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Vor 25 Jahren: Lomitas gewinnt den Großen Preis von Baden

Lomitas unter Terry Hellier vor dem Deutschen Derby. www.galoppfoto.de

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 433 vom Donnerstag, 01.09.2016

Höhepunkt der Großen Woche und neben dem Deutschen Derby DAS  Highlight des Deutschen Rennjahres ist ohne Frage der 144. Große Preis von Baden. Erstmals im Jahr 1858 (und damit einige Jahre vor dem Derby gegründet) gelaufen, wird das Rennen in diesem Jahr zum 144. Mal ausgetragen, da es in den KriegsNachkriegsjahren 1914 – 1920 bzw. 1945-1947/1950 nicht zur Austragung kommen konnte.  Das Rennen ist eines von momentan sieben Gruppe I-Rennen in Deutschland.  Große Namen der Vollblutzucht stehen in der Siegerliste, von Kincsem über OleanderMagnatTicino, Marduk, Windwurf zu Acatenango undDanedream.  Doppel- und sogar Dreifachsieger, große prägende Namen des Sports, und doch – so subjektiv diese Auswahl auch sein mag – stechen manche Namen ganz besonders hervor. Am 1. September 1991, vor 25 Jahren,  einem Vierteljahrhundert also, gewann der große Lomitas dieses Rennen. Zeit, sich auf eine kleine Erinnerungsreise zu begeben.

Übersicht aller Sieger im Großen Preis von Baden: Klick!

Es gibt Pferde, über die eigentlich Bücher geschrieben werden sollten. Die Menschen auf besondere Art berühren, Brücken schlagen,  und sich durch ihre Leistungen auf dem grünen Rasen ganz besonders hervortun. Ein solches Pferd war Lomitas, 1988 auf dem Gestüt Fährhof geboren. Seine Mutter La Colorada, eine Surumu-Tochter, war zwei- und dreijährig bei 15 Starts hart geprüft, Gruppe-Siegerin mit überdurchschnittlichen Rennvermögen; sein Vater war der Nijinsky-Sohn Niniski, ein eisenharter Steher und später erfolgreicher Deckhengst. Ihr Sohn sollte den deutschen Sport zwei- und dreijährig dominieren, und hätte nicht ein feiges Verbrechen seine weitere Karriere so entscheidend beeinflusst, wer weiß, wo die Limits gewesen wären? Sein besonderes Wesen, sein Charakter und seine hohe Intelligenz stellten hohe Anforderungen an seine Menschen, die andere Wege gehen mussten, um Lomitas zu seinen überragenden Leistungen zu führen; doch wen Lomitas berührte, der würde ihn nie wieder vergessen können. Erst kürzlich wählte sein Trainer Andreas Wöhler, in seiner bisherigen, hocherfolgreichen, Karriere mit so vielen Spitzenpferden gesegnet, eben Lomitas zu seiner persönlichen Nr. 1, Simon Stokes erklärte nach dem Tod des Hengstes im Jahr 2010, seinen besten Freund verloren zu haben.

Zunächst schien es nur eine Eigenart,  sein Unwille, den Pferdetransporter zu betreten, der den Beginn seiner Rennkarriere um einige Woche verzögerte, doch nur ein kleines Ärgernis schien. Es wuchs sich jedoch zu einer Platzangst heraus, die vermutlich einen klassischen Sieg kostete und Lomitas auf das sprichwörtliche Sofa beim Psychiater zwang.  Aus dem schwierigen Verladen wurde eine Aversion gegen die Startmaschine, dies behinderte den ersten Start im klassischen Dreijährigen- Jahr 1991 extrem, konnte Lomitas aber nicht am Siegen hindern. Beim Mehl-Mühlens-Rennen jedoch, den German 2000 Guineas, half kein Zureden mehr, der Hengst weigerte sich so standhaft, die enge Startbox zu betreten,  dass er sich praktisch zu Boden warf und vom Start verwiesen werden musste.

Danach betrat ein damals hierzulande völlig unbekannter Monty Roberts die Bühne, oder besser: das Leben von Lomitas. Heute als „Pferdeflüsterer“ weltbekannt, der mit seiner revolutionären Methode, auch die ungehorsamsten Pferde „in die Spur“ zu bringen, eine ganz andere Art der Kommunikation mit dem Tier einer breiten Masse nahebrachte, so sieht auch er in Lomitas eines der „Pferde seines Lebens“.  Was immer genau er Lomitas in den vielen Stunden, die die beiden gemeinsam und alleine verbrachten, ins Ohr flüsterte, ist nicht bekannt, aber es half. Nicht nur folgte Lomitas Roberts „wie ein Hund“ (O-Ton Stokes), Startmaschinen hatten ihren Schrecken verloren, die Derby-Vorprüfung – aus Zeitgründen gab es ein Heimspiel im Bremer Consul-Bayeff-Rennen- eine Formalität. 

Die dann folgende Niederlage im Deutschen Derby eine tiefe Enttäuschung. Müßig, über die Gründe der Schock-Niederlage gegen Temporal, unter einem blutjungen Frankie Dettori, zu spekulieren, die vorsichtshalber beantragte äußerste Startbox ist auch historisch keine Siegerspur, ein kleiner Lapsus beim Abspringen mag sein Übriges getan haben, vielleicht war es auch einfach einer dieser Tage, schließlich sind auch Pferde nur Menschen und keine Maschinen. Der Nimbus des Unbesiegten war dahin.

Doch kein anderes Pferd sollte Lomitas in diesem Jahr 1991 auch nur nahekommen. Auf dem Düsseldorfer Grafenberg gewann Lomitas sein erstes Gruppe I-Rennen standesgemäß gegen solide ältere Pferde, zwei Längen Vorsprung hatte er im Ziel,  Spitzentrainer wie Peter Walwyn, Guy Harwood und Criquette Head hatten Schützlinge entsandt. Und dann kam der 1. September, kam der 119. Große Preis von Baden in Iffezheim. Ein Wiedersehen mit dem Derby-Bezwinger Temporal, erneut mit Frankie Dettori im Sattel, André Fabre schickte die mehr als nützlichen Wajd, aus England waren Another Bob, Spinning und Mondrian angereist. Gerade Letztgenannter war eine traurige FuWalther J. Jacobsßnote dieses Rennens, der Hengst kam als Badener Doppelsieger und insgesamt siebenfacher Gruppesieger an den Ablauf, hatte aber zwischenzeitlich das Trainingsquartier gen England gewechselt. In der Obhut von Paul Cole sollte der Surumu-Sohn nie wieder an seine großen Erfolge, die er unter Uwe Stoltefuß erlaufen hatte, anknüpfen können. Ein letzter Platz in diesem Rennen, welches auch das letzte seiner Laufbahn sein sollte, war ein bedauerliches Ende einer so großen Karriere.  Neben Temporal war All Top der dritte deutscher Starter, der in Polen gezogenen Krezus eine weitere internationale Note. Steve Cauthen, Lester Piggott, Paul Eddery oder Michael Hills nur einige der klangvollen Jockey-Namen, Lomitas selber hatte mit Peter Schiergen bereits seit dem Düsseldorfer Rennen einen neuen Steuermann.

Es war einer dieser heißen Sonnentage, mit denen die Große Woche in so vielen Sommern gesegnet war, als sich die acht Hengste plus einer Stute auf den Weg zur Startstelle begaben. „Handsome is as handsome does“ sagen die Engländer, im Falle des Lomitas waren allerdings nicht nur seine Taten auf der Rennbahn so schön anzusehen, er selber auch ein Bild von einem Pferd, ein praktisch fehlerlos gebauter, kraftvoller Fuchs-Hengst, mit seinem feinen Kopf und dem sprechenden Auge, aus dem die von Monty Roberts höchstpersönlich bescheinigte Intelligenz nur so sprühte. In der glühenden Sonne schien er wie aus Gold gemeißelt, und hielten nicht wenige Fans bei seinem bloßen Erscheinen im Führring bereits den Atem an, so ließ sie das nun anstehende Rennen, der 119. Große Preis von Baden, nachgerade nach Luft schnappen. Lomitas gewann nicht, er demontierte das Feld, immer gut gehend und aus guter Lage löste er sich auf der langen Iffezheimer Zielgeraden nach Belieben von seinen Gegnern, spielerisch leicht, ohne erkennbare Anstrengung, unter dem ungläubigen Jubel der Massen und einem überwältigten Rennkommentator Manfred Chapman. Hier war ein Pferd auf dem Höhepunkt seines Könnens, Generationen von auserwählten Vorfahren hatten ein perfektes Rennpferd geschaffen, eines, das mit der ihm zugedachten Aufgabe im Reinen war, ein Star. Sieben Längen waren es zum Zweitplatzierten Temporal , die Revanche mehr als geglückt (tatsächlich sollte Temporal nur noch ein einziger weiterer Sieg, in einem Altersgewichtsrennen, gelingen), 11 Längen zur Drittplatzierten Wajd, zu Statisten degradiert von einen Hengst, dem Flügel gewachsen schienen. Der Himmel schien die Grenze zu sein, die Rennwelt lag Lomitas zu Füssen.

Lomitas sollte auch das letzte deutsche Gruppe I-Rennen des Jahres, den Preis von Europa, gegen mehrheitlich einheimische Gegner mit derselben spielerischen Überlegenheit gewinnen. 105,5 kg im Generalausgleich erhielt er nach der Saison 1991, er wurde als Europas drittbester Dreijähriger eingeschätzt, hinter Generous und Suave Dancer, auch wenn er nie gegen sie direkt angetreten war. Peter Schiergen hat nach eigener Aussage nie ein besseres Pferd geritten. Selbstverständlich wurde Lomitas zum „Galopper des Jahres“ gewählt, und langjährige Fans erinnern sich, dass diese Wahl damals in der Sportschau ausgetragen wurde, undenkbar in heutigen Zeiten, in denen man sich fünf Minuten Sendezeit  teuer erkaufen muss.

Und noch waren die dunklen Wolken des Verrats, der das Rennjahr 1992, ja die Karriere des Lomitas so grausam unterbrach und natürlich sogar sein Leben in Gefahr brachte, in weiter Ferne, ungeahnt, undenkbar. 

Doch so ging sie weiter, die Lebensgeschichte des Lomitas. Der Hengst, der unbesiegbar schien, sollte nach dem goldenen Jahr 1991 noch insgesamt zehn Mal – über drei Jahre verteilt – an den Start kommen. Drei Rennen konnte er gewinnen, zwei vor dem Anschlag auf sein Leben – es wurde mit Vergiftung gedroht, der Hengst nach einer unerklärlichen Niederlage tatsächlich als negativ gedopt getestet -  eines danach. Es war der unerschütterlichen Treue eines Simon Stokes, zusammen mit einem wunderbaren Team diskreter Helfer, zu verdanken,  dass Lomitas, unter falschen Namen und sozusagen mit verschleierter Identität, Deutschland unerkannt verlassen konnte und in Sicherheit gebracht wurde. Über England und den Stall des Lester Piggott führte die Reise schließlich nach Amerika, nur hier schien Lomitas wirklich sicher. Gesundheitlich beeinträchtigt, konnte und sollte Lomitas leider nie wieder zu seiner alten, prachtvollen Stärke zurück finden. Doch der Hengst, sich eine der Krönungen im Züchterleben des legendären Walther J. Jacobs, war in Sicherheit, und Jacobs konnte den Hengst im Jahr 1995 persönlich auf dem Fährhof in Empfang nehmen. Es schloss sich ein Kreis, der Traum eines jeden Züchters, ein Pferd seiner eigenen Scholle schlussendlich kehrt nach erfolgreicher Rennlaufbahn in das Heimatgestüt zurück.

Die Früchte des Lomitas hat Walther J. Jacobs jedoch nicht mehr ernten können, er verstarb im Jahr 1998. 1999 trumpften dann die ersten Nachkommen Lomitas dreijährig so gewaltig auf, mit Sumitas (der bereits Champion-Zweijähriger war), Belenus und Silvano hätte er sich nicht besser in die Zucht einführen können, alleine fünf seiner Nachkommen kamen im Deutschen Derby des Jahres an den Start, mit eben Belenus auch der Sieger.  Nachdem Scheich Mohammed einen Anteil am Hengst erwarben hatte, wechselte Lomitas für mehrere Jahre in das Gestüt Dalham Hall Stud, hier konnte er im großen und ganzen aber nicht an die sensationellen Erfolge des ersten Jahrgangs anknüpfen, zu unterschiedlich waren Stutengrundlage und wohl auch das englische Rennsystem, das einen so starken Fokus auf Frühreife legt. Im Jahr 2006 kehrte Lomitas dann auf den Fährhof zurück und konnte hier noch vier Jahre tätig sein. Die wunderbare Danedream, nach Star Appeal im Jahr 1975 Deutschlands zweite Prix de L´Arc de Triomphe Siegerin, dazu –natürlich – zweifache Siegerin des Großen Preis von Baden, siebenfache Gruppe-Siegerin  incl. der King George VI and Queen Elizabeth Stakes, war sein Abschiedsgeschenk, ihre großen Erfolge für ihren Vater bereits posthum.

Lomitas starb im Jahr 2010 nach Komplikationen einer Kolik-Operation. Er lebt weiter seinen Kindern und Kindeskindern, und wird hoffentlich noch lange Zeit Einfluss auf die Vollblutzucht nehmen. Niemand, der je mit ihm in Berührung kam, wird ihn jemals vergessen können. 

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