Zum Tod der „Queen of Speed“: Die ungewöhnliche Lochsong 

von Catrin Nack

Quelle: Turf-Times v. 30.05.2014

Die "Queen of Speed": Lochsong. Foto: John-James ClarkDie "Queen of Speed": Lochsong. Foto: John-James Clark

Am frühen Dienstagmorgen musste Lochsong in ihrem Heimatgestüt Littleton Stud nach einem schweren Kolikanfall eingeschläfert werden. Die Stute wurde 26 Jahre alt. Lochsongs aktive Zeit als Rennpferd war weit vor allen Auswüchsen des Social Media (und doch hatte sie eine Facebook-Gruppe: Klick!, geführt von einem irischen Fan, der buchstäblich Haus und Hof durch sie gewann), Bezeichnungen wie Superstar und Kult-Pferd wollten zu ihrer Zeit wohlverdient sein, und doch war sie genau das: ein Star, und auch, „Kult“. Menschen fühlten sich von ihr angezogen (im Rennstall erhielt sie Kiloweise Polo-Mints per Post, Postkarten mit der Aufschrift „Lochsong, Champion Sprinter“ wurden zuverlässig zugestellt: „try kingsclere, Winchester“ schrieb die Royal Mail neben diese „Adresse“) , sie füllte Rennbahnen, sie tat Dinge, die außergewöhnlich waren, und sie machte all dies auf ihre Weise. Sie war kompromisslos in ihrem Charakter, eine wahre Diva, und stellte hohe Anforderungen an ihre Umgebung. Aber auf der Rennbahn gab sie, was sie hatte, atemberaubenden „Speed to burn“, sie war purer 1000m-Power, und hält noch heute den Bahnrekord in Newmarket.  Sie war die „Queen of Speed“.

Lochsong wurde am 26.04.1988 geboren, mit einen selbst für damalige Zeit altmodischen Pedigree: von Song, damals bereits 22 Jahre und Resident im Littleton Stud, wo er nur wenig Zuspruch von außerhalb erhielt, aus der Lochnager-Stute Peckitts Well, Siegerin einiger kleinerer Rennen. Zweijährig war Lochsong bei keinem Geringeren als Lord John FitzGerald im Training („An uncomfortable non-event“ erinnerte sich Littleton Stud Eigner Jeff Smith, dessen Gestüt Deutschland natürlich Dashing Blade bescherte, in einem Interview); und so kam Lochsong dann 3jährig zu dem Mann, der ihre Karriere formte, und dessen Leben auch sie formte: Ian „Mill Reef“ Balding, der mit eben diesem Jahrhundert-Hengst bereits in jungen Jahren als Trainer ein „Pferd des Lebens“ trainiert hatte und doch Lochsong als seine größte Trainerleistung betrachtet: “Mill Reef machte alles alleine, es war alles so einfach. Lochsong war eine Herausforderung. Ihr unkluger Trainer hat drei Jahre gebraucht, um ihr wahres Können zu erkennen.“

Es gelang Balding, Lochsong dreijährig zum Sieg zu führen, in zwei unbedeutenden Rennen in Redcar und Newbury, „die schwächsten, die ich finden konnte“ so Balding. Weil Smith so recht nicht wusste, was er mit Lochsong anfangen sollte, blieb sie auch vierjährig im Rennstall, und nun nahm das Schicksal seine Wende: Stärker, gesünder, und auch etwas reifer gewann Lochsong beim ersten Start im Jahr 1992, um dann die Fachwelt – und ihre rasant wachsende Zahl von Fans - mit einem noch nie dagewesenen Dreier-Serie (nie zuvor und nie danach gewann ein Pferd alle drei Handicaps im gleichen Jahr) nicht nur zu verblüffen, sondern gleichsam von den Sitzen zu reißen: im Stewards Cup (Goodwood) – Portland Handicap (Doncaster) und Ayr Gold Cup (alle 6f = 1200m) – den drei bedeutendsten Sprint-Handicaps der Insel - schlug sie nacheinander zu, zweimal mit Willie Carson und im letzten Rennen mit Nachwuchsreiter Frank „Scully“ Arrowsmith, dessen sieben Pfund Erlaubnis halfen, aber auch nicht nötig gewesen wären, Lochsong war einfach „andere Ware“, sie marschierte durch diese hochdotierten Rennen, un-stoppbar. „In Goodwood war sie die sicherste Wette unter der Sonne, und sie stand 10/1. Was haben wir unser Geld gezählt", so Jeff Smith.

Fünfjährig war es natürlich vorbei mit den Handicaps ihr Rating war von 70 auf 110 geschossen), aber Lochsong blieb auf der Siegerstraße, sie schien sich nochmals zu verbessern, auch, weil Ian Balding nun endlich erkannt hatte, was Lochsong wirklich wollte: im Training kein Pferd sehen (sie trainierte fast immer alleine, auf einem Teilstück von Kingsclere, das noch heute der „Lochsong-Galopp“ heisst), und im Rennen über die Minimal-Distanz anderen Pferden davonlaufen. Eine weitere glückliche Fügung war, mit einem gewissen jungen Jockey namens Frankie Dettori einen Reiter zu finden, der aus demselben Holz wie die Stute geschnitzt war: wagemutig und heißblütig, vor seinem Godolphin-Ruhm. „In meinem ersten Rennen über 1000m hatte ich alle möglichen Orders erhalten, versuche es von vorne, aber behalte ein wenig Kraft zurück, versuche dies, versuche das, es war ein wenig kompliziert für 5f, und ich ließ sie einfach ihr Ding machen, abspringen, vorne gehen. Nach dem Sieg meinten alle, ich sei so ein tolles Rennen geritten, bin ich gar nicht, sie hat alles alleine gemacht.“ So ein strahlender Dettori in einem Interview auf Channel4.

Neun Rennen gewann das Dream-Team gemeinsam (von 27 Rennen gewann Lochsong 15, war zweimal Zweiter und vier Mal Dritter; sie gewann u.a. die Kings Stand Stakes, Temple Stakes, Palace House Stakes, die Nunthorpe), darunter drei Gruppe I-Rennen. So war sie, Hopp oder Top, und vor allem Gruppe I-Rennen in England stellten die Stute auf eine harte Probe, da sie die Paraden und die langsamen Aufgalopps hasste, zweimal lief sie ihrem Jockey bei solchen Gelegenheiten bereits vor dem Start davon, unkontrollierbar, unhaltbar, und war danach natürlich im Rennen schon verausgabt. Ihr Stern strahlte vielleicht niemals heller als bei ihrem letzten Sieg, im Prix de l´Abbbaye 1994 (sie hatte das Rennen bereits im Jahr zuvor gewonnen.) Mitte August hatte sie einen der oben beschriebenen Aussetzer, war dann einige Wochen zur Erholung im Gestüt, ihre Karriere neigte sich dem Ende, dies würde ihr letzter Start in Europa sein. Zu Zehntausenden kamen die englischen Fans (damals wie heute) an diesem ersten Sonntag im Oktober in den Bois de Boulogne, in diesem Jahr sicher auch für ihre "Queen of Speed".

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, dass verständnisvolle Offizielle Lochsong den Aufgalopp erlassen hatten, sie durfte zum Start geführt werden. Langsam ging es zur Startstelle, aber umso schneller stürmte eine wieder erstarke Lochsong dem Zielpfosten entgegen, 0:57,2 Sekunden später (auf offiziell gut-weichem Boden) und fünf Längen vor dem nächsten Gegner überquerte sie die Linie, begleitet vom frenetischen Jubel der Massen, die kaum etwas vom Rennen sahen und doch wussten, welcher Meisterleistung sie beiwohnten. Dettori ließ sich Zeit, Lochsong an den Tribünen vorbei zur Siegerehrung zu reiten, beide sogen die kochende Stimmung der Tribünen auf, und die Fans sangen für „Loch-Song“ für sie. Danach trat Lochsong die Reise zum Breeders' Cup an, begleitet von riesigem Medien-Interesse legte sie hier einen „Monster-Workout“ hin, aber erneut verlor sie damit ihr Rennen schon vor dem Start und konnte im Sprint selber nie in Erscheinung treten.

Musste im Alter von 26 Jahren wegen einer Kolik eingeschläfert werden: Die Wunderstute Lochsong mit Nachwuchs im Littleton Stud. Foto: John-James ClarkMusste im Alter von 26 Jahren wegen einer Kolik eingeschläfert werden: Die Wunderstute Lochsong mit Nachwuchs im Littleton Stud. Foto: John-James ClarkDie Zuchtleistungen großer Rennstute zu beleuchten, ist eine Art Dauer-Thema; hier fiel Lochsong wohl unter die Kategorie „solider Durchschnitt“. Es war nicht einfach, sie tragend zu bekommen, sieben Nachkommen nur hatte sie, von denen fünf insgesamt bisher 18 Rennen gewannen, zwei (Lochridge und Loch Verdi) errangen Black Type; ihr letzten Fohlen, die 2009 geborene und so wunderbar benannte Swan Song, ist noch aktiv und hat gerade in Chester gewonnen, auch sie scheint  sich im Alter zu verbessern.

Lochsong verband Menschen – die gesamte Familie der Stute wurde in Kingsclere trainiert, erst von Ian, heute von seinem Sohn Andrew Balding; Lochsongs Halbschwester Lochangel war Teil von Frankie Dettoris „Magnificent Seven“; „Scully“ Arrowsmith hängte seine Rennstiefel sofort nach dem Portland Handicap an den berühmten Nagel („Ich wusste, besser konnte es für mich nicht werden“) und ist heute Arbeitsreiter in Dubai; „Alles was ich bin, bin ich durch sie.“ Und sicher hätte sich Jeff Smith niemals träumen lassen, dass er nur sechs Jahre nach seiner Sprinterin mit dem Steher Persian Punch noch ein „horse of a lifetime“ erleben würde, dem ja leider ein Ruhestand nicht vergönnt war.

Man sagt, tot ist nur, wer vergessen ist. Lochsong wird in den Herzen vieler Menschen noch lange leben. 

Catrin Nack

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