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Start in die neue Sandbahnsaison

Winterzeit in Neuss. www.galoppfoto.de - Sandra Scherning

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Turf aktuell

TurfTimes: 

Ausgabe 243 vom Donnerstag, 29.11.2012

„The times they are changing“, so lautet der Titelsong des gleichnamigen Albums, das ein gewisser Bob Dylan Anfang 1964 herausbrachte und mit dem der damals 22jährige Amerikaner seinen Ruf als einer der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts begründete. Erinnert wird man an diesen Titel, wenn man sich die am Sonntag auf der Rennbahn in Neuss beginnende Phase der Sandbahnrennen im deutschen Winterturf anschaut. Wo ist die Zeit nur geblieben, in der auf deutschen Sandbahnen sportlich attraktive Prüfungen gelaufen wurden, in der Pferde mit Black Type während dieser Zeit ihre Aufwartung gaben und sogar selber, zumindest auf Listenebene, Black Type erwerben konnten?

Die kurze sportliche Blütephase der deutschen Sandbahnrennen, eingeleitet durch die Eröffnung der zweiten Sandbahn in Neuss, die dem Platzhirschen Dortmund Konkurrenz machte und für sportliche Belebung im Winterprogramm sorgte, war nur vorübergehend. Als auf Allerheiligen 1995, dem in früheren Zeiten traditionellen Beginn der deutschen Sandbahnsaison in Dortmund, der erste Ausgleich I auf einer Sandbahn gelaufen wurde, und später Neuss mit neu konzipierten Prüfungen wie dem Deutschen Sandbahn-Classic für den Derby-Jahrgang, einem Auktionsrennen für die Sandbahnspezialisten und dem Deutschen Sandbahn Grand Prix als krönendem Abschluss des winterlichen Programms schien es fast, als ob Galopprennen auf Sand doch nicht nur „Basissport“ zu bieten hätten. Die Nachfrage der Ställe war da, die Wettumsätze attraktiv und - wenn die Witterung mitspielte – auch der Zuschauerzuspruch auf den Bahnen. Doch Zeiten ändern sich, und längst nicht immer zum Besseren.

Die bevorstehende Sandbahnsaison 2012/13 wird nicht mehr von einer Konkurrenz der beiden Sandbahnveranstalter um attraktive Renntage mit sportlich gut besetzten Prüfungen bestimmt, eher scheint es darum zu gehen, irgendwie ein paar – möglichst nicht zu viele – Veranstaltungen mit finanzieller Unterstützung durch den Dachverband und starker Beteiligung der startwilligen Besitzer an den Kosten abzuwickeln, damit der deutsche Galoppsport zwischen Ende November und Mitte März nicht völlig von der Bildfläche verschwindet. Wenn jetzt ein Fall infektiöser Anämie in Neuss und/oder Dortmund auftreten und dies wie in Köln zur quarantänebedingten Sperrung der Rennbahn führen würde, so wäre die Trauer darüber sicherlich nicht allzu groß: Man hätte eine Möglichkeit, die ungeliebten Sandbahnrenntage absagen zu können, ohne sich Vorwürfe anhören zu müssen. Angesichts der desaströsen Umsatzentwicklung bei den Winterrennen in den letzten Jahren und der unbefriedigenden Situation an der Sponsorenfront ist die Haltung der Veranstalter durchaus nachvollziehbar: Wer begeht schon gerne Harakiri?

Die beginnende Phase der Sandbahnsaison mit ihren fünf noch in diesem Jahr anstehenden Renntagen kann durch die Endphase des Kampfes um die Championate im deutschen Turf zumindest noch von gesteigerter Aufmerksamkeit profitieren, die richtige Tristesse beginnt erst im Januar. Zudem führt die aktuelle Situation im Trainerchampionat dazu, dass die drei um das Championat ringenden Trainer den ein oder anderen besseren Schützling nochmals „auspacken“, der sonst nicht auf Sand an den Start gegangen wäre.

Bestes Beispiel dafür ist der im ersten Sandbahnrennen dieser Saison antretende Birthday Prince (Alexander Pietsch), der einen wichtigen Punkt für den Hoppegartener Trainer Roland Dzubasz im Kampf um das Trainerchampionat beisteuern soll. Der 4-jährige Areion-Sohn konnte immerhin schon mehrere Ausgleich II-Prüfungen gewinnen, ist auf Sand allerdings ein unbeschriebenes Blatt. Kommt er mit dem Untergrund zurecht, so hat er in Neuss keinen Gegner und wird für Dzubasz Saisonsieg Nummer 55 beisteuern. Drei weitere Chancen durch die in der Youngster-Prüfung antretende Dashing Blade-Tochter Ciel de Loire (Rene Piechulek) und die beiden in der Prüfung für den Derby-Jahrgang engagierten Timorow (Bayarsaikhan Ganbat) und Villanesco (Alexander Pietsch) hat der Hoppegartener Trainer noch in Neuss, um sich weiter von den Verfolgern abzusetzen.

Der auf Rang 2 mit fünf Punkten Abstand hinter ihm rangierende Hans-Jürgen Gröschel ist in Neuss „nur“ mit zwei Schützlingen vertreten: Turgenjew (Andrasch Starke) und Alexis (Martin Seidl) sollen ihn näher an Dzubasz heranbringen. Eigentlich hatte der in Hannover beheimatete Gröschel vor ein paar Wochen in einem Interview erklärt, dass er bei den Sandbahnrennen nicht mehr mit von der Partie sein würde, da er dafür keine Kandidaten hätte, doch hat er sich in der Zwischenzeit umentschieden und bei einigen seiner Schützlingen offensichtlich Sandbahneignung feststellen können. Wenn die Titelchance winkt, dann probiert man es eben einmal.

Ein erfahrener „alter Hase“ sowohl im Sandbahnturf als auch im Championatskampf ist dagegen Christian von der Recke. Im Gegensatz zu seinen beiden Kontrahenten ist für von der Recke ein Championat nichts Besonders, der Weilerswister hat immerhin schon 17 Titel gewonnen, darunter viermal das hiesige Trainerchampionat in Flachrennen. Dennoch erklärte der aktuell sechs Punkte hinter Dzubasz auf Rang 3 liegende von der Recke in dieser Woche, dass er auch in diesem Jahr bis zum Schluss kämpfen will, um wieder Trainerchampion zu werden. Dass dies keine hohle Floskel war, zeigt ein Blick auf die Neusser Starterlisten, in denen sich sieben Vertreter des Weilerswister Quartiers finden. Ein „Elfmeter“ schlummert nicht in seinem Septett, dazu sind die meisten Prüfungen der neun Rennen umfassenden Sonntagsveranstaltung einfach zu kopf- und formstark besetzt, doch vielleicht gelingt von der Recke dennoch der ein oder andere Treffer, wodurch der Championatskampf weiter an Spannung gewinnen würde.

Bei den Jockeys konnte Titelverteidiger Filip Minarik am letzten Sonntag seine Chance, den Abstand auf den führenden Ex-Champion Andrasch Starke entscheidend zu verkürzen, nicht nutzen. An diesem Sonntag ist Starke wieder aus Tokio zurück und zeigt bei der Sandbahnpremiere, dass auch ihn der Ehrgeiz gepackt hat. Waren seine Einsätze auf Sand in den letzten Jahren doch sehr dosiert, so wird sich Starke am Sonntag siebenmal in den Sattel schwingen, genauso oft wie der für seinen Fleiß bekannte Minarik. Beide haben gleich mehrere gute Ritte, so dass es nicht verwundern würde, wenn auch beide punkten könnten. Bei der Ausgangssituation von 75:69 für Starke und gegen Minarik muss der Tscheche auf Glück hoffen, dass er noch einmal aufschließen und damit ein echtes Finale erzwingen kann.

Hier geht es zum kompletten Renntag mit allen Rennen, Jockeys, Trainer, Besitzern und Infos: Klick! 1. Start am Sonntag, 02. Dezember: 14 Uhr.

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