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Zu Besuch bei Marcel Weiß und seiner Diana-Hoffnung Virginia Joy

Autor: 

Frauke Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 629 vom Freitag, 31.07.2020

Erster Gruppesieg: Marcel Weiß mit seiner Virginia Joy nach der Mehl-Mülhens-Trophy, jetzt ist sie einer der Favoritinnen für die Diana. www.galoppfoto.de - Frank SorgeErster Gruppesieg: Marcel Weiß mit seiner Virginia Joy nach der Mehl-Mülhens-Trophy, jetzt ist sie einer der Favoritinnen für die Diana. www.galoppfoto.de - Frank SorgeDie Dame schläft. Es ist 10 Uhr. Im Diana-Stall in Mülheim herrscht um sie herum das übliche Gewusel. In den Nachbarboxen werden Pferde gesattelt, das nächste Lot geht raus. Aber Virginia Joy liegt gemütlich im Stroh, sie hat ihr Pensum für heute erledigt. Ab und an wackeln die Ohren ein wenig, so ganz weg ist sie noch nicht, es ist ja auch erst das Vormittagsschläfchen. „Das macht sie immer so, da ist jedes Pferd anders“, erzählt ihr Trainer Marcel Weiß, „nach dem Training schläft sie ein bisschen, dann gibt’s Mittagsessen, danach schläft sie richtig. Mir sind solche Pferde lieber als die, die in der Box herumtoben.“ Mit dieser tiefenentspannten Einstellung gewinnt man Gr. III-Rennen in Hamburg, genauer die Mehl Mülhens-Trophy, und geht als Favoritin in das wichtigste Rennen des Jahres für Stuten, den 162. Henkel Preis der Diana (Gr. I, 2.200m, 500.000 Euro. Zum RaceBets-Langzeitmarkt: Klick

Die Dame schläft: Virginia Joy ist vor dem Start im 162. Henkel-Preis der Diana sehr entspannt. www.dequia.deDie Dame schläft: Virginia Joy ist vor dem Start im 162. Henkel-Preis der Diana sehr entspannt. www.dequia.deDie dreijährige Soldier Hollow-Tochter, bei der als Züchter und Besitzer das Gestüt Auenquelle draufsteht, das auch den Diana-Rennstall betreibt – war die erst 28. Starterin und die 5. Siegerin in der noch sehr frischen Trainerkarriere von Marcel Weiß, die erst im Jahr 2020 begonnen hat, dem Corona-Jahr. Zwei Stunden nach ihrem Gruppesieg inHamburg, selbstredend der erste für den Trainer und nach langer Abstinenz auch ein langersehnter für die Besitzer, kam das IDEE 151. Deutsche Derby. Schaut aus seiner Box im Diana-Stall in Mülheim: Der Derby-Zweite Torquator Tasso soll jetzt im Großen Preis von Baden laufen. www.dequia.deSchaut aus seiner Box im Diana-Stall in Mülheim: Der Derby-Zweite Torquator Tasso soll jetzt im Großen Preis von Baden laufen. www.dequia.deUnd ein junger, ziemlich flegelhafter Hengst, der nur ein paar Boxentore von Virginia Joy entfernt wohnt, stürmte in Hamburg-Horn auf den 2. Platz: Torquator Tasso, ein Adlerflug-Sohn, der seinem Vater alle Ehre macht. Noch ganz grün hinter den Ohren und als Marcel Weiß zu ihm in die Box geht, sagt der, „ganz so kuschelig wie mit Virginia Joy eben, wird das mit dem hier nicht. Das ist noch ein rauher Bursche, der weiß immer noch nicht, wofür er auf der Welt ist. Aber auch er hat vor dem Derby erstmal noch zwei Stunden geschlafen.“

Dieser Tag, der Derby-Tag am 12. Juli, ist jetzt knapp drei Wochen her, „den musste ich schon erstmal emotional verarbeiten“, erzählt Marcel Weiß, „auch wenn am nächsten Tag wie immer um kurz vor 4 Uhr der Wecker geklingelt hat und der Alltag wieder da war.“ Lange musste er auf so einen Tag warten. „Ich habe bei Martin Rölke in Hoppegarten eine Lehre gemacht und wollte eigentlich Jockey werden“, so ein kleiner Auszug aus dem Lebenslauf, „aber mit diesen Plänen war es schnell vorbei, ich denke, jeder kann sehen, warum.“ Marcel Weiß ist immer noch schlank, aber der Jockey-Größe sehr weit entwachsen, „da habe ich umgesattelt und bin Futtermeister geworden.“ Viele Jahre war er in Mülheim der Assistent von Uwe Ostmann, der jüngst seinen 80 Geburtstag und davor viele große Erfolge für das Gestüt Auenquelle gefeiert hat – den Diana-Sieg mit Gonbarda 2005 inklusive. Als Ostmann vor acht Jahren seine Trainerlaufbahn beendete, schien es nicht aus der Welt, dass Marcel Weiß sein Nachfolger werden würde, „ich hatte damals auch gerade meinen Trainerschein gemacht.“ Aber die Entscheidung der Stalleigner fiel anders aus, Jens Hirschberger, ausgestattet mit der Referenz zweier Derbysieger für das Gestüt Schlenderhan mit Adlerflug und Wiener Walzer, wurde verpflichtet.

Der Typ ruhig und gelassen: Marcel Weiß beim Training auf der Mülheimer Rennbahn. www.dequia.deDer Typ ruhig und gelassen: Marcel Weiß beim Training auf der Mülheimer Rennbahn. www.dequia.deWeiß bliebt zweiter Mann, sieben Jahre lang. „Ich habe von beiden Trainer viel gelernt und mitgenommen“, sagt er dazu diplomatisch, ruhig und höflich, was ganz grundsätzlich zu seinen Charaktereigenschaften zu gehören scheint. Der Blick in die Statistik der letzten Jahre zeigt, warum man sich auf Besitzerseite irgendwann doch veranlasst sah, einen Wechsel vorzunehmen. Eine Chance, die Marcel Weiß genutzt hat, auch wenn die ersten Starts im Corona-Rennjahr unauffällig verliefen. „Ich habe meine Pferde ruhig und verhalten trainiert und wirklich abgewartet, bis klar war, dass es mit den Rennen wirklich wieder losgeht“, so die Erklärung, „der erste Sieg war so auch „erst“ beim 11. Start fällig, mit Lijan und Miguel Lopez, der reitet Torquator Tasso bei unserem Besuch auch in der Arbeit, in Düsseldorf.“

Im Stall trifft man überraschend auch einen alten Bekannten aus einem ganz anderen Quartier wieder, „da war ich 25 Jahre, aber man konnte mich nicht mehr bezahlen“, erzählt der, es sind harte Zeiten im Rennsport im Jahr 2020. Die Stimmung im Diana-Stall-Team ist gut, ein Chef der leisen Töne. Jeder Reiter (besser: jede Reiterin, weil in der Mehrzahl) wird beim Abspritzen der Pferde nach den Eindrücken befragt, alle Pferde haben Kosenamen, die Stuten noch mehr als die Hengste. Rush Hour: Mittlerweile werden in Mülheim über 160 Pferde trainiert, darunter drei frische Gruppersieger. www.dequia.deRush Hour: Mittlerweile werden in Mülheim über 160 Pferde trainiert, darunter drei frische Gruppersieger. www.dequia.deDa muss „Tasso“, der hier ohne seinen Vornamen „Torquator“, in den sich ein „r“ zuviel verirrt hat, zurechtkommen muss, erst einmal einen Schritt zurücktreten. Der wird uns sicher vor dem Großen Preis von Baden, der sein nächstes Ziel ist, noch einmal beschäftigen. „Auf jeden Fall bin ich unglaublich dankbar, dass er noch bei mir im Stall ist“, so Weiss, „es gab vor dem Derby sehr viele Angebote auf ihn, aber derzeit gibt es keinerlei Verkaufsabsichten mehr.“ Der Aderflug-Sohn hat das Derby gut weggesteckt, wirkt putzmunter und scheint bereit zu sein für neue Aufgaben. Das klingt nach Hoffnung, Perspektive und jeder Menge Spaß für alle Beteiligten. Geld auf der Bank kann man nicht zujubeln. Bei Torquator Tasso stehen die Chancen dagegen gut, dass er ein Pferd für die großen Rennen der Zukunft ist. Nachgefragt nach dem Arc im Oktober gibt es kein striktes „nein“ zu hören, sondern ein „abwarten, wie es in Baden-Baden läuft“.

Aber erstmal das Stuten-Derby am Sonntag in Düsseldorf. Mittlerweile ist auch Virginia Joy aufgewacht. Zwischendurch hat etliche Male das Handy geklingelt, zwei weitere Lots waren draußen, ein Neuzugang kam in den Stall, die Nr. 37 auf der Trainingsliste, „sowas freut einen sehr, momentan bin ich sehr zufrieden.“ Für Virginia Joy gibt es nach dem Aufwachen noch eine Kuscheleinheit mit dem Trainer. Ein ganz anderes Bild als mit Torquator Tasso, der immer herumkebbelte, hier wirkt es sehr friedlich und harmonisch. Das Rezept dafür ist einfach: „Man muss freundlich sein zu den Frauen, dann klappt das schon. Stuten muss man schon ganz anders behandeln als Hengste. Obwohl wir natürlich nett zu allen Pferden sind.“

Auch in der Diana wieder Konkurrentinnen: 1 und 2 ganz innen und außen - Virginia Joy mit Adrie de Vries gewinnt die Mehl-Muelhens-Trophy vor Zamrut. www.galoppfoto.de - Sabine BroseAuch in der Diana wieder Konkurrentinnen: 1 und 2 ganz innen und außen - Virginia Joy mit Adrie de Vries gewinnt die Mehl-Muelhens-Trophy vor Zamrut. www.galoppfoto.de - Sabine BroseDie Aufgabe am Sonntag ist anspruchsvoll. Erstmals seit langem müssen Pferde ausscheiden. Nur 16 dürfen laufen, 24 wollten noch nach der Starterangabe. Kein Thema für Virginia Joy, die auch vom Handicapper weit vorne gerankt wird, aber für viele andere, die nur wenige Kilo dahinterstehen. „Natürlich ist Zamrud, die sich mit Virginia Joy in Hamburg - sie ganz außen, Virginia Joy ganz innen - ein Herzschlagfinale geliefert hat, eine Gegnerin“, so Weiß“, aber auch Tickle Me Green aus dem Quartier von Francis-Henri Graffard in Frankreich, der auch den Derbysieger In Swoop trainiert, schätze ich sehr stark ein. Es ist die bestbesetzte Diana seit Jahren.“  Ob er nervös ist vor so einem Rennen, jetzt mit der Favoritenrolle? Auf diese Frage reagiert Marcel Weiß gelassen: „Ich habe auch vor dem Derbytag ruhig geschlafen. Am Renntag selber habe ich sowie nur noch wenig Einfluss auf das, was passiert. Meine Arbeit habe ich vorher erledigt.“

Der Start für das Rennen, den 162. Henkel-Preis der Diana (Gr. I. 2.200m, 500.000 Euro), in dem sich zeigen wird, ob die Arbeit erfolgreich war, erfolgt am Sonntag  um 15:30 Uhr in Düsseldorf. Es ist nach dem Derby das zweithöchstdotierte Rennen in Deutschland. Virginia Joy wird aus der Startbox 6 auf die Reise gehen, das ergab die Auslosung der Startboxen am heutigen Donnerstag, der Präsident des Düsseldorfer Reiter- und Rennvereins, Peter Michael Endres, lächelte zufrieden, denn Virginia Joy läuft in seinen Farben. Der Renntag muss leider wegen der Corona-Pandemie fast ohne Zuschauer stattfinden, das Rennen wir live auf dem Youtube-Kanal von Deutscher Galopp gezeigt. Hier gibt es das komplette Starterfeld: Klick!

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