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Take Cover - die Geschichte eines ungewöhnlichen Fliegers

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 534 vom Donnerstag, 06.09.2018

Sprinter, sozusagen die 100m-Läufer der Pferdewelt, laufen auf kurzen Strecken Spitzengeschwindigkeiten. Hier haben junge Beine doch sicher einen Vorteil.  Ernsthafte Züchter planen ihre Bedeckungen sorgfältig, um so eine bessere Idee der Idealdistanz des resultierenden Nachwuchses zu haben. Ein im nordenglischen Yorkshire trainierter inzwischen 11-jähriger Wallach hat zu all diesen „Weisheiten“ seine ganz eigenen Ideen.

Die Rennbahn von Southwell, eine Allwetter-Bahn, die auf dem Turf-Geläuf lediglich Hindernisrennen anbietet, hat keinen guten Ruf. Die Rennen niedrigklassig, das Ambiente ebenso. Nicht eben die Bahn, auf der man Großes vermutet. Genau hier aber begann im Oktober 2011 die Karriere eines bemerkenswerten Pferdes namens Take Cover, der im zarten Alter von vier Jahren, und Ende Oktober noch dazu, erstmals diese Rennbahn betrat. In nicht einmal vier Wochen gewann er dann drei Rennen in Folge, da wird man selbst auf der Rennbahn Southwell hellhörig.

Nichts war bis dahin wirklich glatt gegangen: der mächtige Singspiel-Sohn aus einer Magic Ring-Mutter hatte sich beim Einreiten äußert un-kooperativ präsentiert –„Ich nannte ihn „Take Cover“ [frei übersetzt „bringt Euch in Sicherheit], da wir das beim Einreiten immer machen mussten. Er war sehr schwierig und hatte seinen eigenen Kopf“, so Besitzer Andrew Hollis, der mit seinem Norcroft Park Stud auch als Züchter zeichnet. Bei der Anpaarung hatte Hollis auf ein Pferd für klassische Mitteldistanzen gehofft: das Stamina des In The Wings-Sohnes Singspiel gepaart mit einer Green Desert-Enkelin. Hoffnungen, die spätestens mit der Kastration des dreijährigen Junghengstes zunichte gemacht wurden. Immerhin:  „danach hatten wir es etwas leichter“ erinnert sich Hollis an die ersten Jahre.

Dieser Starrsinn, seine „wilde Ader“, ist Take Cover bis heute geblieben, Fluch und Segen zugleich. Ein Segen sicherlich auch, dass der Wallach Ende 2011 aus George Margasons in Newmarket angesiedelten Trainingsquartier in die Obhut des jungen, damals eher unbekannten Trainers David Griffiths wechselte, der im nahe Doncaster gelegenen Bawtry eine eigene Trainingsanlage betreibt. Hier konnte Take Cover nicht nur abseits der Pferde-Massen, die Newmarkets Heath besiedeln, in größerer Ruhe aus seine Rennen vorbereitet werden;  er traf mit Griffiths – zusammen mit Ehefrau Sophie – auf zwei Menschen, die bereit waren, den eigenwilligen Brauen so zu nehmen, wie er eben war. „Bloody mad“ um es mit Griffiths Worten zu beschreiben. Worte, die nach all den Jahren natürlich ein Kompliment sind.

Griffiths, der seine Lehre bei Ian Balding absolvierte und dort die große Lochsong im Training ritt, hatte somit die perfekte Ausbildung absolviert: Lochsong, eine der legendärsten Sprinter Englands der letzen Jahrzehnte, war ebenso talentiert wie eigensinnig, im Training bestimmte sie, wo es langging. (Im wahrsten Sinne, ein Teil der Balding'schen Trainierbahn heißt noch heute der Lochsong- Galopp, da die heißblütige Stute vor allem hier ihr einsamen Trainingseinheiten absolvierte.) Die beste Grundlage also, um sich auf ein ähnlich charakterstarkes  Pferd einzustellen: „Es ist nur die Sache, ihn bei Laune zu halten. Sein Enthusiasmus ist legendär, er benimmt sich nach wie vor wie ein Zweijähriger und sieht auch so aus.“ Erklärte Griffiths schon zu Beginn dieses Jahres, Take Covers achter Saison in einem Rennstall.

Ehefrau Sophie ist ständiger Arbeitsreiter und leidgeprüfter Führer des Pferdes:  seitdem sich Take Cover  im Jahr 2015 an der Startstelle von Yorks Nunthorpe Stakes von Pfleger, Sattel und Jockey befreite und  in rasantem Tempo die Zielgerade herunterstürmte, darf er vor großen Prüfungen als erster den Führring verlassen und wird zum Start geführt. Dieser überschäumende Einsatzwille, sein Enthusiasmus, seine Kraft, sind natürlich auch "Segen", die Grundlage seiner Karriere, deren Zahlen so bemerkenswert sind: Bei 46 Starts hat Take Cover 15 Rennen gewonnen, bis auf seine frühen Jahre in Handicaps alle über die Minimaldistanz von 1000m,  und dabei fast 740.000 GBP an Preisgeld eingaloppiert.

Vor allem die Rennbahn von Goodwood – und hier die King George Stakes (Gr. II, 1000m) - sind "sein" Rennen, er gewann  sie 2014 und 2016, lief zweimal auf den zweiten Platz (so auch in diesem Jahr, als er sich nur dem ausgewiesenen Gr. I-Sprinter Battaash beugen musste) und war 2017 Vierter, auf unpassend weicher Bahn. Er ist damit einer von acht Doppelsiegern dieser Prüfung, wie auch besagte Lochsong.  In diesem Jahr hatte die Rennbahn von Goodwood über ihre Social Media Kanäle- in Erwartung des rekordverdächtigen dritten Sieges (dem noch kein Pferd vor ihm gelungen ist) - sogar eigens ein "Take Cover-Video" vorbereitet und verbreitet. Sein 2. Platz im 2013 Steward' Cup  - einem DER Sprint-Handicaps der Insel – machen bei seinen insgesamt sechs Starts auf der südenglischen Prestige-Bahn einen ausgezeichneten Bahnschnitt perfekt. „Die Bahn ist so unglaublich schnell, es geht bergab, und das kommt ihm natürlich entgegen“ so Griffiths, und wenn auch auf York's flacher Bahn drei Siege zu Buche stehen, so hat Take Cover nur in Goodwood auf Gruppe2 II-Ebene gewonnen und  hier seine sportlich wertvollsten Formen erlaufen.

Der so heiß ersehnte Gruppe I-Sieg fehlt in seinen Lebenslauf, nicht, weil man es nicht versucht hätte. Der Wallach ist regelmäßiger Teilnehmer („a standing dish“,  wie die Engländer es liebevoll ausdrücken) in Rennen der höchsten Klasse:  Nunthorpe, Abbaye, King's Stand Stakes – Europäische Paraderennen über die Minimaldistanz allesamt – sehen seinen Namen in schöner Regelmäßigkeit in den Starterlisten, hier wurden ihm bislang jedoch seine Grenzen aufgezeigt. Ein dritter Platz in Mecca's Angel 2016 Nunthorpe Stakes ist seine höchste Platzierung auf diesem Level, sicherlich aller Ehren wert. Bemerkenswert zudem, dass die Abstände zum Sieger bei fünf seiner sechs zweiten Plätze niemals mehr als einen Hals betrugen; es geht höllisch eng zu in diesen Sprintprüfungen, und nicht selten entscheidet auch das berühmte Quäntchen Glück über Sieg oder Niederlage.

In dieser Saison, und vor allem am letzten Samstag, hat der Wallach nun weiter an seinem Kult-Status gearbeitet. Auf der nordenglischen Rennbahn Beverley gewann der Wallach zum zweiten Mal, in Folge zudem, die "Beverley Bullet", ein mit 60.000GBP dotiertes Listenrennen, selbstredend über 1000m; sein erster voller Erfolg in diesem Jahr. Ein Rennen, welches hierzulande wohlmöglich weniger bekannt ist, auf der Insel aber, trotz seiner kurzen Geschichte, einen ausgezeichneten Namen hat. Einmal mehr zeigte Take Cover am vergangenen Samstag, warum ihn das Publikum so sehr ins Herz geschlossen hat. Als letztes Pferd betrat er die Startmaschine, wo seine Chancen eigentlich durch eine schlechte Startbox arg behindert wurden. Wie an der Sehne aufgezogen katapultierte sich der Wallach jedoch mit einem wahren Blitzstart –„er ist so schnell am Start. Wirklich gut, dass er den Halsriemen trägt, sonst würde ich immer noch in der Startmaschine sitzen“ so ein atemloser Jockey David Allan nach dem Rennen – zugleich an die Spitze des Feldes. Unter dem frenetischen Jubel der Zuschauer blieb er eben da, pfeilschnell, zielstrebig, verbissen; die Angreifer kamen von allen Seiten, doch keiner kam auch nur an seine Seite, hier war Take Cover überlegen, viel besser als der Rest, und sein Vorsprung im Ziel betrug eine gute Länge. „Take Cover ist ein absoluter Star“ so Hollis, „was er als 11jähriger leistet, ist wirklich mehr als bemerkenswert.“ 

Das Karriereende scheint ist Sicht: „Ich könnte es nicht ertragen, ihn als 12jährigen rennen zu sehen. Er wird schwer zu ersetzen sein.“ Nur noch wenige Rennbahnauftritte sind geplant, die letzten Rennen einer solch wundervollen Karriere wollen besonders sorgfältig ausgewählt werden. Newbury steht zu Auswahl, die "Flying Five" (Gr. I, 5f) auf dem Curragh im Rahmen des Irish Champions Weekend oder ein hochdotiertes Listenrennen auf der irischen Sandbahn von Dundalk, auch hier hat Take Cover bereits gewonnen. Das allerletzte Kapitel ist also noch nicht geschrieben. Allerdings: Keine weiteren King George Stakes, und damit kein Rekordhalter.  Gut möglich aber, dass Take Cover andere Ideen hat. Alter ist doch nur eine Zahl.

 

 

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