gibt keine Entschuldigung und keinen Grund zur Enttäuschung. Ich hatte einen tollen Ritt und mein Pferd hat alles gegeben“); nebenbei ist Waley-Cohen Zahnarzt und Mitorganisator der „Royal Wedding“ von William und Kate; auf Platz dritten kämpfte sich der Vorjahressieger Don´t Push It, Jockey Tony McCoy war voll des Lobes: „ Er hat alles gegeben und mich wunderbar über den Kurs getragen. Wenn ich doch nur jedes Jahr so ein tolles Pferd reiten dürfte!“.

Vierter, und auch das eine wirklich bemerkenswerte Leistung, wurde der von Roland Lerner gezogene und einstmals in Baden Baden als Jährling verkaufte Hernando-Sohn State of Play, aus der Windwurf-Stute Kaprice. Das war 2001; nun elf Jahre alt, wird State of Play, der 2006 das berühmte Hennessy Handicap gewinnen konnte, Jahr für Jahr von Trainer Evan Williams gezielt auf das Grand National vorbereitet, tatsächlich war sein letzter Start vor Samstag eben im National 2010, in welchem er Dritter geworden war. 2009 hatte es ebenfalls zu einem vierten Platz gelangt. 

Zusätzlich überschattet wurde der letzte Tag des Meetings vom schweren Sturz des jungen Nachwuchs-Jockey´s Peter Toole, der von seinem Ritt, einem 100-1 Außenseiter in einem Grade1-Rennen für junge Novice-Chasers, bereits am ersten Sprung aus dem Sattel geschleudert wurde. Nach einigen Tagen im künstlichen Koma scheint sich Toole nun aber Gott sei Dank auf dem Weg der Besserung zu befinden.

Catrin Nack

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