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Weltchampions und Weltrekorde

Keine Frage: Jockey Nr. 1 weltweit war 2019 Frankie Dettori, hier bei einer Ehrung am 6. Dezember in Hong Kong. www.galoppfoto.de

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Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 599 vom Freitag, 20.12.2019

Kaum eine Sportart ist derart international wie der Galoppsport. Auch wenn es regionale Unterschiede in der Präferenz für bestimmte Distanzen und der Art des Rennbahnuntergrunds gibt, so werden Rennen für englische Vollblüter in Dutzenden von Ländern auf allen Kontinenten der Welt veranstaltet. Anders als bei anderen globalen Sportarten existieren jedoch keine Weltmeisterschaften, auch wenn es bei bestimmten internationalen Turf-Großereignissen wie dem nordamerikanischen Breeders´ Cup Meeting, dem französischen Arc-Meeting, dem Dubai World Cup Wochenende, dem australischen Melbourne Cup und dem internationalen Renntag zum Abschluss des Rennjahres in Hongkong im Dezember stets zu einem Kräftemessen von Vollblütern verschiedener Rennsportnationen kommt, vergleichbar mit einer Weltmeisterschaft ist keine dieser Veranstaltungen.

Bei den vierbeinigen Hauptakteuren wird die Frage nach dem aktuell weltbesten Vollblüter über eine Weltrangliste (World Thoroughbred Racehorse Rankings), die in einem internationalen Abstimmungsprozess der nationalen Chef-Handicapper der führenden Rennsportnationen festgelegt wird, nicht immer zur Zufriedenheit der Turf-Fans beantwortet. Bei den zweibeinigen Akteuren des Turfs, den Jockeys und Trainern, wird die Antwort auf die Frage nach dem weltbesten Jockey bzw. Trainer auf sehr unterschiedliche Art und Weise gegeben. Die von uns vor einiger Zeit vorgestellten TRC Global Rankings (klick zum damaligen Beitrag) versuchen in einem komplizierten Berechnungssystem, die Leistung von Jockeys und Trainer in einer Punktzahl auszudrücken. Weit einfacher kommt die jährliche Jockey-Rangliste der International Federation of Horseracing Authorities (IFHA) zustande, die Basis für die Vergabe des  Titels „World’s Best Jockey“ ist. Hierfür zählt ausschließlich das mit Punkten für die ersten drei Plätze (12-6-4) honorierte Abschneiden in den 100 wichtigsten Gruppe I Prüfungen der Welt, die alljährlich neu aufgrund des Ratings der platzierten Teilnehmer bestimmt werden.

Für das ablaufende Jahr führen beide Systeme zum selben Ergebnis. Frankie Dettori verdrängte in 2019 den in der TRC Global Rankings lange Zeit die Pole-Position innehabenden Ryan Moore und setzte sich mit aktuell 1096 Punkten recht deutlich von Ryan Moore (1084) ab, hinter dem der in Japan aktive Franzose Christophe-Patrice Lemaire (1069) den 3. Rang einnimmt. Auch beim IFHA-Bewertungssystem stand Dettori mit 102 Punkten klar an der Spitze, Ryan Moore landete in 2019 mit 82 Punkten hier sogar nur auf Rang 4, noch hinter Zac Purton (88) und Hugh Bowman (86).

Dettori schaffte damit als bislang einziger Jockey die Verteidigung des Titels „World’s Best Jockey“, hatte er in dieser Wertung doch schon 2018 an der Spitze gestanden. Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass es dieses Wertungssystem mit dem pompösen Titel erst seit Anfang 2014 gibt. In den sechs Jahren seit Einführung errangen nur drei verschiedene Jockeys den Titel eines Weltchampions. Nach Ryan Moore in 2014 trug sich Frankie Dettori bereits 2015 erstmals in die Siegerliste ein, bevor sich Ryan Moore den Titel 2016 zurückholte. Im Folgejahr war es der Australier Hugh Bowman, der zum weltbesten Jockey gekürt wurde, neben den reiterlichen Fähigkeiten des Winx-Stammjockeys auch eine Konsequenz der Tatsache, dass australische Gruppe I Prüfungen besonders häufig in der Top 100 Liste der weltbesten Galopprennen vertreten sind. Nach Bowmann folgten dann die beiden erneuten Titelgewinne für Frankie Dettori.

Ein ähnliches System der IFHA für Trainer existiert bislang nicht, so dass hier nur die TRC Global Rankings eine internationale Rangliste bietet, auf der es in 2019 ebenfalls einen Wechsel an der Spitze gab. Dass es keine gute Saison für Aidan O’Brien war, kann man auch daran ablesen, dass der Langzeitführende in diesem Jahr Platz um Platz verlor. In der aktuellen Rangliste vom 15. Dezember 2019 büßte er erneut einen Platz ein und befindet sich jetzt mit 1051 Punkten erstmals nur auf Rang 5. Spitzenreiter wurde im Laufe des Jahres der Brite John Gosden (1084) vor dem US-Trainer Chad Brown (1079), dem in Godolphin-Diensten stehenden Briten Charly Appleby (1077) und Bob Baffert (1052), dem zweiten US-Trainer in den Top Five. Hinter dem vorderen Quintett ist bis zum Franzosen Andre Fabre (1027), dem besten Vertreter Kontinentaleuropas auf Rang 6, schon ein gehöriger Abstand (als bester deutscher Vertreter findet sich Andreas Wöhler mit 964 Punkten auf Platz 50 dieser Rangliste).

Neben solchen Ranglisten ist das einfache Zählen von Siegen eine weitere populäre Methode, einen Champion im Turf zu definieren. Dabei zählt der sportlich unbedeutende Erfolg in einem unteren Handicap genauso viel wie der Gruppe I Treffer, so dass nur fleißige Vielstarter unter den Jockeys und Trainern eine Chance auf einen solchen Titel haben. Der „Weltchampion“ Dettori fand sich zum Beispiel in der nach reiner Sieganzahl ausgetragenen britischen Championatswertung 2019 nur auf Platz 21 wieder, er hatte allerdings für seine 51 Siege auch nur 205 Ritte benötigt, während der neue Champion Oisin Murphy auf stattliche 860 Ritte im Championatszeitraum kam (und davon 168 in Siege ummünzte).

Etwas abseits vom Rampenlicht der internationalen Turf-Szene befinden sich die extremen Siegsammler im Turf allerdings nicht in Europa, den USA oder Australien, sondern in Südamerika. Auch hier hat der Galoppsport eine breite Basis und zahlreiche Rennbahnen in etlichen südamerikanischen Ländern veranstalten das ganze Jahr über Galopprennen. Die argentinische Webseite Página de Turf sammelt weltweit statistische Daten über die Erfolge von Jockeys und Trainern im globalen Turf. Laut ihren Statistiken sind es sowohl bei den Jockeys als auch bei den Trainern südamerikanische Vertreter, die die Sieganzahl-Weltrekorde ihrer Zunft innehaben. Der aus Rio de Janeiro stammende Jorge Ricardo, 26facher Champion in seiner brasilianischen Heimat, dreifacher Champion im Nachbarland Argentinien, kann auf 12.975 Siege im Rennsattel zurückblicken. Niemand auf der Welt hat als Jockey mehr Siege errungen als der mittlerweile 58jährige Brasilianer, der immer noch aktiv ist. Auch den Tagesweltrekord hält ein südamerikanischer Jockey: der Chilene Héctor Isaac Berrios schaffte am 13. Juli 2006 an einem Renntag auf der Rennbahn in Santiago neun Tagessiege (bei zehn Ritten).

Nicht anders ist die Situation bei den Trainern: Juan Suárez Villarroel, ein aus Chile stammender Trainer, der sein Rennstall auf der Rennbahn Monterrico in der peruanischen Hauptstadt Lima betreibt, steht aktuell bei 9.519 Siegen, mehr als jeder andere Trainer weltweit in seiner Karriere vorweisen kann. Villarroel trainiert seit 1980 in Lima und ist der Abonnementchampiontrainer seines Landes. Sein Status in Peru ist vergleichbar mit dem der Trainerlegende Heinz Jentzsch in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts in Deutschland. In den TRC Global Rankings ist Villarroel mit 941 Punkte nur auf Rang 113 geführt, doch nach Sieganzahl ist er allen internationalen Kollegen überlegen. Hierzulande dürfte er selbst unter Turf-Fans weitgehend unbekannt sein, da die südamerikanische Turf-Szene hier kaum beobachtet wird. Doch wird dies in umgekehrter Richtung nicht anders sein, in Südamerika dürfte auch kaum jemand etwas mit hiesigen Trainernamen anfangen können, allerdings finden sich deutsche Namen auch nicht in der Rekordlisten des internationalen Turfs.

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